29.5.-12.6.2021
Frank, ein in Puerto de La Cruz lebender alter Freund aus besagten, unzähligen Urlaubstagen kommt zu Besuch und organisiert kurzerhand ein Familiensegeln am kommenden Freitag.
Ich habe nämlich ein Problem. Wir wollen zwar zwei Wochen hier sein, mich plagt aber mittlerweile das schlechte Gewissen. Die Opferanoden am Saildrive müssen mittlerweile dringend beide getauscht werden. Mir tut es leid, dass ich das nicht einfach habe mit erledigen lassen, als der Clipper in Lagos zum Reinigen des Unterwasserschiffs aus dem Wasser war. Jetzt kann man den Zustand nur unter dem Boot tauchend ermitteln und es braucht ebenso einen Taucher, um diese zu wechseln, wenn das Boot nicht schon wieder aus dem Wasser soll.
In der Marina Santa Cruz geht das gar nicht. Hier greifen die Regularien des Industriehafens, und Taucher dürfen nicht alleine ins Wasser und brauchen einen dritten Mann als Sicherung an der Oberfläche. Für Arbeiten etwa 1 Meter unter Wasser an einer Segelyacht ist das der zig – fache Sicherheits-Overkill und dadurch völlig unbezahlbar.
Die Marina Teneriffa, einen Kilometer weiter nördlich, teilt mir auf meine Anfrage lapidar mit, dass sie keinen Platz haben, womit sie für das Unterfangen ebenfalls ausfallen. Also suche ich weiter und werde im Süden bei Radazul fündig. Ich rufe an und stelle fest, dass man mal wieder etwa so viel Englisch spricht, wie ich Spanisch. Wir finden dennoch gemeinsam gut gelaunt heraus, dass ein Platz frei ist und man alles Weitere, wie tauchen, vor Ort regeln kann.
Familienfahrt
Das ist eine Stunde Fahrt die Küste entlang und perfekt, für eine Probefahrt mit der Familie. (Bei der Marine werden Fahrten mit Gästen Familienfahrt genannt und der Begriff passt hier so schön). Somit trat die Reisegesellschaft pünktlich am Freitag um 11 Uhr ihren Dienst an.
Als ich die gekühlten, teils alkoholischen Getränke und das Badespielzeug sehe bekomme ich ein leicht schlechtes Gewissen, denn trotz des recht ruhigen Wetters draußen werde ich zumindest hier und heute das nicht bieten können, was man sich offenbar teilweise erhofft.
Nicht so schlimm. Ich gehe mit meiner neuen Crew auf Zeit kurz durchs Boot, erkläre die Toilette und mache eine kleine Sicherheitseinweisung, dass man selbständig bei Bedarf Hilfe rufen kann und wir passen die Schwimmwesten an. Anschließend erkläre ich die Wetterlage, die lokalen Besonderheiten und die Route.
Der Organisator Frank bleibt an Deck und hilft von dort aus beim Ablegen, während der Rest dem Manöver aus dem sicheren Decksalon heraus beiwohnt und Filip den Leihwagen auf dem Landweg nach Radazul bringen wird.
Wir verlassen den Hafen und fahren in einem großzügigen Schlag erst mal von der Küste weg, da wir es ja nicht eilig haben. Als ich allerdings sehe, dass es nicht allen gleichbleibend gut geht, Halse ich, und fahre zurück an die Küste auf direktem Weg nach Radazul. Wir müssen uns ja nichts beweisen. Vor Radazul gibt es dann tatsächlich einen abgesperrten Bereich, in dem vom Strand aus geschwommen wird, aber da können wir nicht ankern. Wir würden direkt in der Hafeneinfahrt und viel zu dicht unter Land liegen.
Ich rufe die Marina über UKW, werde auf meinen Platz eingewiesen und …. Ja Bravo! Das wird jetzt mein erstes Anlegen römisch-katholisch, also mit dem Heck voraus ohne Steg an Back- oder Steuerbord. Das Boot wird Achtern mit zwei Heckleinen am Steg und am Bug über sogenannte Lazylines festgebunden, die an einem Betonblock unter Wasser enden und die man sich über Sorgeleinen vom Steg holt. Das Prinzip ist mir ja schon klar, ich habe es halt nur noch nie gemacht und habe jetzt obendrein beim ersten Mal dazu noch das ganze Boot voller Zuschauer.
Ich überlege erst, über zügige Rückwärtsfahrt Ruderdruck zu bekommen, sodass ich über eine S-Kurve in die mir zugewiesene Lücke komme. Die dazu notwendige Geschwindigkeit ist mir hier aber zu hoch, auch wenn die helfen würde, da der böige Wind von vorne das Boot zur Seite drücken könnte, wenn das Bugstrahlruder alleine gegen den Winddruck auf das Vorschiff nicht ankommt. Ich versuche es aber nun doch mit geringer Fahrt und unter Zuhilfenahme des Bugstrahlruders und es klappt, der Clipper dreht langsam rückwärts fahrend mittels Bugstrahlruder in seine Lücke. Der Marinero übergibt uns landseitige Leinen, die wir belegen. Dann fahren wir langsam voraus, hängen dadurch stabil in den Achterleinen und holen uns die beiden Bugleinen vom Grund, mit denen wir uns am Bug fest machen. Fertig. Weiche Knie, aber geschafft! Heimliche Freude. Meine Anspannung war sicherlich kein Geheimnis, aber deren Ausmaß soll es erst mal bleiben.
Meine lieben Badegäste verlassen das Boot, wir besprechen, wo wir uns zum Abendessen treffen und weg sind sie. Filip stand auf der Pier und zusammen justieren wir das Boot in seiner Lücke noch mal fein, bevor wir Seeklar zurück machen und Packen, da wir über das Wochenende von Frank eingeladen sind, dasselbe in einer seiner von ihm bewirtschafteten Ferienwohnungen zu verbringen. Urlaub in Puerto, wie gehabt. Wunderbar.
3 Tage Gesellschaftsleben in Puerto de la Cruz
Das verlängerte Wochenende besteht dann zum großen Teil aus hochwillkommenen gesellschaftlichen Aktivitäten. Filip surft mit Michael, während ich mit David nebenan im Kaffee sitze und mich unterhalte. Beste Arbeitsteilung. Am Sonntag sind wir zum Grillen eingeladen.
Wir fahren zusammen den Teide hoch, denn in diesen Wochen blüht die Tajinaste, die man blühend aus der Nähe gesehen haben muss.
Es ist natürlich auch immer wieder ein Erlebnis, durch die Wolken zu fahren,
…um anschließend von oben auf die Wolkendecke wie beim fliegen herab zu blicken.
Teneriffa Blue Trail
Was ich bislang von Teneriffa noch gar nicht kannte, weil ich immer zu einer anderen Zeit dort war, war der BlueTrail Lauf. Ein für mich unglaublicher fast dreifacher Marathon über 110 km den Teide auf 3.500m hoch und auf der anderen Seite wieder runter. Es gibt innerhalb der Veranstaltung auch kürzere Distanzen, wie unter anderem ein einfacher Marathon für die Weicheier, aber die Königsdisziplin ist der Blue Trail Ultra, der abends im Süden Teneriffas in Adeje um 23:30 Uhr startet, um dann am nächsten Abend irgendwo zwischen 21 Uhr und 00:30 Uhr in Puerto de La Cruz anzukommen. Nach maximal 25h ist Schluss, wer länger braucht, hat es nicht geschafft. Ich stehe gegen 22:00 Uhr am Ziel und schaue mir die Läufer mit den niedrigen Startnummern an, die die lange Strecke gelaufen waren. Ich fasse es immer noch nicht, erwarte völlig zerstörte Wracks, die da einlaufen. Stattdessen spurten die meisten, wenn auch nicht alle, noch relativ locker an mir vorbei in die letzte Kurve, teilweise die Kinder an der Hand, die im Ziel gewartet haben. Was eine Atmosphäre! Wie muss das erst ohne Corona und mit mehr Leuten sein?
WhaleWatching
Nach tollen Tagen in Puerto fahren wir zurück nach Radazul. Markus & Diana von der Miss Sophie sind wieder an ihrem Boot in Las Palmas de Gran Canaria und kommen übermorgen nach Tagen nach Teneriffa. Markus ist Taucher, hat seine Ausrüstung an Bord und bietet mir für die Anoden Hilfe an, die ich gerne annehme. So bestelle ich den Taucher in Radazul wieder ab, wegen dem ich einzig und alleine hier hergekommen war. Nach Santa Cruz zurück gegen den Wind will ich aber nicht fahren, wo Miss Sophie ankommen wird. So verbinden wir das Angenehme mit dem Nützlichen, verabreden uns in Las Galletas zum Anodenwechsel mit anschließender WhaleWatching Tour auf eigenem Boot, wohin die beiden mit einem Leihwagen aus dem Norden der Insel kommen werden, da sie auf eigenem Kiel nicht in den Süden fahren werden. Ich habe am nächsten Tag eine Telefonkonferenz um 13 Uhr meiner Ortszeit. Entweder fahren wir danach los oder sehen zu, dass wir bis dahin in Las Galletas angekommen sind. Wir entscheiden uns für die zweite Option, stehen um kurz vor 5 Uhr auf und legen tatsächlich pünktlich um 6 Uhr ab.
Die Sonne ist hinter Wolken aufgegangen, sodass es leider keinen romantisch spektakulären Sonnenaufgang gibt. Wir entfernen uns gerade von der Küste, als wir Besuch bekommen. Die Guardia Civil umkreist uns mal wieder und ich habe keine Ahnung, warum. Erst nachträglich sehe ich, dass das Funkgerät noch auf dem Kanal der Verkehrszentrale steht, nicht auf Anrufkanal 16. Wenn die mich also gerufen hatten, habe ich es nicht mitbekommen. Eine Kontrolle scheint zu aufwändig, jedenfalls geht auf der anderen Seite der Daumen irgendwann nach oben und sie fahren weiter. Das machen wir auch, ich allerdings mit leicht erhöhtem Plus. Leider ist der Wind ausgerechnet heute zu schwach, um uns in der richtigen Zeit in den Süden zu pusten, wir müssen leider fast die gesamte Fahrt motoren.
Wir runden die Südspitze der Insel am Flughafen …
… und erreichen Las Galletas um die Mittagszeit, mit seinem auffälligen Gebäude auf der Molenspitze, in dem Restaurants aber auch die Verwaltung untergebracht sind. Das Anlegen: Römisch Katholisch zum zweiten. Der Marinero hilft wieder, ich fühle mich schon fast routiniert. Kein Problem.
Tauchereinsatz & Anodentausch
Am darauffolgenden Tag kamen dann Markus & Diana und wir schritten zu Tat.
Markus schnorchelt zunächst das Aufgabengebiet einmal ab, zieht dann seine Flache mit Automat über und macht sich an die Arbeit. Ich assistiere und reiche Werkzeug, sowie frische Anoden im Tausch gegen die Alten.
Meine Erleichterung ist groß, dass noch ein wenig von den Alten da war und es nicht bereits am Saildrive selbst knabbert.
Whale watching
Dann geht es raus und 1,5 Stunden Richtung des Punkts auf N 28 Grad 03,522 Min. W 016 Grad 47.101 Min., wo die kommerziellen WhaleWaching Boote auch hinfahren. Markus hatte sich den Punkt von letztem Mal gemerkt, als er mit denen unterwegs war. Leider war erneut weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg der Wind so, dass wir segeln konnten, sodass fast alles unter Motor statt fand.
Die Wale sind bei Weitem behäbiger, als das Delfine sind. Es handelt sich um Kurzflossen-Grindwale, die nicht so groß sind, von denen wir aber einige zu sehen bekommen.
Mann über Bord mit Catch & Lift
Nach etwa einer Stunde Tiere guckten geht es wieder zurück. Wir haben ein weiteres Highlight vor der Brust. Markus hat einen Testkoffer von Catch & Lift mitgebracht. Der Erfinder ist sein Schwager und seine Miss Sophie ist in den Erklärvideos der Firma das Segelboot. Da ich das Rettungssystem auch an Bord habe, ist das eine ideale Gelegenheit, mal zu üben ohne den eigenen Koffer auseinander nehmen zu müssen.
Filip erklärt sich bereit, zieht sich in der Nähe des Hafens, wo die Landabdeckung die See so ruhig wie möglich werden lässt, den Neopren an und geht Achtern über Bord. Wir entfernen uns unter Maschine und fahren das Manöver, wie im Video zu sehen ist. Wohl ist mir dabei überhaupt nicht. Es ist zwar eine Übung, aber jemand im Wasser ist immer eine heikle Sache, egal wie kontrolliert das abläuft.
Alles geht gut, das System ist wirklich gut und hat aus meiner Sicht zwei herausragende Stärken: Das Manöver zum Einfangen des MOB ist denkbar einfach und die kritische Phase des an Bord Bringens ebenso. Es hat aber auch eine Einschränkungen: Der MOB im Wasser muss mitarbeiten. Ist er ohnmächtig, muss ein Zweiter in irgend einer Form das System mit dem MOB verbinden. Es gibt allerdings kein mir bekanntes System, in dem eine bewusstlose Person mit einer Yacht geborgen werden kann, das mich überzeugen würde. In der Fachpresse hatte ich noch von einer weiteren Einschränkung gelesen, nämlich dass wenn der MOB beim zurück an Bord nehmen bereits stark unterkühlt sein sollte, eine dann waagerecht vorzunehmende Bergung vom System nicht vorgesehen ist. Es ist hier allerdings so, dass eine Unterkühlung mit empfohlener horizontalen Bergung erst bei weniger als 10 Grad Wassertemperatur nach mehr als 15 Minuten im Wasser einsetzt. Da man die Bergung umgehend einleitet, ist das auch etwa die Zeit, in der man die Person wieder aus dem Wasser hat, wenn die Bedingungen so sind, dass das überhaupt geht. Somit ist eine Bergung auch bei extrem kalter Wassertemperatur möglich.
Wir essen noch gemeinsam zu Abend und verabschieden uns. Die beiden werden jetzt die Insel erkunden und Filip und ich fahren morgen nach La Gomera.
Wassereinbruch bzw. wie ich die Logge reinige
Dann war da noch die Logge. Zuletzt wollte sie in Lagos die Geschwindigkeit nicht mehr anzeigen, was durch flotte Fahrt behoben werden konnte. Nun versagte sie wieder ihren Dienst, dafür aber nun nachhaltig. Man kommt an Sie auch von innen heran, indem man Sie einfach ins Boot vom Rumpf abzieht. Was bleibt ist ein echtes Loch durch das Wasser ins Boot strömt, auch Leck genannt, welches schleunigst wieder verschlossen werden muss, wozu ein passender Stopfen daneben liegt. So geschah es, ich reinige das kleine Schaufelrad und versetzte das Ganze wieder in den Ausgangszustand, indem ich den Stopfen ziehe und die Logge wieder einbaue. Das sieht dann so aus:
Der letzte Abend auf Teneriffa. Das Wetter für die Überfahrt morgen soll moderat bzw. eher schwachwindig werden. Wir werden sehen.
Hi Matthiad,
LG aus Mainz. Ich lesen Deinen Blog wirklich gerne. Hoffe, man sieht dich mal wieder!!
LG
Jan
Hi Jan,
Super! .-) Ich melde mich Mitte Juli bei dir.
Bis dahin
Matthias
Wie immer toll geschrieben, die Videos bringen die tolle Atmosphäre zu den daheimgeblieben rüber 🙂
Danke. 🙂
Weitere kleinere Videos kommen 🙂