Mittwoch 20.01.2022 bis Montag 31.01.2022

Der Morgen ist nahezu windstill am Ankerplatz von Portimao. Wir Frühstücken und um 10 Uhr hole ich den Anker und verlasse die Flussmündung, auf der Such nach dem Wind, der gemäß der Vorhersage reichlich draußen stehen soll und das auch tut. Wir kommen aus der Landabdeckung raus und schon 10 Minuten später muss ich von der großen Genua auf die Arbeitsfock zurück und binde das erste Reff ein.

Wir beginnen gegen mehr als 20 Knoten Wind aufzukreuzen, der, genau wie vorhergesagt, aus der Richtung kommt, wo wir hin wollen. Wie immer ist nicht der Wind, sondern die See das Problem. Es steht eine unangenehm kurze, konfuse und manchmal recht steile 2–3 Meter Welle, die sich auf dem kurzen Weg von Andalusien bis hierher aufbauen konnte. Nach einer Stunde überantwortet Filip sein Frühstück der See. Auch ich fühle mich nicht mehr wirklich frisch. Hätte man alles vorhersehen können. Haben wir aber nicht und müssen nach der Weihnachtspause erst wieder lernen, was geht und was man einfach nicht versuchen sollte. Es war einfach ein Fehler heute in die Richtung rauszufahren und gegen diese Wellen anzubolzen, anstatt den Tag vor Anker zu genießen. A Gentleman Never Sails to Windward!

Die Aussicht ist meist durch viel Wasser getrübt

Ich nehme den Motor dazu, die Segel weg und den direkten Weg, um Filips deutlich sichtbare Leiden auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren. Das macht es nicht viel besser, aber eben zumindest kürzer. Ich versuche noch, wenigstens die Fock als Stütze gegen das Rollen zu setzen, bringt aber nichts. Wir fahren genau in den Wind. So geht es noch gute zwei Stunden gegen Wind und Welle weiter, bis wir dann in Albufeira ankommen, um nun dort auf das Wetter zu warten, das uns ohne Leiden nach Faro bringen wird. Hier in Albufeira liegt auch noch Post für uns. Der Aufenthalt ist also sowieso geplant, nun wird er einfach um einen Tag länger.

Selten schmeckt das Pint nach dem Anlegen dann so gut, wie nach dieser stampfenden Schaukelei.

Hier in Albufeira ging es auch vor eineinhalb Wochen, am 19.01. wieder los. Ich kam allein aus Malta, wo ich den Theorieteil des RYA Yachtmaster Ocean bei Leon Schulz genießen durfte, den ich völlig zufällig vor zwei Jahren auf der Boot kennenlernte. Leon schreibt Bücher und Artikel für die Yacht und hat die Hallberg-Rassy 46 Regina Laska, auf der er RYA Ausbildung unter dem Namen Reginasailing betreibt. Die Theoriekurse findet auf Malta statt. Generell geht es bei dem Kurs um weltweite Fahrt, im Wesentlichen aber um die Navigation mit Sonne, Mond, Planeten und Sternen. Hochinteressant! Seefahrerromantik pur, die Position nur mit Sextant, einer sehr genau gehenden Uhr und den Gestirnen zu ermitteln. Das große Geheimnis, wie das genau geht, wurde mir nun verraten.

Es war einer der Hauptgründe, warum früher die Kapitäne auf den alten Windjammern Next to God waren. Mit dieser Wissenschaft waren sie einfach die einzigen, zusammen mit den anderen nautischen Offizieren, die diese Kunst beherrschten und so die ganze Bande auch wieder nach Hause bringen konnten. Daraus ergab sich für die Besatzung eine nicht unbedeutende Abhängigkeit. Meutern konnte nur der, der wenigstens einen der Offiziere in den eigenen Reihen wusste. Alles andere wäre fast sicherer kollektiver Selbstmord, zumindest auf hoher See.

Ich habe mir noch vor Ort einen gebrauchten und günstigen Sextanten gekauft, der bereits an Bord eingetroffen ist, auch wenn ich mich tatsächlich keinen Illusionen hingebe, das meine Reputation an Bord dadurch in ähnlicher Weise zunimmt. Leider ist bei der ersten Kalibrierung des hochpräzisen Winkelmessgerätes eine kleine Schraube abgebrochen. Es stellt sich aber glücklicherweise heraus, dass ich den daraus resultieren Messfehler rechnerisch beseitigen kann, bis ich beim Hersteller in Deutschland irgendwann eine Reparatur bekomme. Wenn grobe Kräfte an sensiblen Geräten…. Na ja…

Nach zwei Tagen in Albufeira segelte ich in einem herrlich sonnigen Törn zunächst Einhand Richtung Lagos, wo noch zwei Restarbeiten in der dortigen Weft zu machen waren.

Alte Sünden beim Einparken sollten aus dem GelCode herausgearbeitet werden und ein Rückschlagventil der Toilette war zu tauschen. Ich fuhr aber nicht direkt nach Lagos, sondern machte einen kleinen Abstecher nach Alvor und legte mich wieder in der Lagune vor Anker, es ist einfach zu schön dort. Hier konnte ich auch trocken fallen und mein Unterwasserschiff und insbesondere die Opferanoden nach der langen Hafenliegezeit überprüfen.

Die Opferanoden sahen noch gut aus, auch wenn der Bewuchs an der Schraube unübersehbar ist und mich beginnt zu stören, ohne dass diese Emotion direkt an Ort und Stelle zu einer Aktion führte.

Was mich viel mehr umtrieb, war, dass mich der Wind während der letzten Flut in der Nacht zuvor doch sehr weit auf diese Sandbank gedrückt hatte.

Das mit dem Trockenfallen ist ja eine tolle Sache, aber ich kann mir kaum etwas Peinlicheres vorstellen, als da erst so rumzustehen und dann nicht mehr wegzukommen. Die nächste Flut am Nachmittag wird 10 cm geringer ausfallen. Erst in der folgenden Nacht wird sie noch mal zur selben Höhe auflaufen, wie zu dem Zeitpunkt war, als mich das Wasser und der Wind dort absetzten, wo ich jetzt stand. Ich habe aber gar keine Lust, hier mitten in der Nacht irgendwelche Manöver zu fahren, auch wenn ein Scheitern derselben im Schutze der Dunkelheit erfolgen würde. Es sollte möglichst auch ohne diese Reserve am Tage gehen, dann finde ich auch besser ein neues Plätzchen zwischen den anderen Ankerliegern.

Ich versetzte den Anker dazu, indem ich ihn aufnahm, wo er sich eingegraben hatte, und mit dem Dinghy etwas weiter weg vom Boot in tieferes Wasser versenkte, wo ich später hin wollte. Dort wollte ich mich mit der leistungsstarken Winde hinziehen, sollte es denn notwendig werden. Dann wartete ich auf das Hochwasser, erlebte, wie es das Boot langsam aus der Schräglage anhob und aufrichtete, jedes Grad der Veränderung gespannt beobachtend. Wird es reichen? Ich zog die Ankerkette straff, startete die Maschine und gab langsam immer mehr Schub nach voraus, leichte Ruderlage nach Backbord. Das Boot vibrierte durch die Kräfte, die an ihn zerrten, kam aber so nicht frei. Ich zog über die kräftige Ankerwinsch weiter nach Backbord voraus. Uff, ich war ursprünglich recht zuversichtlich, aber das war nun doch deutlich knapper als ich dachte. Kleine Bewegungen gaben mir immerhin Hoffnung. Zur Not hatte ich ja noch die Nacht mit 10 cm mehr Wasser, die hier einen deutlichen Unterschied machten.

Nach vielen langen Minuten mit aller Kraft, die ich an Bord habe, gab es die erste eindeutige Bewegung in die richtige Richtung. So zog ich mich langsam doch von der Bank runter. Sofort nahm ich die Maschine zurück, um nicht entfesselt quer über das Fahrwasser in einen Nachbar zu schießen. Erleichterung! Ich suchte mir eine freie Stelle im tieferen Wasser und brachte den Anker erneut aus.

Ich kam später immer wieder mit dem Dinghy an der Stelle vorbei, an der ich gestanden haben müsste. Dort ist nun ein großes Loch in der Sandbank, dass ich vermutlich durch meinen großzügigen Maschineneinsatz frei gespült hatte.

Zur Feier der Befreiung mache ich mich daran, mein erstes Kimchi vorzubereiten. Das ist fermentierter Chinakohl und unglaublich lecker und gesund. Nun meine neue Leidenschaft.

Das ganze steht zunächst zwei Tage pupsend und blubbernd bei Zimmertemperatur rum, während die Milchsäurebakterien ihre Arbeit machen. Danach geht es in den Kühlschrank.

Am frühen Abend schrieb ich mit Filip. Der war noch länger als geplant bei Markus und Diana von der Segelyacht Mrs Sophie in Heidelberg zu Besuch und kam gerade bei einem Freund in Zürich an, den er noch besuchen wollte, bevor er sich mit dem Zug schließlich wieder auf den Weg an die Algarve macht.

Er redete mir gut zu, nicht den ganzen Tag auf dem Boot zu verbringen und auch mal an Land zu gehen. Im Grunde hatte er recht und ich machte das Dinghy klar, um noch einen kleinen Spaziergang, ein abendliches Bier und ggf. eine Kleinigkeit zu Essen zu bekommen. Ich kam am Steg an, machte das Dinghy mit reichlich Leine fest, dass es später nicht wieder in der Luft hängen musste, und orientiere mich in Richtung Innenstadt.

Hinter einem Baum kommt in dem Moment eine Gestalt hervor, die hier eigentlich noch überhaupt nicht hingehört. Filip grinst mich breit an! Die Überraschung war so perfekt, dass mir die Situation völlig surreal erschien. Der hatte mir, wie sich nun herausstellte, die letzten Tagen also einen vom Pferd erzählt, was er so tut und wo er angeblich ist, obwohl er bereits auf dem Weg hierher war. Hat der ein Glück, dass ich mich so bereitwillig zu einem Abendspaziergang überreden ließ. Wir gehen zurück an Bord und feiern Wiedersehen.

Wir blieben bis Sonntag noch in Alvor und fuhren dann nach Lagos rüber. Dabei hatte es uns auf dem kurzen Stück so mächtig durchgeschüttelt, dass ich bereits überlegte, ob wir überhaupt in die Einfahrt hereinkommen oder die Wellen dafür zu hoch sind. Es war dann auch haarsträubend und hat uns in der Einfahrt so hin und her geworfen, dass das ganze Boot durch die vielen Dinge nur so schepperte, die laut protestierend an den Orten hin und her flogen, wo sie eigentlich gut verstaut waren.

Am Ende kamen wir doch gut hinein, ohne dass es internen oder externen Bruch gab. Es war das 4. Mal, dass wir nach Lagos kamen. Wir waren jetzt so lange und auch oft hier, dass wir hier schon fast unseren Heimathafen haben, zumindest fühlt es sich mittlerweile ein wenig so an. Wir bleiben etwas, erledigen die Werftarbeiten und verlassen die Stadt schließlich am Abend des 27. Januars Richtung Osten. In der Flussmündung von Portimao legten wir einen Zwischenstopp zum Schlafen ein, bevor wir am Morgen dann zu dem üblen Törn aufbrachen, den wir besser unterlassen hätten.

In Albufeira bleiben wir also nun einen Tag länger. Es wird am Montag, dem 31.1. keinen nennenswerten Seegang geben, das Wetter hat sich beruhigt und wir erwarten und bekommen einen sehr leichten raumen Wind, der leider nach 4 Stunden so schwach wird, dass wir erneut mit Maschine fahren. Endlich sind wir auf den Weg in die Lagune von Faro und Culatra, dort wo Gott im Sommer Urlaub macht. Es wird die längste Liegezeit vor Anker werden, die wir bisher hatten. Allein dadurch ergeben sich neue Erfahrungen und ein neues Gefühl des Daseins auf dem Boot, wenn die Verbindung zum Land nur über das Dinghy möglich ist.

2 Gedanke zu “Zurück an der Algarve – Auf dem Weg nach Faro”
  1. hi,
    wir haben uns auch mühsam nach Osten vorkämpfen müssen. Sind jetzt nach einem Besuch in Sevilla in der Bucht von Cardiz in Rota. Hier warten wir nun auf ein Wetterfenster für Gibralta und das Mittelmeer.
    Fair winds,
    Stefan

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