Ist das nun simples Unvermögen, eine besonders gerissene, mir aber unbekannte Segeltechnik oder eine besonders ausgeklügelte Variante der formvollendeten Demütigung?

Wir haben den angenehmen Ort Carloforte auf San Pietro verlassen und segeln vor kräftigem raumen Wind die Küste entlang. Der Mistral schiebt gehörig. Es ist eine rasante Rauschefahrt, die mir mal wieder ungeheures Vergnügen bereitet.

Highspeed

Auf dem Plotter verfolge ich schon seit einiger Zeit ein aufkommendes Segelboot, das mit seiner überlegenen Geschwindigkeit nun zum Überholer wird. Soweit nichts Besonderes, wir sind selbst ja nicht in einem Rennboot unterwegs, größere Boote haben allein der Länge wegen einen Geschwindigkeitsvorteil. Dass wir überholt werden, ist deswegen nicht ungewöhnlich. Das hier aber hatte ich noch nicht:

Seglerlatein: Ich vermute, das war mal ein Schmetterling. Also auf Vorwindkurs das Großsegel auf der Steuerbordseite und die Genua auf der Backbordseite. Dann kam Durcheinander durch Wind, Welle und den Steuerkurs in das System und die Genua schlug ebenfalls auf die Steuerbordseite. Die Crew segelte nun aber einfach weiter, ohne das Segel umzuschoten. Die Genua steht damit back! Die liegen fast bei und überholen uns dabei noch!!!

Auf Deutsch: Durch die Segelkonfiguration erhält das Boot zum einen Fahrt durch das Großsegel und wird zum anderen durch das Vorsegel gleichzeitig wieder mehr oder weniger stark abgebremst. Man überholt uns also und hat dabei noch die Handbremse angezogen, die aus Protest gegen die unzweckmäßige Behandlung bereits qualmt.

Überholen ist ja in Ordnung, akzeptiert werden bauartbedingte Vorteile oder besseren Segeltrimm als Gründe für eine höhere Geschwindigkeit auf der anderen Seite. Aber so?! Gut ok, so stark dürfte die Fock nicht bremsen, sie erhält ja auch nur dürftig Wind. Dennoch…..

Carloforte auf St. Pietro

Vorangegangen waren drei Tage in dem mit kleinen Ort Carloforte auf der Sardienen vorgelagerten Insel St. Pietro. Ich hatte mit einem verlassenen, abgelegenen Stück Land gerechnet, auf das kaum jemand bisher seinen Fuß gesetzt hatte, ankommende Segler vielleicht ausgenommen. Schon bei der Ankunft erfuhr ich aber per Mail, dass die halbe Familie hier bereits ihren Urlaub verbracht hatte und sehr entfernte Verwandtschaft sich zum Teil sogar länger hier aufhielt. Täglich bringen eine Reihe von Fähren viele Touristen auf die Insel, die sich auf die zahlreichen Restaurants verteilen, welche, auch zu unserer Freude, hier für reichlich leibliches Wohl sorgen. Eine unbekannte Insel hatten wir also nicht gefunden und Einsamkeit würden wir hier auch nicht erfahren, hatten diese aber auch gar nicht gesucht. Betreten haben wir aber unseren ersten italienischen Ort auf der Reise, der sich deutlich und wohltuend dem eher zweckmäßigen Flair vieler spanischer Touristenorte unterscheidet.

Wasser, sowie Proviant wurde gebunkert, viel brauchten wir nicht, da noch einiges an Bord war. So beschränkte sich mein Einkauf auf die wesentlichen Dinge des Lebens, die tatsächlich auch zur Neige gingen, was mir den sehr spöttischen Kommentar Aha! Ein deutsches Starter Pack, hm?? einbrachte.

Brot in seinen zwei Agregatzuständen

In der Marina lernten wir den sehr netten Australier Mark kennen. Mark war für seine Frau aus Australien in die Schweiz gezogen, hatte dort zwei Söhne halb groß gezogen, lebt nun in Scheidung und ist dem durchgetakteten und stark auf Profit orientierten Schweizer Leben dadurch entflohen, indem er mit seinem kleinen, zum darin Leben umgebauten Bus hier in diese Marina fuhr, sich einen kleinen Katamaran kaufte, den er jetzt wieder auf Vordermann bringt, während er tagsüber am Laptop im Marina-Restaurant sitzt und als Ingenieur Brücken plant. Seine Jungs kommen mit seiner Ex im Urlaub zu ihm. Er besucht sie in der Schweiz, bis die beiden endgültig aus dem Haus sind, dann geht er zurück nach Australien. Wir verbrachten einen tollen Abend zusammen und hatten uns viel zu erzählen. Man kann es hier gut aushalten, die Uhren gehen alle etwas langsamer.

Nach dieser bereichernden Bekanntschaft von Ort und Menschen sind wir nun also auf der Weiterfahrt. Bereits auf Menorca war absehbar, dass wir am Mittwoch perfekten Wind zur Weiterfahrt ab Carloforte erhalten würden, den wir dann auch tatsächlich heute bekommen und zur Flucht vor den Liegegebühren bei Hochsaison nutzen.

Der angekündigte Besuch von Jens und Mathias aus Stuttgart wird sich aufgrund von Umständen auf andere Art gestalten, als er ursprünglich geplant war. Die beiden werden kommen, aber nicht zusammen, sondern nacheinander. Den Anfang macht Jens, der bereits am Samstag, 9.7. in Cagliari landen wird, wofür wir uns ranhalten müssen. Der Wind hilft sehr und wir erreichen nachmittags die traumhafte Bucht von Porto Pino für einen Übernachtungsstopp auf dem Weg.

In der Bucht sehen wir schon die Masten der Segelyachten, wie sie sich vor Wind und Welle Schutz suchend in Strandnähe unter Land versammelt haben. Etwas weiter draußen liegen zwei Superyachten und ein Frachtschiff. Vor allem das Frachtschiff irritiert und ist an so einem Ort des Müßiggang einigermaßen ungewöhnlich.

Der Anstrich vergrößert meine Neugierde und ich fahre näher ran.

Es handelt sich hierbei um das ehemalige Postschiff RMS St Helena, das vor der Inbetriebnahme der Landebahn auf der abgelegenen gleichnamigen Insel im Südatlantik die einzige regelmäßige Verbindung nach Großbritannien darstellte. Es war das letzte seiner Art, wurde nach dem Bau des Flugplatzes außen Dienst gestellt, zweimal verkauft und fährt nun, unter altem Namen, für die Auto- Rennsportserie Extreme.e. Dabei geht es um elektronisch angetriebene SUV, die Offroad absolut verrückte Rennen fahren.

Spannend, kannte ich noch nicht.

Nach dieser Entdeckung erreichen wir den geschützten Ankergrund hinter einer Landzunge. Geschützt bezieht sich hier im Moment eindeutig nur auf den Schwell, der sich vom Strand bis zum Bereich der ankernden Jachten kaum aufbauen kann.

Quelle: Google Maps

Der kräftige Westwind aber findet seinen Weg über die Halbinsel und bläst den Yachties mit 23 Knoten um die Ohren. Wir sind mittlerweile reichlich abgebrüht, schließlich hatten wir den Wind den ganzen Tag und auf Mallorca ohnehin schon deutlich mehr vor Anker erlebt. Doch hier stehen fast alle Bootsbesatzungen jetzt aufgeschreckt an Oberdeck, viele blicken vom Bug ihres Bootes sorgenvoll auf ihre Ankerkette. Ich vermute, das mit dem Wind ging hier erst kurz vor unserer Ankunft los. In dem Fall würde ich sicherlich auch nach dem Rechten schauen.

Die Anwesenheit der Seglerkollegen ist somit keine Geste des Willkommens für uns Neuankömmlinge. Eher ganz im Gegenteil. Ich fahre emotional ausgeglichen durch das Ankerfeld, um mir einen schönen Platz auszusuchen. Wir passieren dabei einen Dänen, der uns fixiert und nicht aus den Augen lässt. Ich hebe die Hand zum Gruß. Keine Reaktion auf der Gegenseite. Schon halb zum Trotz wiederhole ich die Geste. Weiterhin werde ich nur angestarrt. Ich wende mich ab und spüre so etwas wie Feindseligkeit, die da von ihm zu uns herüberkriecht und sicherlich daher rührt, dass man unter den aktuellen windigen Gegebenheiten niemanden um sich wünscht, der einem Probleme bereiten könnte. Verschwinde so weit du kannst und denk nicht mal daran, deinen verkommen Kahn mit deinen fragwürdigen Fähigkeiten irgendwo in der Nähe meines schönen Schiffes im Grund zu befestigen.

Wir wollen sowieso nicht an Land, kommen nur zum Übernachten und haben gar kein Interesse daran, uns in irgendeinen Logenplatz zu drängeln. Der Pickel geht etwas weiter abseits, bei 6 Metern Wassertiefe und 35 Metern Kette auf Grund, ist durch das klare Wasser gut sichtbar und hält hervorragend.

Wir beginnen, das Abendessen zu kochen. Eine Stunde später verschwindet auch der Wind, worauf wir eine schöne und ruhige Nacht vor Anker an einem Ort verbringen, der es eigentlich nicht verdient hat, dass wir ihn ohne Besuch am kommenden Morgen bereits wieder verlassen müssen.

Traunhafte Ankerbucht bei Porto Pino

Jens wird aber übermorgen, am Samstagmorgen in Cagliari landen und wir haben Zeitdruck. Es sind dann noch einmal 20 Seemeilen, die wir bis zum nächsten Zwischenstopp segeln. Ich wollte eigentlich weiter, in die Ankerbucht von Dora. Soweit schaffen wir es aber heute nicht, denn der Wind dreht gegen uns, wir müssten gegen ihn mit dem Motor ankämpfen. Da er morgen wieder von Achtern kommen wird, fahren wir einfach links ran, wo wir gerade sind und machen Schluss für heute. Die Ankerbucht der Wahl stellt sich dann zwar als schön…

Abendstimmung bei der Isola Su Cardolinu

…aber nicht so geschützt heraus, wie das bei den vorangegangenen Plätzen der Fall war. An der Westküste steht nach wie vor ordentlich Wind, der einen Schwell produziert, welcher es dann teilweise um das Cap im Süden schafft, hinter dem wir liegen. Die Nacht ist unruhig, der Clipper bewegt sich zu stark, wir schlafen nicht viel.

Am Morgen schwimmen wir noch mal kurz um das Boot, dann geht es auf die letzte Etappe. Für die 25 Meilen (ca. 40 km) benötigen wir dann stolze 8 Stunden.

Schmetterling

Im Schmetterling mit Code0 und Großsegel fahren wir in aller Ruhe bei ungefähr 10 Knoten Rückenwind langsam und entspannt auf den großen Industriehafen von Cagliari zu, erreichen diesen und unsere Marina am Nachmittag und legen einen schönen Anleger bei nicht zu wenig Wind hin und sind erst mal da.

Am kommenden Samstag Morgen steht Jens dann vor der Tür und die Freude über seinen ersten Besuch an Bord ist groß.

Wir besichtigen noch am selben Tag Cagliari zusammen, genießen abends in der Altstadt ein tolles Essen zu dritt und fühlen uns alle pudelwohl.

Badeurlaub

Ich habe mir die Woche Urlaub genommen, sodass wir uns ganz auf unser gemeinsames Freizeitvergnügen konzentrieren können. Am Sonntagmittag brechen wir auf. Das erste Ziel ist ein Badestrand, vor dem wir über Nacht bleiben wollen.

Gute Stimmung auf dem Weg zum Badestrand

Der Wind ist perfekt und wir erreichen die Bucht am frühen Nachmittag. Der Strand stellt sich als steinig heraus, wir haben keinen Schutz vor der Welle und in Anbetracht der unruhigen Nacht vor zwei Tagen, beschließen wir, nach dem Badespaß einen ruhigeren Ort für die Nacht zu finden.

Fast vollendeter Backfilip
Villasimius

Das wird die große Bucht von Villasimius, in der ebenfalls der Schwell steht. Wir verkriechen uns aber direkt vor der Hafeneinfahrt zwischen Badestrand und Wellenbrecher der Marina, ein Geheimtipp von Günter aus Wiesbaden, den wir in Cagliari zufällig am Steg gegenüber trafen.

Als uns die zahlreichen, ebenfalls unter dem Schwell leidenden Skipper der anderen Yachten dort sehen, setzt ein regelrechter Ausverkauf des knappen Platzes hier ein. Eine Stunde später sind es vier weitere Schutz suchende Boote um uns herum. Die gesetzlich vorgeschriebenen 200 Meter zum Strand können wir hier nicht einhalten.

Es wird voll

Am kommenden Morgen erhalten wir dann auch alle Besuch der grimmigen schauenden und militärisch organisierten Guardia di Finanza, was hier wohl die Wasserschutzpolizei und Zoll in einem ist. Die Art, wie sie uns mitteilen, dass wir hier SOFORT zu verschwinden haben, lässt auch mit größter Fantasie kein Spielraum der Interpretation. Muss deren vorzügliche Ausbildung sein, dass sie so klar kommunizieren können.

Eilig geht der Anker auf und wir wechseln in die große Ankerbucht nebenan, die nach dem angekündigten Winddreher der Nacht nun klar, einladend und sehr ruhig vor uns liegt. Hier bleiben wir fantastische drei Tage, planschen und Schnorcheln in türkisfarbenem Wasser, besuchen die nahe Stadt Villasimius, erleben schöne Abende vor Anker bei Dinner und Kartenspiel.

Der Strand ist, wie üblich, durch eine Badezone abgesperrt. In diese darf man nicht einfahren, auch nicht mit einem motorbetriebenen Schlauchboot und hier mittlerweile sogar gar nicht mehr mit dem Schlauchboot, egal ob mit oder ohne Motor. Das wird natürlich zu einem Problem, wenn man vor einem langen Strand ankert, der dann zu einem unüberwindbaren Hindernis wird, es sei denn man schwimmt. Glücklicherweise wird letzteres nicht überall durchgesetzt, sodass wir die schwere Batterie und den Außenborder an Bord lassen und mit dem Clipperchen zum Strand rudern. Dort wird er mit Schloss und Drahtseil angebunden, sodass er nicht wegläuft.

In einem nahen Salzsee leben wilden Flamingos. Die Flamingos ernähren sich von kleinen Salinenkrebsen…

…die Jens zu Hause ebenfalls für die Fütterung insbesondere seiner Süßwassergarnelen nutzt, die er im Aquarium züchtet. Die Eier der Krebse befinden sich im Sand und wenn man weiß, wie das aussieht, kann man diese ausgraben. Da dies allerdings verboten ist, widersteht Jens natürlich dieser Versuchung.

Abgetrieben

Am Tag der Abreise aus diesem kleinen Paradies gehen Jens und ich noch einmal Schnorcheln. Filip will in der Marina in einem Geschäft noch mal etwas schauen, wozu er mit dem Clipperchen in die Marina fahren möchte. Da es ordentlich aufgefrischt hat und der Wind ablandig weht, überlegen wir, ob es nicht besser ist, den Außenbordmotor und die Batterie zu installieren. Wir haben uns aber sehr an das Rudern gewöhnt und Filip fährt so los. Schmeckt mir nicht, aber gut.

Jens und ich sind vom Schnorcheln zurück und sitzen bereits wieder trocken im Cockpit, da erspähen wir das kleine Clipperchen mit dem noch kleineren Filip aus der Hafeneinfahrt rudern. Um ihn herum fahren die großen Motorboote, während Filip sich tapfer abmüht. Irgendwas stimmt aber nicht, er steuert an uns vorbei auf die offene See. Erst denke ich, dass es ihn wegtreibt, dann aber sehen wir, dass er bewusst keine Kurskorrektur einleitet, nachdem er sich umgesehen hat, man rudert ja rückwärts.

Wir beobachten ihn weiter und meine Unruhe schlägt in alarmierte Besorgnis um. Der Wind vertreibt ihn und er unterstützt das noch, statt vorzuhalten und uns zum Ziel seiner Reise zu machen. Die Zeit zum Eingreifen kommt dann, als eines der zwei Ruder auf einmal durch die Luft fliegt und er anfängt mit diesem einen Ruder zu paddeln. So kommt er nicht mehr zurück und treibt weiter auf das Meer.

Jens springt ins Wasser und schnorchelt zu Filip. Ich gehe mit dem Clipper eilig Anker auf, um dem Clipperchen zu Hilfe zu eilen. Ein benachbarter deutscher Ankerlieger ist ebenfalls schon im Schlauchboot, startet seinen Außenbordmotor und fährt in Filips Richtung.

Wir kommen alle drei nahezu gleichzeitig bei dem ziemlich geladenen Filip an. Jens hält sich am Heck des Schlauchbootes fest, ich bringe den großen Clipper vorsichtig in Luv zum Stehen und lasse mich mit gestoppter Schraube die letzten Meter auf die beiden drauf treiben. So bekomme ich eine Leine und kann alle Mann sicher an Bord holen.

Dann klärt sich auch, was passiert war. Filip hatte auf die Entfernung ein anderes Boot mit dem unseren verwechselt und somit eine falsche Richtung. Dann ging das Dollenlager kaputt, in dem das Ruder an einem Gelenk mit dem Schlauchboot verbunden ist. Filip berichtet, dass ein Teil in hohem Bogen ins Meer geflogen war und danach das Ruder nur noch als Paddel funktionierte, was bei dem Wind nicht viel half.

Wir machen uns nach der erfolgreichen Rettung auf den Rückweg. Filip war nie in wirklicher Gefahr, alle hatten eine Auge auf das ungewöhnliche Gefährt. Aber er war stinksauer. Neben der allgemeinen emotionalen Lage stellt es sich nun mal heraus, dass die Ruder von so einem Schlauchboot nicht für den Dauereinsatz in anspruchsvoller Umgebung geeignet ist. Wir denken darüber nach, uns ein aufblasbares Kajak für derartige Einsätze zuzulegen.

Die Herrschaften vom Achterdeck

Als wir vor dem Hafen von Cagliari ankommen, überholt uns etwa 3 Meilen vor der Einfahrt eine von diesen riesigen Supersegelyachten. Wie die Herrschaften da so vornehm auf dem Achterdeck stehen, erinnern sie mich an so einen Werbefilm, in dem ein Typ mit offenen wehenden Hemd ganz in Weiß und allein auf einer solchen Yacht am Ruder steht und diese steuert. Ich empfinde die Szene ziemlich affig, wenn ich bedenke, was an Crew tatsächlich notwendig ist, um so ein Schiff zu betreiben.

Jedenfalls ziehen die unter ihrer gewaltigen Segelfläche mit doppelter Geschwindigkeit und mit großer Leichtigkeit an uns vorbei, drehen dann später vor der Hafeneinfahrt in den Wind, holen die Segel ein und das Tenderboot zu Wasser, das ab da hinterherfährt, um wohl später beim Anlegen als eine Art Schlepper zu helfen. So zumindest meine Interpretation. Ich habe die bereits vergessen, bis uns der Kahn im weitläufigen Hafen, mehr oder weniger langsam treibend, den direkten Weg zu unserer Marina del Sol versperrt. Ich habe keine Ahnung, was die vorhaben, muss aber vorbei. Die haben auf jeden Fall ein anderes, repräsentativeres Ziel, als unsere runter gerockte Anlegestelle.

Ich will ihm nicht in den Weg fahren und fahre zunächst so, dass ich ihn achtern, zwischen ihm und dem Wellenbrecher des Hafens passieren kann, reichlich Platz ist ja. Da dreht er seinen Kahn in diese Richtung und ich denke, er will nun andersherum. Also orientiere ich mich um und möchte nun auf der dem inneren Hafen zugewandten Seite vorbeischlüpfen. Wahrscheinlich wollte die einheitlich gekleideten Herrschaft auf dem Achterdeck da drüben für einen vornehmen, der Eleganz des Schiffes angemessenen Bogen ausholen. Jedenfalls produzieren sie so einen Zickzack, der mich verwirrt. Die kahlköpfige Herrlichkeit am Ruder bemerkt uns jetzt und beginnt abfällig zu gestikulieren, was wir kleinen Idioten hier seine erlauchten Kreise stören. Ich vermute den arroganten Eigner vor mir zu haben, rufe erbost zurück, dass ihm doch jeder Weg frei steht, er sich halt einfach nur mal klar für einen entscheiden soll.

Fest steht, dass wir hier keine Freunde mehr werden. Ich verstehe kein Wort von dem, was er da gestikulierend von sich gibt, befürchte, dass es umgekehrt genau so ist. Meine dringendste Botschaft an ihn hätte ich auch nonverbal zum Ausdruck bringen können, indem ich ihm, in meinem kleinen Cockpit stehend, einfach mal den eigenen unbedeckten Achtersteven rüber gehalten hätte. Ich weiß aber nicht, wen ich da vor mir habe und ob ich im Nachgang zu so einer Geste später einer offiziellen Stelle die seemännische Notwendigkeit dieser Botschaft hätte vermitteln müssen.

Ich bin im Grunde mit meinem bevorstehenden eignen Anleger auch gut selbst beschäftigt, der Typ ist nicht in der Lage, seine Absichten zum Ausdruck zu bringen und ich gebe nun kräftig Gas. Wir lassen den im Hafen gar nicht mehr so agil wirkenden Koloss mit der fuchtelnden Gestalt links liegen. 10 Minuten später sind wir fest und alles ist gut.

Delfine in der Marina
Marina del Sol

Wir hatten ja seit Monaten keine Delfine mehr auf See gesehen. Dass wir sie nun mal im Hafenbecken zu Gesicht bekommen, ergibt sich ziemlich unerwartet. Wir können die Tümmler kaum filmen, sie halten sich gut versteckt.

Was wir aber mitbekommen, ist das plötzliche Durcheinander, wenn sich einer von Ihnen sein Mittagessen holt. Man muss sich das so vorstellen, dass die Marina ruhig daliegt. Normalerweise halten sich unter den Booten Fische auf. Hier ist das auch so, es gibt sogar recht viele. Plötzlich springen die dann alle aus dem Wasser und in die Luft, was ein ziemlich wildes Geräusch macht, wenn 30–40 Fische in Todesangst erst aus dem Wasser springen, um darauf natürlich wieder dahin zurückzufallen.

Der Steg, an dem wir hier liegen ist sehr viel anders, als wir das sonst kennen. Täglich findet ein größerer Wechsel der Yachten statt, die nun wirklich sehr international sind. Amerikaner, Kanadier, Franzosen, Spanier, Schweizer, Deutsche, Italiener natürlich und und und kommen und gehen…. Manche kennen sich aber und veranstalten auf dem Steg ihre kleine Grillparty, wenn das eigene Boot dafür zu klein ist.

Für eine nähere Bekanntschaft geht das alles zu schnell, aber Studien kann man eine Menge beim Beobachten betreiben.

Gästewechsel

Jens fliegt am Donnerstagmorgen zurück und wir warten auf Mathias, der am Samstag eintreffen wird. Mit ihm wollen wir mindestens das Wochenende verbringen, so ist es vorab vereinbart, denn uns drückt jetzt der nächste Termin. Filips Mutter und sein kleiner Bruder werden auf Sizilien Urlaub machen, um uns mal auf dem Boot besuchen zu können. Wir müssen spätestens am 28.07. in Trapani sein, egal wie, und das wird immer mehr zum Problem. Die Wetterlage, die Europa unter der Hitzeglocke hält, hat sich fest gesetzt. Zwar ist es hier mit täglichen 32 Grad noch ok, aber eine Wetterveränderung und damit Wind, egal aus welcher Richtung, ist absolut nicht in Sicht. Wir werden den ersten kleinen Strohhalm nehmen, den wir bekommen können, recht egal, wie der aussieht. Die Strecke von Sardinien bis Sizilien im Extremfall komplett unter Motor zu fahren, will keiner und das wäre bei ca. 180 Seemeilen auch hart am Rande des Machbaren. Mathias plant also das Wochenende mit uns, danach wird man sehen.

Den Tag Wartezeit nutze ich dazu, um hinter dem Kühlschrank mal zu schauen, ob sich im Kühlgitter Staub festgesetzt hat, der dann weniger Luftzirkulation und damit zu erhöhtem Energieverbrauch führen würde. Ich hatte mal davon gelesen, dass das passieren kann, dem ist aber weit weitem nicht so.

Mathias kommt am Samstagmorgen und wir segeln nach dem Willkommen, einem Kaffee und der Sicherheitseinweisung direkt los. Zunächst geht es zur Bucht von Pula, nahe der alten Römerstadt Nora, die ein MUST SEE sein soll. Wir erreichen unser Ziel am späten Nachmittag und verbringen den Abend im Wesentlichen auf dem Boot, schnorcheln allerdings einmal zum Strand. Die Strecke geht entlang an Felsen, Seegrasfelder und der Kombination aus beiden. Eine beeindruckende Artenvielfalt stellt sich hier zur Schau, die sich da tarnend oder auch farbenfroh so knapp unter der Wasseroberfläche präsentiert, dass man sie direkt vor der Nase hat und nicht zu ihnen hinabtauchen muss, um sie zu bewundern. Ich ziehe mitunter den zierlichen Bauch ein, aus Sorge, hängenzubleiben.

Nora

Die Nacht zum Sonntag ist etwas laut, die Stranddisko sendet uns bis morgens um 4 Uhr ihre Beats, was, wenn man nicht Teil davon ist, nur sehr bedingt Spaß macht. Am Sonntag schwimmen Filip und Mathias zum Strand und verbringen den Vormittag dort, während ich auf dem Boot bleibe. Am späten Nachmittag und reichlich Müßiggang …

…nehmen wir das Dinghy und sehen wir uns schließlich die Ruinen der römischen Siedlung hier an. Während wir über die Römerstraße laufen, stelle ich mir vor, wie es damals war. Hier zwischen Therme, Amphitheater und dem Forum zu leben, war sicher in der schönen Gegend damals schon gut.

Nach der Rückkehr an Bord kochen wir und erleben erneut einen dieser lauschig schönen Abende am aufgebauten Tisch im Cockpit, von denen wir in den letzten Wochen immer mehr hatten.

Die zweite Nacht zum Montag wird ebenfalls unruhig. Die Musik ist es jetzt aber nicht mehr allein, der Schwell gelangt nun auch immer mehr in die nun nicht mehr schützende Bucht und sorgt für Bewegung im Boot, insbesondere vorn, wo Mathias versucht zu schlafen.

Ich bringe Filip und Mathias am Montagmorgen mit dem Clipperchen an den Strand, bevor ich an Bord einen halben Arbeitstag verbringe. Wir wollen uns nach Mittag auf die anderes Seite des Golfs von Cagliari verziehen, da der Wind endgültig dreht und die Bucht ungemütlich wird. Ziel ist erneut die tolle Ankerstelle von Villasimius. Das alles geht aber leider nur hart am Wind, was besonders für den armen Mathias erneut unangenehm ist. Wir erreichen nach 5 Stunden die andere Seite und haben nun die Wahl, noch weitere zwei Stunden gegen Wind und Welle die Küste entlang zu unserem gesetzten Ziel zu bolzen oder einfach am unbekannten Strand voraus über Nacht den Anker zu werfen. Wir schauen nach, ob man dort ruhig liegen kann, was der Fall ist. Der Anker sinkt auf den Grund, drei Mann springen ins Wasser und erfrischen sich im herrlichen Nass.

Der Strand sieht von unserem Ankerplatz extrem vielversprechend aus, sodass Filip sich entschließt, die etwa 300 m zu schwimmen. Mathias und ich nehmen das Clipperchen und wir entdecken einen traumhaften kleinen Sandstrand und eine tolle Strandbar.

Hier schmeckt dann das Ankerbier, mit Pizza zu Chill Out Klängen und Blick auf die Bucht mit dem Clipper wie selten davor.

So darf ein Segeltag ausklingen, fantastisch. Hier bleiben wir über Nacht, vielleicht sogar eine Zweite, das hängt von Wetterbericht ab, den wir akribisch alle 12 Stunden studieren, sobald die Modellrechnungen veröffentlicht und abrufbar sind.

Unsere Zeit in Süd Sardinen klingt in jedem Fall aus. Wir haben uns die Ecke ausgesucht, da wir mit dem Wind hier besser herkamen, es in der Hochsaison nicht ganz so überlaufen wie im Norden ist, und ich Gutes über diesen Fleck der Welt gehört hatte. Das hat sich nun voll bestätigt und war nach den Balearen sogar noch eine Steigerung, was die wunderschönen Tage vor Anker betrifft.

2 Gedanke zu “Sardinen – Badeparadis mit Freunden”
  1. Ihr habt es schön, aber wir vermissen dich dennoch auf dem Amphi! Fühl dich gedrückt und liebe Grüße an Filip, Bibi

    1. Hallo Bibi,
      mit großer Wehmut verfolge ich den Gruppenchat und würde mich gerne zu euch rüber beamen.

      Viele Grüße an den Rest der Trümmertruppe, auch den Ausländer!
      Grüße sind ausgerichtet und gehen zurück.

      Alles liebe
      Schmitzi

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