06.06.2025 – 18.06.2025
Da sind wir also nun wieder. Der Motor des Clippers ist repariert, aber das Wetter ist zu ruhig zum Weitersegeln. So beginnen wir, auf unser Wetterfenster zu den Azoren zu warten, das uns für ungefähr 5 Tage auf See brauchbaren Wind bringen müsste. Wie bereits beschrieben, werden wir das Segeln müssen und können mit unseren wenigen 140 Litern Diesel keine relevante Teilstrecke unter Motor hinter uns bringen. Ich hatte überlegt, ob wir uns auch diese riesigen gelben Dieselkanister auf das Deck stellen, wie es viele Blauwasserboote auf ihrer Langfahrt tun. Die meisten haben im Gegensatz zum Clipper ohnehin riesige Tankvolumen und nehmen dennoch zusätzlich noch mal vielmehr Diesel mit, um wahlweise größere Flauten oder gleich den halben Atlantik unter Motor durchfahren zu können. Nicht unsere Philosophie.
Schnell entscheide ich mich daher aus gleich einer Reihe von Gründen dagegen. Wir müssen nichts erzwingen, können auf Wind warten, und ich möchte auch nicht einen zweiten Dieseltank in Form dieser Kanister auf Oberdeck im Weg herumstehen haben, die nicht nur die Laufwege blockieren, sondern sich auch negativ auf die Stabilität des Clippers auswirken und spätestens auf dem Kontinent dann wieder überflüssig sind. Die Dinger sind furchtbar!
Riss am Hauptsegel
Beim Seeklar zurück fällt Filip dann leider noch ein weiteres Problemchen auf: Das Hauptsegel hat einen Riss an der Stelle, wo bei Vorwindkurs die Naht auf der Saling scheuert. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieser Riss nicht bereits im Winter beim Segelmacher im Ansatz erkennbar war, wo das Segel ja erstmals zur Wartung und Kontrolle gebracht wurde. Schade eigentlich! Der offenbar einzige Segelmacher Madeiras befindet sich derzeit nicht auf der Insel. Somit reparieren wir den Riss provisorisch mit Segeltuch-Tape, das ich zu diesem Zweck habe. Das sollte bis zum nächsten Winter halten.


Feierlichkeiten zur Ankunft
Bis es mit dem Wind und Wetter also so weit ist, vertreiben wir uns die Zeit, was uns auf Madeira gut gelingt. Wir fangen direkt am Abend mit einem Gang durch die Gemeinde an und stehen an dessen Ende vor einem kolossalen Hotelbunker, der aber auf dem Dach eine Terrasse zu haben scheint. Wir entschließen uns, einfach mal hineinzulaufen. In der Lobby bewegen sich gerade zwei Hotelgäste in den mit Zugangskarte gesicherten Aufzug, wo wir uns kurzerhand dazugsellen und selbstbewusst das oberste Stockwerk drücken. Dort entlässt uns der überlistete Fahrstuhl und es erschließt sich uns eine Oase von 5-Sterne-Luxus-Hotel. Nach der längeren Zeit auf See und ausreichend Schlaf am Nachmittag ist das jetzt genau das, wo ich ein zweites Einlaufbier nehmen möchte. Stilecht am Infinitypool! Wir erkundigen uns, ob wir hier auch Geld lassen dürfen, wenn wir keine Hotelinsassen sind, was der Fall ist. Somit kommt es dann zum Äußersten!

Nach dem Dinner und Sonnenuntergang wird das Ganze atmosphärisch noch mal besser….

… und wir verlegen an die Bar mit ihrer Livemusik. Ich bin längst in Ekstase, fühle mich sauwohl und unterstütze das mit einigen gehaltvollen Cocktails und schöner Unterhaltung mit Filip.

Hart am Wind segelnd und mit etwas Schlagseite laufe ich dann einige Stunden später in der Marina und auf dem Clipper ein, um den nötig gewordenen Regenerierungsprozess zu beginnen, der noch weit in den kommenden Tag andauern wird.
Madeira
Im Rahmen der Rekonvaleszenz besuchen wir am kommenden Nachmittag das Museum der feinen Künste, direkt neben der Marina oben am Berg, das mich hauptsächlich durch seine atemberaubende Aussicht und Architektur in seinen Bann zieht. Viel passiert ansonsten nicht.



In Funchal leihen wir uns dann später ein Auto, um ähnliche Dinge zu tun wie das letzte Mal auf Madeira, aber auch Neues zu entdecken. In die Dtadt geht es mit dem Bus, der laut Fahrplan um 8 Uhr abfahren soll. Wir müssen zeitig aufstehen und sind etwas spät, aber es sind immer noch 5 Minuten bis zur Abfahrtszeit, als ich auf dem Weg zur Haltestelle einen Bus sehe, der gerade die Straße heraufgefahren kommt. Etwas überpünktlich stehen wir dann an der Straße, aber ein weiterer Bus kommt nicht mehr. Merke: Die Abfahrtszeiten sind ungefähre Richtwerte und nicht wie gewohnt exakte Angaben. Da der nächste Bus erst nachmittags fährt, nehmen wir uns ein Uber und kommen so auch in die Stadt, in der wir erst einmal frühstücken, ich zum Friseur gehe, wonach wir dann unsere Besichtigung der Stadt beginnen.
Wir streifen durch Funchal und bekommen am Nachmittag das reservierte Auto, womit wir die kommenden Tage die Insel erneut für uns nutzbar machen.
Mein Highlight des letzten Besuchs begutachten wir erneut, den Nebelwald:
Als Kontrastprogramm mach wir zum vielen Herumsitzen auf dem Clipper in See eine schöne Wanderung, die uns durch die Wälder und meistens entlang von gurgelnden Wasserläufen führt, für die auch schon mal ein Tunnel gebaut wurde.

Zum Abschluss geht es noch mal in das Esskastanien-Dorf, wo es vom Bier bis zur Suppe alles aus Maronen gibt.

Einen weiteren Ausflug nutzen wir, um einfach mal der Nase entlangzufahren, ohne Plan und Ziel. Dabei interessieren wir uns für Villen und andere Herbergen, die wir mit gebührendem Abstand auch aus der Luft erkunden.


Am Sonntag ist Pfingsten und der Pfarrer der örtlichen Kirche kommt zu Besuch in den Hafen. Bevor es in einer Prozession mit dem Boot raus aufs Meer und in eine benachbarte Bucht geht, wird noch jedes Boot in Reichweite geweiht, inklusive der Boote in der Marina und inklusive des Clippers, der auf diese Weise für die Weiterfahrt gut gerüstet sein sollte. Leider verstehe ich den Vorgang etwas zu spät und erwische die im Akkord Boote segnende Abordnung nur noch im Abgang.

Schließlich kündigt sich der Wind an, auf den wir warten, und damit unser Abschied am kommenden Tag.
Abschied
Die ganze Woche schon hatten wir eine große Bühne in der Marina, auf der wechselnde Darbietungen im Ramen eines Festivals stattfanden. Jetzt, an unserem letzten Abend, kommt es aber zum Höhepunkt: Ein großes Orchester mit Chor gibt Variationen von Queen-Songs.

Das Tolle daran ist, dass das meiste nicht professionelle Musiker, sondern offenbar viele Laien wie Schüler sind, die hier Musik auf höchstem Niveau auf so einer kleinen Atlantikinsel bieten. Ich bin schwer beeindruckt, während wir dem Spektakel auf dem Rasen an einem Hang sitzend lauschen.
Wir genießen unser Abschiedskonzert und gehen anschließend ins Bett, um ein letztes Mal richtig auszuschlafen.
Dann geht es nach fast 2 Wochen auf Madeira am 14.6. entspannt gegen Mittag zur Tankstelle, wo die 140 Liter nun auch vollgemacht werden. Der Wassertank und die Vorräte sind auch gut gefüllt und es kann zur zweiten Etappe unserer Reise auf die Azoren weitergehen.
Abfahrt und ein weiterer Schaden
1,5 Stunden müssen wir den Clipper noch im Windschatten der Insel mit dem Motor schieben, bis wir die Segel setzen können. Zunächst haben wir schöne 13–15 Knoten von der Seite und machen tolle 7 Knoten. Ich nehme zeitweise sogar die kleine Arbeitsfock und muss dabei den nächsten Schaden feststellen.
Die manuelle Furling ist ein System, mit dem man das kleine Vorsegel aus dem achterlichen Cockpit heraus einholen kann, indem man an einem Seil zieht, das sich beim Ausrollen des Segels um eine Trommel wickelte. Dieses Seil wickelt sich aber nicht mehr um die Trommel, sondern um das Segel selbst. Erst glaube ich noch, es liegt an mir, und bringe das Segel zweimal von Hand wieder rein und wickele das Zugseil manuell um die Trommel. Doch der Fehler bleibt und bei genauerer Inspektion stellt sich heraus, dass die Führung des Seils an der Trommel gebrochen ist. Ich repariere das Ganze notdürftig, indem ich die Trommel mit einem kleinen Halteseil fixiere. Der nächste Punkt für den kommenden Winter auf der Liste.

An das Wetterfenster hatten wir den Anspruch, dass auf keinen Fall übermäßiger Starkwind oder gar gefährlicher Sturm herrschen darf, von dem auch weit und breit nichts zu sehen ist. Weiterhin sollte der Wind aus der richtigen Richtung kommen, also nicht von vorn oder achtern, sondern gerne irgendwo von querab, was ebenfalls realisiert ist. Dann soll der Wind natürlich auch nicht zu schwach sein, sondern gerne mit so ungefähr 12 bis sagen wir mal 18 Knoten wehen. Hier haben wir jetzt allerdings ein Thema. Die Wettervorhersage sagte den Wind stärker voraus, als er jetzt tatsächlich kommt, und sprach in Bezug auf die Windgeschwindigkeit ohnehin nicht von besonders großen Zahlen.
Somit wird dieser Törn zu einem Kampf um jeden halben Knoten Wind. Oft kann die schwache Luftbewegung von um die 7 Knoten den Clipper nicht auf angemessene Geschwindigkeit bringen. Wir luven dann etwas an, gehen also etwas mehr in den Wind, um mit der daraus resultierenden Summe von wahrem Wind und Fahrtwind etwas mehr von beidem zu bekommen, mit dem sich primär das Leichtwindsegel füllen muss, um uns voranzutreiben. Das Code 0 bleibt die ganze Reise über gesetzt. So können wir zwar nicht immer den direkten Weg zu unserem Ziel finden, aber kommen dennoch einigermaßen voran.
Der Drohnenflug
Ich möchte am dritten Tag die beschauliche Situation nutzen, um mit der neuen Drohne den zweiten Versuch zu wagen, Bilder und Videos vom Clipper aus der Luft anzufertigen. Der erste Versuch führte dazu, dass die Drohne beim missglückten Rückkehrversuch in der Ria Formosa vor Faro unterging. Unterirdisch wird auch Filips Laune, als er von meinem Vorhaben Wind bekommt. Er verweigert jegliche Zusammenarbeit, bei diesem Himmelfahrtskommando zu helfen, nachdem er sich mit einem Flugverbot bei mir nicht durchsetzen kann. Ich schätze die Situation anders ein und schreite alleine zur Tat.
Den Baum des Hauptsegels nehme ich so weit nach wie möglich Backbord und schaffe mir somit meinen Startplatz auf dem Deckshaus. Die Herausforderung bei Start und Landung ist, dass die Drohne darauf ausgelegt ist, in der Luft stehend zu landen. Da sich der Clipper aber bewegt, muss ich dies mit der Steuerung ausgleichen und der Drohne mit der Fernsteuerung genau den Kurs und die Fahrt verschaffen, die der Clipper auch gerade macht. Das ist anspruchsvoll und ich überkompensiere beim Start die Geschwindigkeiten. Sofort bekommt das teure Teil Kontakt mit einem seiner Rotoren zu einer Want. Sie taumelt über die Reling, Richtung Wasser, fängt sich aber glücklicherweise unbeschädigt, und ich kann sie mit deutlich erhöhtem Puls und leicht zittrigen Fingern vom Boot wegsteuern. Neben mir steht Filip und betrachtet den Start, um dann im Clipper zu verschwinden, während er den Betriebszustand eines Dampfkochtopfs annimmt.
Ich habe nun etwa 30 Minuten Zeit für herrliche Foto- und Videoaufnahmen. Daraus wird ein Instagram-Post und unter anderem folgende Aufnahmen:




Nach 20 Minuten lasse ich die Drohne zurückkommen, um noch reichlich Zeit für die Landung zu haben, die ich auch wegen des Zeitdrucks vor Faro ins Wasser gesetzt hatte. Dieses Mal will ich das mit mehr Ruhe versuchen. Obwohl Filip nach wie vor heftig Opposition gegen das Gesamtprojekt macht, sieht er sich dennoch jetzt genötigt, beim Landen zu helfen. Ich versuche, die Drohne nahe an seine in die Luft gehaltene, zum Fangen geöffnete Hand zu bekommen. Leider haben wir das nie vorher geübt, sodass er zu viel Respekt vor den schnell drehenden Rotoren hat und zurückzieht. Wie ich danach lese, wird bei dreierlei Operationen zu Handschuhen geraten. Die zweite Schwierigkeit ist, dass seine Hand von der Drohne als Hindernis erkannt wird. Die Drohne steigt dann, um demselben auszuweichen, statt zur Landung zu sinken, wie ich das über die Steuerung befehle, ohne dass es die Drohne interessiert. In voller Fahrt befindlich, möchte die Drohne ohnehin alles, nur nicht landen. Nach einigen, für alle Beteiligten sehr nervenaufreibenden Versuchen stoppen wir das Boot und schließlich gelingt es. Filip hat die Drohne in der endlich Hand, die nun automatisch mit aller Kraft wieder steigen möchte, während Filip sie versucht festzuhalten, ohne sich an den schnell laufenden Rotoren zu verletzen. Ich sage ihm, er soll sie auf den Kopf drehen, damit sie dadurch eine Notabschaltung durchführt, was wir genau jetzt herbeiführen wollen. Das tut er aber ungeübt so zaghaft, dass es eine gefühlte Ewigkeit dauert, bis das Ding endlich Ruhe gibt. Das hätten wir wirklich mal vor dem Ernstfall üben müssen.
Ich benötige die folgenden zwei Stunden, um die Stimmung an Bord wieder in die Nähe des Ausgangspunktes zu bringen, der vor der Drohnenoperation herrschte. Die Bilder aber finde ich richtig gut, auch wenn ich diese Operation so nicht mehr durchführen werde.
Treibstoffkalkulationen
Am 17. Juni, am vorletzten Tag, fahren wir endgültig in die Schwachwindzone des Azorenhoch ein. Wir passieren größere Wolkenformationen, die abregnen, und dabei ihr eigenes Mikrowetter um sich herum schaffen. Sie saugen uns den wenigen Wind ab, der noch da ist. In der Folge müssen wir mit der Maschine weiterfahren. Ich versuche mal wieder zu errechnen und empirisch zu beweisen, wie der Treibstoffverbrauch der Volvo Penta D2-55 ist und was die beste Marschgeschwindigkeit ist.
Vom Hersteller gibt es die folgende Grafik, die den Treibstoffverbrauch je Stunde bei unterschiedlichen Drehzahlen angibt.

Die Frage ist nun aber, wie viele Seemeilen dabei herauskommen und wie viele Liter je Stunde wie viele Seemeilen machen. Das wiederum hängt mit dem Propeller zusammen, der in meinem Fall der dreiflüglige Faltpropeller an einem Saildrive ist, von dem ich hoffe, dass er hier in dem Bild gemeint ist. Das kommt jedenfalls überschlägig hin, da ich seither mit einem Verbrauch von 3 l/h bei etwa 1.600 bis 1.800 U/min gerechnet hatte.
Die Frage ist aber jetzt, wie weit ich damit komme, falls ich mal in eine beständige Flaute kommen sollte, aus der ich entkommen möchte. Dazu frage ich die KI nach Lösungen, welche diese Tabelle im Netz findet:

Ich versuche, die Geschwindigkeiten zu überprüfen, da ich ja ohnehin gerade unter Maschine unterwegs bin, und komme auf andere Werte, was die Tabelle nicht zwingend falsch macht, da sie von glatter See ausgeht, während ich hier aber Energie verliere, indem ich in die ein oder andere Welle stampfe.

Falls das alles so stimmt, wäre die überraschende Erkenntnis, dass nicht die Formel gilt: Je langsamer, desto sparsamer, desto weiter. Vielmehr kommt im Drehzahlbereich von 1.200 bis 1.600 U/min immer der gleiche Wert für Seemeilen/Liter heraus. Das wiederum bedeutet, dass, wenn ich mit 1.600 U/min fahre und damit 4,8 Knoten Fahrt produzieren kann, dass das meine ideale Drehzahl wäre, mit der ich am meisten Strecke aus dem Liter herausholen würde. Ich nehme das mal an und fahre nun mit 1.600 U/min, sobald ich die Maschine die kommenden Stunden verwende.
Spoiler: Nach Ankunft tanke ich erneut und kenne damit den genauen Verbrauch von 57,8 l auf der Reise. Die Maschine lief 27,76 h bei weitestgehend diesen 1.600 U/min. Das macht 2 l/h und nicht die 1,8 l/h, die die Tabelle angibt, was vielleicht auf den Seegang, Wind und dreierlei Einflüsse zurückzuführen ist. Unter Maschine wurden 131,68 Seemeilen zurückgelegt, was einer Geschwindigkeit von 4,74 Kts entspricht. Daraus resultiert 2,27 Seemeilen/Liter. Die tatsächlichen Werte haben in der Tabelle Kästchen bekommen.
Was bedeutet das indessen für den Clipper? Es sagt aus, dass wir bei ähnlichen Verhältnissen knapp 3 Tage unter Motor fahren könnten und dabei im besten Fall etwa 300 Seemeilen weit kämen. Allerdings ist fraglich, ob der Motor an die vollen 140 Liter im Tank herankommt. Bei Seegang oder Lage ist das eher nicht der Fall. Sollte Wind oder Welle ungünstiger als im Test ausfallen, muss man auch Abschläge rechnen. Ich merke mir also etwa 2- 2,5 Tage mit etwa 200 – 250 Seemeilen und schließe das Kapitel erst mal ab, in der Hoffnung, das nie ausprobieren zu müssen. Die Tankanzeige ist nämlich lange bei 0 %, bevor auch der Tank wirklich leer ist. Man kann sich sicherlich vorstellen, wie unangenehm es ist bei 0 % länger mit der Maschine durch die Gegend zu fahren, in der Hoffnung, dass man sich nicht verrechnet hat.
Monster im Meer
Währenddessen versucht Filip herauszufinden, wie die Wassertemperatur ist. Schwimmen will keiner von uns auf hoher See. Das liegt zum einen daran, dass die Verhältnisse nicht so ruhig sind, dass wir ein Mann über Bord bewusst herbeiführen wollen. Zum anderen hatte ich ja bereits auf unserem Weg von Sardinien nach Sizilien von den riesigen Kreaturen berichtet, die unter Wasser an der Stelle warten, an der sich das Licht in der Dunkelheit der Tiefe des Ozeans verliert, um einem in den großen Zeh zu beißen, sobald man den Fuß unvorsichtigerweise auf hoher See in das Medium der Kreatur hält.

Filip versucht es dennoch, in Fahrt und gut angeleint wenigstens mal den Fuß soweit hinein zu halten, dass er ihn schnell wieder zurückziehen kann, wenn es notwendig sein sollte. Er berichtet von angenehmer Frische. Das muss reichen.
Das Geisterschiff
In der letzten Nacht übernehme ich die Nachtwache, mache meinen normalen Rundblick und bekomme einen Schreck. Da ist ein weißes Licht relativ weit oben, wie es von der Laterne im Masttop einer anderen Yacht erzeugt wird. Die Höhe lässt darauf schließen, dass der Kamerad sehr nahe an uns dran ist, ohne dass Radar, AIS oder wir es bemerkt hätten. Nicht gut, auch wenn „weiß“ bedeutet, dass die andere Yacht uns bereits im achterlichen Sektor hat und am Ablaufen ist.

Es dauert einige Zeit, bis mir klar wird, dass ich dieses Problem bereits schon einmal hatte. Auf dem Bild sieht man, dass unter dem angeblichen Toplicht nichts ist, was mit bloßem Auge in der Nacht so weder von mir noch Filip zu erkennen ist. Es stellte sich nämlich heraus, dass dort wirklich nur die See ist und das Objekt nahezu stationär da bleibt, wo ich es zuerst entdeckt hatte. Mithilfe der App Planetarium löst sich dann das Rätsel: Es handelt sich um die Venus!
Ich schreibe mit Leon, der gerade in der selben Nacht von Lissabon nach Madeira unterwegs ist. Er berichtet mir, dass ihm das auf dem Atlantik auch schon mal so ging. Bei ihm kam das Toplicht, das auch ein fälschlicherweise eingeschaltetes Ankerlicht hätte sein können, optisch sogar näher. Er anfing daraufhin an, die Venus anzufunken und nach ihren Absichten zu fragen. Es wird berichtet, dass diese einsamen Rufe in der Nacht ohne Antwort blieben.
Ankunft
Starlink stellte seine Qualitäten als Gamechanger immer wieder unter Beweis. So war seit vielen Wochen eine wichtige Telefonkonferenz geplant, an der ich unbedingt teilnehmen sollte und wollte. Während der Terminfindung hatte ich noch keine Ahnung, wo ich sein würde, und wähnte mich zu dem Zeitpunkt bereits auf den Azoren. Nun hatte ich das ja offensichtlich nicht geschafft und befinde mich darüber hinaus noch auf See, weit entfernt jedweden Mobilfunkempfangs. Mit der Satellitenschüssel ist es indessen nun ein Leichtes, die drei Stunden online teilzunehmen, auch wenn mir die Schaukelei vorn im Boot mit der Zeit doch einiges abverlangte. Ich bin immer noch dabei, mich daran zu gewöhnen hervorragendes Internet zu haben, wo bis vor ein paar Monaten kaum mehr als Notfallkommunikation zu horrenden Preisen möglich war.
Schließlich heißt es Land in Sicht und die erste der neun Azoreninseln, die es bald zu erforschen gilt, liegt vor uns: Santa Maria! Sie lieh Roland Kaiser ihren Namen, als er einen exotischen Sehnsuchtsort kitschig besang, ohne dass er genau diese Azoreninsel damit meinte. Besonders exotisch war sie in ihrer Bedeutung allerdings bis Ende der 60er Jahre schon, als sie noch als Tankstopp von Transatlantikflügen genutzt wurde.

Ein Orkan hatte im letzten Winter die Hälfte der Marina hier zerstört und ich hoffe sehr, dass wir einen Platz bekommen. Reservieren kann man jedenfalls nicht. So laufen wir um die Mittagszeit im industriellen Vorhafen der Insel ein, bergen die Segel, bringen Fender an der Reling an und bereiten uns auf das Docking vor. Über UKW antwortet niemand, so fahre ich durch den kleinen Zugang in die Marina ein und schaue mal, wo wir unterkommen können. Das ganze beschäftigt mich schon eine Weile und ich muss aufpassen, mich nicht zu sehr der Vorstellung hinzugeben, welche Konsequenzen es hätte, wenn hier kein Platz für uns wäre. Für die Ankerplätze ist der Schwell zu groß. Wir müssten vermutlich zur nächsten Insel, nach Sao Miguel weiter fahren. Vor unserer Ankunft hatten wir über AIS allerdings drei Yachten den Hafen verlassen sehen. Ein gutes Zeichen?
Auf dem Steg steht der aber dann Marinero und winkt uns völlig unspektakulär in eine freie Box, in der wir einparken und festmachen. Nach fast 100 Stunden und knapp 480 Seemeilen sind wir von Madeira kommend auf den Azoren angekommen und die geschützte Ruhe dieser Marina beginnt sich wohlig um uns zu legen, während wir mit einem sehr deutschen:
Hallo, wie geht es? Check In bitte in dem Gebäude da drüben mit den üblichen Papieren und den Personalausweisen oder Reisepässen
von dem Portugiesen begrüßt werden.


Hallo Matthias,
wieder ein toller Bericht, der mich oft zum schmunzeln gebracht hat. Wir waren im Juni auch mit einer Sirius auf der Ostsee 3 Wochen in Dänemark unterwegs. Ein tolles Schiff. Jetzt fällt es mir auch leichter viele deiner technischen Details besser nachzuempfinden. Auf unseren Chartertörns berechne ich auch immer den Dieselverbrauch. Interessante Details in deinem Bericht, welche ich aber gut nachvollziehen kann. Deine Zeilen zum Drohnenflug war echt witzig. Aber nur solange witzig, wie eine Drohne nicht „baden“ geht. Geile Bilder versus der Absturzgefahr lassen mich auch immer wieder nachdenklich werden. Aber in eurem Fall Klasse gemacht!!!
Viele liebe Grüße an euch Beide aus Mainz
Daniel