Sonntag, 01.06. bis Donnerstag, 05.06.2025
Die aktuelle Wettervorhersage für den direkten Weg nach Westen und zu den Azoren sagt nun leider, dass wir 7 Tage benötigen werden, wobei an den letzten beiden kein Wind zum Segeln mehr da sein wird. Nichts mehr mit 7 Tagen Rauschefahrt, schade! Zwei Tage am Stück unter Motor fahren ist etwas, das wir vielleicht mit dem Treibstoff im Tank gerade noch so könnten, aber ganz sicher nicht wollen.
Länger warten will aber auch keiner. Wir sind tatendurstig, vor allem weil die Saison dieses Mal nicht beliebig lange ist. Anfang September will ich wieder am Festland sein, um den dann bald wieder südlicher kommenden Tiefdrucksystemen aus dem Weg zu gehen. Überdies hat Filip Mitte September seine nächste Vorsorgeuntersuchung und muss nach Bratislava. Der Wind für den Weg nach Madeira sieht gut aus. Von dort sollte die Wahrscheinlichkeit höher sein, dass wir etwas Passendes für die Weiterreise finden. Viele nehmen diesen Umweg aus diesem Grund. Auf Madeira in der Marina Calheta gibt es außerdem diesen Inder mit seinem tollen Salatdressing, den wir unbedingt fragen müssen, wie er das macht! Also zwei gute Gründe für den Umweg.
Der überhastete Aufbruch
Wir treffen morgens die eigentlich schon fest stehende finale Entscheidung und dann geht alles schneller, als gut ist. Die Fußgängerbrücke in Lagos, die für die Segelyachten aufgeklappt werden muss, ist gerade geöffnet, als wir die Leinen los werfen wollen. Erst zögere ich noch, da wir so schnell nicht an der Brücke sein werden und daher besser mit dem Loswerfen noch warten sollten. Die Durchfahrt fordern wir dann für uns selbst über Funk einfach noch einmal an. Ich sehe aber noch zwei weitere Yachten auf dem Weg zur Brücke. Filip ruft dazu von vorn, er hätte es gerne etwas Sportlicher, und ich entscheide, dass wir das schaffen können. Wir schmeißen alles los und zackig fahre ich rückwärts aus der Box und mit anschließend kräftigem Schub in Richtung Brücke, die wir damit noch im ausfahrenden Pulk schaffen. Jetzt sind wir im Kanal, bei dem bereits so manche große Reise losging und Vorfreude und Wehmut mischen sich. Lagos ist für uns ein besonderer Ort, nirgendwo waren wir so lange und so oft.

Wir sind schon aus dem Kanal raus, da stellt sich beim Einsammeln der Fender heraus, dass einer fehlt. Das gute Stück muss sich bei meinem Manöver gelöst haben und treibt jetzt irgendwo im Hafenbecken. Wir überlegen kurz, ob wir zurückfahren und uns auf die Suche machen sollen, entscheiden aber dagegen. Das würde unter Umständen 2–3 Stunden dauern, unser Wetterrouting ungünstig verändern und es ist auch nicht sicher, ob wir überhaupt fündig werden. Also fahren wir schweren Herzens weiter.

Ein letztes Mal schauen wir auf den Leuchtturm an der Ecke vor Lagos und segeln bei leichtem Wind in Richtung Kap Sao Vicente. Hinter der Ecke und weiter draußen auf dem Atlantik soll es ganz beachtlich pusten. Windstärke 6 und Böen 7 sind in der Nacht zu erwarten, aber noch ist es bei Weitem nicht so weit. Der Wind schläft sogar erst mal so weit ein, sodass der Motor helfen muss. Ich fühle mich gut, der Clipper sollte mit der ganzen Arbeit die letzten Wochen gut aus seiner Winterpause heraus und auf diese Atlantiküberfahren gerüstet sein.
Der Besuch
Im Cockpit am Ruder stehend und in meinen Gedanken fahre ich plötzlich fürchterlich zusammen und stoße einen ziemlich peinlichen Überschaschungs- Huch aus, den zum Glück nur Filip mitbekommt, der sofort neben mir steht. Der Grund des Schrecks ist ein lautes, pustendes Schnaufen nur einen halben Meter neben dem Cockpit. Ein etwas von Meereslebewesen, größer als ein Delfin, hat hier eben mal sehr laut schnaufend ausgeatmet.
Erst bekommen wir beide Sorge, dass die Orcas sich jetzt vielleicht über uns hermachen. Die sollten, das hatte ich vor Abfahrt auf orcas.pt geprüft, allerdings noch bei Barbate sein, wo die letzten Attacken gemeldet wurden. Es sind bei genauerem Hinsehen dann auch Grindwale. Ich muss Filip davon noch überzeugen, dann sind wir fasziniert. In dieser Ecke wurden aktuell zwar keine Orcaattacken gemeldet, aber Orca-Sichtungen. Ich würde viel darauf wetten, dass hinter den Orca-Sichtungen in Wahrheit diese Grindwale stecken. Leider bekommen wir keine guten Aufnahmen hin und schnell ist die Gruppe auch wieder verschwunden, nicht ohne allerdings ein paar abenteuerliche Sprünge zu unternehmen. Die Gruppe war deutlich verspielter,als ihre müden Kollegen im Süden Teneriffas.
Motorschaden
Kurz darauf meldet sich mal wieder der Wasseralarm im Motorraum. Das nervt mich unbeschreiblich. Ich finde tatsächlich wieder Wasser und denke zunächst daran, dass der Boiler erneut leckt. Noch zögere ich, die Backbord-Backskiste auszuräumen, um hinunterzuklettern und danach zu sehen. Zunächst wird das Wasser mit dem Schwamm über die Werkstatt aufgenommen und ich hoffe, dass das noch Reste waren, die durch die Bewegung des Bootes jetzt erst ihren Weg an die tiefere Stelle zum Wasserwarner gefunden hatten. Das Wasser und der Alarm kommen aber wieder und zeigen mir, dass es ein nachhaltiges Problem gibt, das ich nicht ignorieren kann. Ich mache mich an die Arbeit.
Die Überraschung ist dann, dass zwar der Boiler dicht ist, aber der Motor Wasser verliert! Zunächst ist die aufgenommene Brühe dermaßen gelb, dass ich an den inneren Kühlkreislauf denke. Was wäre absolut fatal und würde eine sofortige Rückkehr bedeuten!

Der Ausgleichsbehälter für das Kühlwasser ist aber dermaßen voll, dass dort sicherlich nichts fehlt. Ich denke sogar schon darüber nach, ob bei zu viel Kühlwasser im inneren Kreis das Zeug vielleicht im Motor austreten würde. Tut es aber nicht. Ich nehme dennoch etwas Wasser raus.
Bei weiterer Inspektion stellt sich heraus, dass es irgendwo hinter dem Wärmetauscher tropft. Ich kann die Stelle nicht lokalisieren. Es ist aber Kühlwasser aus dem äußeren Kühlkreislauf und es kommt auch weiterhin reichlich Seewasser aus dem Auspuff. Der Hitzetod des Motors steht somit nicht bevor. Wir haben eine Undichtigkeit im System, die ich mit einer Handykamerafahrt einfach nicht genauer bestimmen kann.
Die restliche Fahrt unter Motor gehe ich abwechselnd zwischen Backskiste und Werkstatt hin und her und nehme das Wasser aus dem Motorraum, so gut es in den sehr engen Platzverhältnissen geht, auf. Ich sehe keine andere Möglichkeit, auch wenn es mir extrem auf die Nerven geht und anstrengend ist.
Zum Umkehren ist der Schaden aus meiner Sicht nicht groß genug. Wir werden mit großer Sicherheit bis nach Madeira segeln können und den Motor nicht benötigen. Solange wir ihn benötigen, produziert er eben kleinere Mengen an Wasser, die sich einfach nur nicht im Boot verteilen sollen.
Die nächsten Probleme
Endlich kommt wieder leichter Wind und wir können den Motor abstellen. Unter vollen Segeln bei raumen Wind geht es in das riesige Verkehrstrennungsgebiet vor der Südwestspitze Portugals.

Diese große Autobahn habe ich sonst immer umfahren, was dieses Mal aber unverhältnismäßig wäre. Also queren wir im rechten Winkel und stellen sicher, dass wir die freie Durchfahrt der Großschifffahrt nicht behindern, die diesen Verkehrswegen folgen muss. Bei auffrischendem Wind und etwa 5 Knoten, dauert das von etwa 17 Uhr bis 23 Uhr. Viel ist dieses Mal nicht los und das Queren ist nicht kompliziert. Ich stelle aber fest, dass ich die Schiffe viel später als AIS Target auf meinem Plotter angezeigt bekomme, als das normalerweise der Fall ist. Erst bei 4 bis 6 Meilen (ca. 10 km) tauchen die auf. Etwa die Hälfte oder weniger dessen, was wir normalerweise beobachten.

Die nächste Baustelle, also. Das UKW-Radio ist ebenfalls angenehm, aber ungewöhnlich stumm. Beides nutzt dieselbe Antenne. Ich gehe davon aus, dass die Verbindung vom AIS-Splitter zur Antenne hoch oben im Mast gestört ist. Vielleicht Korrosion? Kommt also mit auf die immer länger werdende Liste. ich habe eine Ersatzantenne, die allerdings am Geräteträger sitzt, also vieler Meter tiefer. Ich probiere diese im Vergleich, bekomme aber keine besseren Ergebnisse. Merkwürdig. Ich habe keine gute Vorstellung, wie ich das Problem lokalisieren kann und lasse es erst einmal so, ggf. bis in den Winter.
Dann geht der Wasseralarm wieder los, dieses Mal aus der Mitschiffskabine. Ich schwanke zwischen Fatalismus und Aggression und denke mir: Gib mir halt meine nächsten Aufgaben, ich mache dann schon. Mal sehen, was danach kommt. Also räume ich in der Mittelschiffskabine die Matratzen weg und sehe, wie das Wasser, das bei aufrechter Lage irgendwo unsichtbar unter den Servicebatterien stand, nun an den Rand der Innenbordwand schwappt und sich weiter nach vorn verteilt. Also alles freiräumen und wieder mit Lappen und Eimer in den schwer zugänglichen Stellen Wasser aufnehmen. So schuffte ich im zunehmenden Seegang, bis ich alles habe. Filip kann hier keinesfalls helfen. Er trägt seit dem Abend vor dem Auslaufen ein Scopolamin-Pflaster gegen Seekrankheit und hält sich damit gut. Er hat zwar ein paar Nebenwirkungen, wie trockenen Mund, leichten Schwindel und, im Gegensatz zu den Tabletten, leichte Müdigkeit, aber er wird nicht seekrank. Die Arbeit hier würde das aber auch mit Pflaster mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell ändern. Auch ich bin froh, als ich fertig bin und mich wieder der vernachlässigten Schiffsführung zuwenden kann. Das müsste der Rest des Boilerwassers aus dem Winter gewesen sein. Ist mir schon fast egal.
Nach Wasser kommt Wind
Der Wind frischt immer weiter auf und erreicht dann gegen 2 Uhr morgens 33 Knoten bei 2–3 Metern mittlerer Welle von der Seite. Letzteres behauptet die Wettervorhersage, sehen können wir davon nichts. Wir haben nur noch die kleine Arbeitsfock vorn als Segel. Das Groß habe ich schon länger am Baum fest gebunden. Der Clipper macht jetzt mit dem kleinsten möglichen Segel immer noch gute 6 Knoten in der leider ziemlich konfusen See, die uns immer wieder zur Seite wegdrückt, sodass der Autopilot massiv gegensteuern muss. Mehr Wind und vor allem Schwell muss es jetzt wirklich nicht mehr werden. Mindestens zweimal steigt uns eine kleine Welle ins Cockpit. Einmal spritzt eine durch die geschlossene Dachluke des Eingangs dermaßen nach drinnen, dass das Wasser den Weg bis in die Werkstatt findet. Ach ja, kein Problem. Der Lappen ist ja nicht weit. Dafür bin ich ja da. Viel Schlaf gibt es eh nicht, da kann ich ja auch wischen.
Die Nacht war die dritte und bisher ausgeprägteste Starkwinderfahrung, die wir bis heute gemacht hatten. Ich wusste, was kommen wird, und das kam auch. Bei der Windrichtung war das für uns beherrschbar und auch beeindruckend. Mir macht es sogar ein kleines bisschen Spaß. Es darf eben dabei nichts passieren, dessen bin ich mir mehr als bewusst. Seit dem Winter hat der Clipper ein drittes Reff im Großsegel, das direkt zum Einsatz kommt, nachdem der etwas nachlassende Wind dessen Einsatz wieder erlaubt. Dazu verwende ich den Cunnigham vorn für das Auge des Segels und eine neu eingezogene Reffleine am Ende der dritten Reffreihe als Schothorn. Zum Einziehen des Reffs muss ich zwar nach vorn, das geht aber in Ordnung und der Bedarf am dritten Reff ist ja auch denkbar gering. Ich habe leider kein Foto von dieser Segelkonfiguration gemacht. Meine Motivation, auch noch Bilder zu machen, war bei nahe 0, zumal man auf Fotos oder Videos ohnehin nichts richtig einfangen kann, was dem Ausdruck verleihen könnte, das man erlebt, wenn man dabei ist. Also lasse ich es und bedauere es später.
Segelalltag
Gegen Mittag des nächsten Tages beruhigt sich der Wind weiter. Auch die See geht zunehmend zurück und der zweite kreuzende Schwell verschwindet, sodass die Wellen wunderschön lang aus einer Richtung kommen, wie ich es am Atlantik schon immer so mochte. Wir rauschen bei angenehmem 15 – 20 Knoten Wind mit toller Fahrt dahin und bald stellt sich sogar Gemütlichkeit ein, während wir eine ordentliche Geschwindigkeit machen. Ein Etmal von 120 Seemeilen bedeutet 5 Knoten im Schnitt, das wir zwei Tage hintereinander schaffen. Gut so!

Auf der offenen leeren See treffen wir am zweiten Tag einen riesigen Containerfrachter der Reederei One aus Singapur. Ich funke den an und frage, ob er unser AIS-Signal empfängt, was dieser bestätigt. Immerhin. Davon ausgehend, dass der Wachhabende sich dort vielleicht langweilt und für weitere Abwechslung empfänglich ist, frage ich weiter, ob sie auch mein Radarsignal sehen. Immerhin habe ich diesen aktiven Radarreflektor, aber keine Möglichkeit, dessen Funktion selbst zu prüfen. Leider antwortet er mir auf diese Frage nicht mehr. Entweder höre ich ihn aufgrund meiner eingeschränkten Reichweite nicht oder er ist nicht gelangweilt. Ich vermute letzteres, weil er kräftig aus seinem Schornstein qualmt, kaum Bugwelle hat und langsamer wird. Der hat die Maschine aus und gerade andere Sorgen merke ich! Wenig später geht es bei ihm dann weiter, wir entfernen uns ebenfalls und sind bald wieder alleine.

Der Wachrhythmus
Da wir zu zweit sind, muss ich keinen Intervallschlaf machen und gleichzeitig ist es unbedingt von Vorteil, dass immer jemand wach ist. Ordentliche Seemannschaft und so …
Es ergibt sich dann aber die Frage nach dem Wachrhythmus. Jede Crew fährt ihren eigenen. Üblich sind Schichten von 20:00 Uhr bis Mitternacht. Dann Wechsel und weiter bis 4 Uhr morgens und so weiter alle 4 Stunden. Mache Wachsysteme sind je nach Crewstärke auch ganz anders und komplexer, sodass sich die Zeit der eigenen Wache jeden Tag verändert, damit jeder mal die Hundewache ab Mitternacht hat.
Wir haben in den vergangenen Jahren alles Mögliche ausprobiert und gehen jetzt dazu über, gar keinen festen Wachrhythmus mehr zu vereinbaren. Vielmehr sprechen wir uns laufend ab. Wer schlafen kann, der geht auch schlafen, egal zu welcher Zeit. Der andere passt dann auf Segel, das Boot und vielleicht doch auftauchenden Schiffsverkehr auf, bis er müde wird. Dann wechseln wir. So kommen wir ganz optimal durch die Tage und Nächte. Ich schlafe gerne am frühen Abend, um ggf. fit für die Nacht zu sein. Immer später will Filip abgelöst werden. Interessant ist, wie sich das von Tag zu Tag verschiebt. Am Anfang schlafe ich ab ca. 22 Uhr und Filip fährt bis 1 oder 2 Uhr. Dann bin ich bis etwa 5 Uhr wach und anschließend ist Filip wieder oben und hat den Sonnenaufgang. Das wird dann zum Schluss wechsel um 3 oder 4 auf mich und zurück um 7 oder 8 Uhr. So bekomme ich dann am Ende auch den Sonnenaufgang, der so angenehm die Nacht vertreibt.
Das Projekt Polar- Diagramm
In einem Projekt für den kommenden Winter zeichne ich seit dieser Saison alle Daten auf, die das Boot in seinem internen Netzwerk zwischen den Sensoren und Anzeigegeräten hin und her schickt. Dazu nutze ich den Voyage Recorder YDVR-04 von Yacht Devices, den ich in das NMEA Netzwerk eingebaut habe und der alle Daten, wie Windgeschwindigkeit und Richtung, eigene Geschwindigkeit, Motordrehzahl und vieles mehr auf einer SD Karte speichert. Eine Art Blackbox, wie beim Flugzeug.

Die Idee dabei ist, im Winter ein Programm zu nutzen, das ich auf GitHub gefunden habe. Damit sollte man mit einem zu erstellenden Extrakt aus den NMEA Daten ein eigenes Polardiagramm entwickeln können.

An einem Polardiagramm kann man ablesen, bei wie viel Wind aus welcher Richtung das Boot wie schnell segelt. Das wiederum ist essenziell für das Wetterrouting, das genau das wissen muss. Es soll ja berechnen, wo das Boot in einer Stunde ist, wo der Wind dann vielleicht ein anderer ist und es dann wieder berechnen muss, wie es von da aus weitergeht. Diese Kalkulation verwenden wir aktuell in der Wettersoftware mit stark standardisierten Daten, was auch recht akkurat funktioniert, da wir diese Kalkulation auch auf See alle 12 Stunden wiederholen und entsprechend Fehler in den eignen Performancedaten ausgleichen können, indem wir die berechnete Position durch die tatsächliche ersetzten. Ich hätte es aber gerne individueller, da es auf längere Sicht immer ungenauer wird.
Ich denke, dass es mir Spaß machen können, das zu erlernen, was dazu notwendig ist, um auf dem Weg zu einem eigenen Polardiagramm zu kommen. Meine Versuche, die Werte laufend mit Stift und Papier zu erzeugen, sind mühsam. Oft vergesse ich aufzuzeichnen und habe immer nur eine einzige Momentaufnahme mit ihren Besonderheiten und keine echte durchschnittliche Größe.

Die Ankunft
Am 5. Tage auf See, kurz nach Mitternacht, passieren wir Porto Santo, die kleine Nachbarinsel von Madeira. Weiter geht es entlang der Nordküste Madeiras selbst. In dieser Nacht bleibe ich die meiste Zeit wach. Es ist ziemlich dunkel, die Sicht nicht gut, die Küste hier hat Unterwasserfelsen, vielleicht gibt es auch Fischer, das Wetter ist komisch. Ich könnte jetzt selbst ohnehin nicht schlafen und lasse zumindest Filip seine Ruhe. Gegen morgen dann ziehen tiefe Regenwolken auf. Es nieselt etwas. Wind kommt damit aber kaum noch. Wir können noch fast bis zum Runden der Westspitze der Insel segeln.
Gegen 6 Uhr starte ich dann den Motor.
Auf der Fahrt war genug Zeit, mir eine provisorische Konstruktion zu überlegen, die verhindert, dass der Motor in Betrieb nun nicht mehr die Bilge mit Kühlwasser flutet.

Ich habe in meiner Rumpelecke einen passenden Trichter gefunden, der das Wasser auffängt und über einen alten Trinkwasserschlauch leitet, den ich ebenfalls mal für einen anderen Grund auf die Seite gelegt hatte. Der Schlauch leitet das Wasser in den Behälter, den sich Filip mal für irgendetwas gebaut hatte und den ich schon lange wegschmeißen wollte. Alles ist mit Kabelbindern fixiert. Den Behälter muss man jetzt alle 20 Minuten ins Cockpit hochheben und dort ausleeren. Das erste Mal kippe ich den Kanister, in der Backkiste sitzend, noch halb über mir selbst aus. Nach weiteren 20 Minuten gelingt das Manöver schon besser und ich bleibe fortan trocken.
Die Westküste kann sich dann kaum rauer und imposanter zur Begrüßung präsentieren. Welch ein wuchtiger Empfang!
Noch eine weitere Stunde fahren wir die Küste unter Motor entlang. Ich stehe bereits mit der Marina in Kontakt. Sie haben Platz für uns und außerdem den Kontakt zu der Werft unter dem Flughafen vermittelt, von wo ein Mechaniker noch am selben Tag an Bord kommen will, um uns wieder flottzumachen.
Wir erreichen den Hafen, machen bei ruhigem Wetter fast an der Stelle fest, wo wir vor drei Jahren schon mal gelegen hatten. Nach dem Einchecken gehen wir zu unserem geliebten indischen Restaurant in der Marina. Es gibt ein Einlaufbier für mich…

… und den eingangs bereits erwähnten Salat mit dem ungewöhnlichen und extrem leckeren Dressing, auf das wir uns schon so gefreut hatten. Wir erfragen nun die Mixtur und werden das im Winter in Mainz selbst herstellen.

Ich mag die Marina in Calheta sehr. Es ist ein beschaulicher Ort, trotz der paar Touristen. Ein bisschen verschlafen ist es, aber nicht langweilig. Der Supermarkt ist klein und eng, aber genau gegenüber der Straße. Man hat alles, was man benötigt. Leider ist der Hafen nicht bei jeder Windrichtung gut geschützt. Im Winter würde ich das Boot hier nicht liegen lassen.
Der Mechaniker kommt nach dem Mittagessen tatsächlich und wir finden das Problem:
Nachdem der Luftfilter abgenommen ist, sieht man dahinter den Froststopfen, aus dem es munter hinausspritzt. Das Ding soll wohl diese Schwachstelle finden, wenn im Winter noch Wasser im Abgasknie steht und sich beim Einfrieren ausdehnt, um nicht das ganze gusseiserne Teil platzen zu lassen.
Ich hatte bislang ja keine Ahnung, dass das Abgasknie genannt wird und dass dieses Knie einen Froststopfen hat. Mehrere Chats, Mails und Gespräche mit unter anderem dem Madeira- Standortleiter von Trans-Ocean und dem Leiter von Sailing Island, bei dem ich den Motorenkurs gemacht hatte, haben mich nun schlauer gemacht.
Hier mischt sich das Abgas mit dem aggressiven Salzwasser, bevor es aus dem Auspuff gedrückt wird. Das immerhin wusste ich. Die Korrosion ist hier hoch und besonders nach dem Winter, wenn der antikorrosive Forstschutz innen vielleicht auch nicht das ganze Teil bedeckt hat, kann sich der Rost hier nach außen gefressen, was er in meinem Fall getan hat. Allerdings hat mein doch sehr kompetenter Mechaniker so etwas auch nicht gesehen, wie er meint.

Er nimmt das Teil am Donnerstag mit und entschuldigt sich noch, dass er es nicht am Freitag schon wieder einbauen kann, weil er da eine Feuerwehrübung hat und nicht arbeitet. Ich verstehe das gar nicht. Der kommt noch am Einlauftag an Bord, bedauert, dass er das Teil nicht schon am Morgen ausbauen konnte, denn dann hätte er es am Abend bereits wieder zurückgebracht. Das absolute Gegenteil des hauptsächlich in Spanien üblichen mañana, mañana.
Jetzt muss ich bis Dienstag warten, da Montag Feiertag ist. Mir ist es egal, ich bin sehr froh, dass er das fixen kann, indem er neue Kupferstopfen einbringt. Das hält dann erst mal. Ich gehe nach den 5 Seetagen, der durchgemachten Nacht und meinem Einlaufbier endlich (!) ins Bett! Alles andere darf warten.
Am Dienstag bringt er das Teil dann tatsächlich wieder zurück und meint, das Abgasknie hätte die Hälfte seines Lebens bereits hinter sich. Ich werde es im nächsten Winter tauschen. Zwischenzeitlich besuchen wir auf Madeira noch einmal die schönsten Orte, erkunden aber auch weniger bekannte Ecken der Insel und entdecken für uns neue, während wir auf das nächste Wetterfenster warten.

