Samstag, 12.02.2022 – Mittwoch, 02.03.2022

Der Wind für den kommenden Tag sieht dünn aus. Er soll sehr schwach und ziemlich genau von Achtern kommen. Wir verabschieden uns von dem Gedanken, es in einem Rutsch überhaupt von Culatra bis zum Portugiesisch-Spanischen Grenzfluss Río Guadiana zu schaffen und richten uns auf Tavira ein, denn an beiden Orten möchte ich bei oder um Hochwasser herum ankommen, das um 13:00 Uhr ist. In Tavira, weil wir da sonst nicht in die flache Lagune reinkommen und in Vila Real de Santo António, wie die portugiesische Stadt am Grenzfluss heißt, weil die Marina im Strom liegt und ich ungern in einer engen Marina bei Strömung manövrieren möchte.

In Tavira waren wir ja bereits mit dem Zug, wollten sowieso noch mal hin und man kann da theoretisch auch mit dem Boot, etwas weiter weg von der Stadt, an eine fremde Mooring gehen. Für viele Yachten hat das, den Einträgen in Navily nach, funktioniert. Allerdings liest sich die Beschreibung der flachen Zufahrt im Revierführer weder gut, noch fühlt sich das sicher an. Auch habe ich lieber eine sichere Bleibe, da ich arbeiten muss und es mir nicht leisten kann, dass irgendwann einer kommt und mich verjagt, während ich vor dem Computer sitze.

Die App Navily nutze ich hier in der Region sehr gerne zum Buchen der Marinas, da ich den Preis einfach sehe und nicht mühsam über die jeweilige Homepage des Hafens recherchieren muss. Mindestens genauso wichtig sind die Angaben von Ankermöglichkeiten und den Erfahrungen und Bewertungen anderer Segler dazu. Wie ist der Halt, ist der Boden verunreinigt und wo kann ich mit dem Dinghy anlanden. In Nord- und vor allem Ostsee dürfte eher Harpa die App der Wahl sein, da dort Navily in den Marinas so gut wie nicht vertreten ist.

Die Vorhersagen sind jetzt so doof, dass wir abends vor Culatra keine Entscheidung treffen können, ob wir morgen fahren, oder auf das nächste kleine Wetterfenster warten, dass sich aber noch nicht zeigt. Wir vertagen die Entscheidung einfach auf den nächsten Morgen um 6 Uhr, stellen den Wecker auf 5:30 Uhr, um dann auf die letzten Wetter-Modelle der Nacht zu schauen und entweder loszufahren oder wieder ins Bett zu gehen.

Der Wecker klingelt. Ich stehe auf und mache erst mal noch keinen Kaffee, aber verschlafen den Laptop an. Filip kommt dazu und gemeinsam sehen wir, dass wir nicht viel schlauer werden als am Abend vorher. Das könnte genug Wind sein, vielleicht aber auch nicht. Mist! Jetzt gibt Filip den Ausschlag, wir lassen es einfach darauf ankommen. Also los… Ich hole das Code Zero aus der Backskiste und schlage es an, denn das werden wir auf jeden Fall benötigen. Wir holen den Anker und fahren gegen leichte 5 Knoten Wind Richtung Ausgang. Sonnenaufgang ist in zwei Stunden. Es ist still und friedlich hier. Alles schläft, nur wir tuckern dahin.

Wir kommen zufällig wieder bei Stillwasser aus der Ausfahrt raus. Es ist Niedrigwasser, die Fahrrinne sollte ich besser nicht verlassen. Alles gut, ich biege Richtung Westen ab, nehme die Fahrt aus dem Boot und schnüffle mal in den Wind. Die errechnete und mir dargestellte Windgeschwindigkeit des Bordcomputers ist mir hier nicht genau genug. Das Boot steht und eine leichte Brise auch. Wohlan, ich setzte alles an Tuch, was da ist und stelle fest, dass sich das sogar ganz hervorragend entwickelt. Wir haben entgegen der Vorhersage bald raumen Wind aus Süden, statt aus Westen, sogar mit 11 Knoten! Mit dem Code Zero geht es da aber flott mit 5 Knoten Fahrt durchs Wasser zur Sache. Ich hatte mit 2–3 Knoten gerechnet.

Der Tag bricht heran, ist etwas trostlos und kalt. 50 % der Besatzung kehren zunächst zurück ins Bett und halten sich später weiterhin warm.

Wir trauen unserem Glück erst nicht, aber der Wind hält und als wir den Punkt erreichen, an dem wir Richtung Tavira abbiegen müssten, entscheiden wir um, denn 13 Uhr ist bei dieser Geschwindigkeit machbar. Wir fahren durch! Das Ganze wird dann zu einem Bilderbuchtörn bei absolutem Leichtwind mit maximaler Ausbeute.

In der Ansteuerung der Flussmündung von Vila Real de Santo António wird es dann sehr flach. Wir haben kaum mehr als 2 Meter Wasser unter dem Kiel und es ist wirklich gut, dass wir hier bei Hochwasser unterwegs sind. Normalerweise versuche ich mich ja von Fischernetzen gut freizuhalten, die man an ihren kleinen Bojen auf dem Wasser erkennt. Hier allerdings keine Chance. Fährt man von einer dieser Markierungen weg, fährt man gleichzeitig auf eine andere zu. Sie sind hier einfach überall und wir fahren über ein riesiges Gebiet an Netzen.

Hier sieht man im Vordergrund eine Markierung, dahinter schon die Nächste. Hinter mir ebenso…

Wir erreichen glücklich den Zugang zum Fluss, ohne uns irgendwo verheddert zu haben. Ich nehme die Segel runter und wir tuckern die kurze Strecke den Fluss hinauf. Ein wenig mitlaufendes Wasser hilft noch.

So geht es in die Marina, wo man uns bereits durch meinen UKW-Anruf erwartet und bekommen beim Anlegen geholfen. Exakt um 13 Uhr machen wir in Vila Real de Santo António fest. Besser hätte uns der Wind nicht auf den Punkt genau hier zeitlich abliefern können. Wir sind beide noch eine ganze Zeit berauscht von diesem Erfolg des Fotofinish.

Ein verdienter Sonnenuntergang…

Das ist nun die letzte portugiesische Stadt auf unserem Weg. Noch sind wir hier in der Londoner Zeitzone. Auf dem anderen Ufer ist es aber eine Stunde später, UTC+ 1. Der Grenzfluss ist gleichzeitig die Grenze zweier Zeitzonen. Etwas wehmütig sind wir, dass wir Portugal verlassen, aber ich freue mich auch auf die deutsche Zeit, in der ich nicht mehr so extra früh aufstehen muss, wenn morgens ein Meeting stattfindet.

Vila Real de Santo António ist ein schönes Städtchen, in absolut gleichen Blöcken angelegt und hierdurch symmetrischer als Manhattan.

Der Plan ist, von Sonntag, 13.02. bis Mittwoch, 16.02 zu bleiben. Dann am Donnerstag auf die andere Seite, nach Spanien zu wechseln, dort eine Nacht zu bleiben, und uns nachmittags in den Fluss vor Anker zu legen, um den Morgen darauf mit ordentlich Wind sehr früh nach Cádiz aufzubrechen.

So geschieht es auch. Bei der Einfahrt in die Marina von Ayamonte auf der spanischen Flussseite bleibe ich erst mal im Schlick stecken. Dass die Marina Probleme mit Versandung hat, hatte ich gelesen. Es ist fast Niedrigwasser und es stimmt. Ich befreie mich, versuche es an einer anderen Stelle noch mal und komme dort besser rein. Ein deutscher Motorsegler aus Duisburg liegt hier gleich am Eingang. Ich finde das Boot toll, würde gerne seine Geschichte kennen.

Wir machen fest, erkunden zu Fuß die Stadt, vergleichen alles mit ihrem portugiesischen Gegenüber und stellen wieder mal fest, wie stark sich Portugal von Spanien zum Beispiel in den Englischkenntnissen der Leute unterscheidet. In Portugal fragten wir schon lange nicht mehr, ob wir Englisch sprechen dürfen. Hier in Ayamonte bekommt man im günstigsten Fall die Antwort: „ein ganz kleines Bisschen“. Oft aber geht es nur über Hände und Füße. Wir genießen einen romantischen Sonnenuntergang…

… und gehen anschließend toll essen. Ich bewundere und fotografiere noch unser Zuhause auf dem Rückweg, wie es im ruhigen Mondscheinwasser friedlich daliegt.

Am nächsten Tag ist bereits Abfahrtstag. Wir bleiben noch bis in den Nachmittag,

Bevor wir unsere Landverbindung lösen und ein Stück weit den Fluss hinunterfahren um den Anker zu werfen. Die ersten beide Versuche stellen mich nicht zufrieden. Unter Belastung fängt der Anker an zu schlieren und ich möchte heute Nacht keine Kompromisse machen, indem ich einfach annehme, dass es schon passen wird. Nicht in dem Fluss mit seiner Strömung, nicht bei dem angekündigten Wind!

Es ist das Wochenende, das den britischen Inseln und dem dahinter liegenden europäischen Kontinent in kurzer Abfolge zwei Orkane und einen Sturm bringen wird. Es ist kaum zu glauben, dass dieses grob zweitausend Kilometer entfernte Geschehen noch hier unten Auswirkungen hat.

Das Frontensystem reicht bis hier und dann weiter bis weit auf den Atlantik hinaus und bringt uns einen Tag Wind aus der Richtung, die wir benötigen, um hier wegzukommen. Der Wind in der Kaltfront wird extrem Böig werden, mit Spitzen, die wir so wahrscheinlich noch nicht hatten. Dafür kommt das alles aber von Achtern und sollte daher funktionieren.

Dieser Segen wird uns bereits in der Nacht treffen, sodass ich an der ersten Stelle des Flusses meine Versuche nun aufgebe und ein paar hundert Meter weiter unten noch mal mein Glück versuche. Jetzt passt es auf Anhieb. Der Anker sitzt fest, erhaben über jeden Zweifel, und das muss er auch. Wir machen uns ein Abendessen, kochen auch noch etwas vor und gehen dann zu Bett. Es soll am nächsten Tag sehr früh losgehen.

Die Nacht wird furchtbar. Wir bekommen im Fluss eine ordentliche Wind gegen Strom Situation, die das unruhige Wasser beständig und laut gegen den Rumpf klatschen lässt. Der Wind kommt immer stärker und beginnt beeindruckend in der Takelage zu singen. Überdies hatte ich die Ankerkette hinter dem, in die Kette gepickten Ankerharken, stark durchhängen lassen. Diese lose Kettenbucht kratzt beim Schwoien am Grund nun über Stock und Stein, dass es sich zunächst so anhört, als würde der Kimmkiel ständig über den Grund gedrückt, den er gerade so berührt. Es wird bei Niedrigwasser zwar wirklich ziemlich flach an dieser Stelle, aber so flach dann doch nicht. Jedenfalls ein furchtbares Geräusch, das ich schließlich durch das Einholen von etwas Kette beseitigen kann. Das Heulen des Windes, die Bewegung des Bootes und das Klatschen der Wellen bleibt. Irgendwann morgens fliegt mit lautem Scheppern eine Schublade auf, die wir nicht richtig verschlossen hatten. Filip sitzt mit weit geöffneten Augen im Bett, hat sich furchtbar erschreckt.

Um 4:30 Uhr geben wir den Kampf um Schlaf schließlich auf. Heute wird keiner mehr schlafen, wir können genauso gut auch jetzt schon fahren. Ich frage Filip, ob er dazu bereit ist und er meint, dass wenn ich den Wind segeln könnte, dann wäre er einverstanden. Ich bin mir meiner Sache sehr sicher, auch wenn ich beeindruckt bin und nach einem guten Frühstück und einer Seekrankheitstablette für Filip holen wir gegen den Wind den Anker. Filip hilft mit dem Motor und fährt dem Anker langsam entgegen, da die Kette so straff gespannt ist, dass die Winsch diese Arbeit nicht allein machen soll.

Die letzten Minuten vor Anker

Der Anker ist an Bord, wir drehen und ich fahre in der Finsternis des nächtlichen Flusses denselben hinab, freue mich geradezu, diese Starkwind-Erfahrung jetzt mal machen zu können. 30 Minuten später setze ich die kleine Arbeitsfock und lasse das Großsegel unten. Der Clipper rauscht selbst mit dem bisschen Segel, bei diesem Wind von 25 bis 33 Knoten bereits mit fast maximaler Geschwindigkeit los. Wow! Die Wellen kommen ebenfalls von Achtern, haben nicht viel Fetch und sind daher zunächst unangenehm kurz, aber niedrig bei 1,5 Metern. Wir schlingern gelegentlich recht ordentlich, aber dank der guten Vorbereitung wird heute keiner an Bord seekrank.

Wir brausen dahin. Das Wetter hält sich an die Vorhersage und der Wind lässt über den Tag immer weiter nach. Die Front ist am Vormittag endgültig durch. Ich gehe die komplette Segelgarderobe von klein nach groß einmal durch, bis ich schließlich das Code Zero einhole und den Motor für 1,5 Stunden starte. Dann kommt wieder ein Lüftchen, das den Clipper schließlich bis kurz vor Puerto Sherry pustet, welches ein sehr großer Yachthafen in der Bucht von Cádiz ist. In Cádiz selbst war zu unserem Leidwesen nichts mehr frei.

Puerto Santa Maria mit der Marina Puerto Sherry ist aber auch schön, zumindest wenn man nicht ursprünglich nach Cádiz wollte. Wir nehmen uns wieder ein Auto, um am Montag nach Marbella zu fahren. Filip hat dort seinen zweiten und dritten Zahnarzttermin, bis er damit erst mal wieder durch ist. Zahnarzt in Marbella hört sich nach mondäner Zahnpflege an. Tatsächlich reiht sich im Süden Spaniens eine Zahnklinik an die nächste und man bekommt die Behandlung hier zu sehr günstigen Preisen.

Da wir das Auto haben, kombinieren wir das alles mit andalusischem Seightseeing und fahren über Nacht nach Ronda. Wow!

Die Puente Nuevo

Hier haben Hemingway und Rilke eine Zeit gelebt. Ich kann mir hervorragend vorstellen, wie Erstgenannter durch diese so historischen Gassen gegangen, hier gesoffen und den Stierkämpfen zugeschaut und geschrieben hat.

Die Stadt ist auf einem Plateau errichtet, war dadurch schon immer strategisch wichtig und dem folgend bestens befestigt und jahrhundertelang umkämpft.

Stierkampfarena

Ich vermeide es dieses Mal, es Hemingway gleichzutun. Stierkampf ist auch nichts für mich. Wir fahren noch mal nach Marbella zum Doc und anschließend wieder zurück zum Boot.

Es kommt der 24.02.2022 und seitdem ist alles, was wir tun, mit Gefühlen von Traurigkeit, Entsetzen, Angst, Unsicherheit, Mitgefühl, Wut und Hilflosigkeit unterlegt. Filip und ich saugen die Nachrichten auf, in dem wenig tauglichen Versuch zu fassen, was undenkbar schien.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird nach Bosnien nun erneut ein Land in Europa von einem Angriffskrieg heimgesucht. Wir hatten doch alle nach 45 gelernt und beschlossen, dass Krieg, um es mit Helmut Schmidt zu sagen, Scheiße ist und wir das aufgrund dieser Erfahrung künftig anders machen müssen. Das hatten, so dachte man, wenigstens in Europa, alle verstanden. Besonders schlecht, wenn die treibende Kraft für diesen Angriff, dann noch eine schwere Kindheit hatte und heute fast unbegrenzte Möglichkeiten der Eskalation besitzt, dieselbe zu kompensieren, indem er sich ein vermeintliches Denkmal zu setzen versucht. Unsere glücklicherweise noch vorhandene Schutzmacht USA möchte Kriegsverbrechen in der Ukraine dokumentieren. Wenn sie gleichzeitig auf die Auslieferung von Herrn Assange verzichten und ihre eigenen, von ihm zugegebenermaßen stets einseitig zulasten der USA veröffentlichten, aufarbeiteten würde, wäre ich fast geneigt an etwas Gute abseits von Interessen in der Politik glauben. So gehen die wirren Gedanken hilflos durcheinander, ohne Frieden zu finden.

Es läuft immer wieder auf die gleiche Wahrheit meiner Urgroßmutter hinaus, die in ihrer Weisheit sagte: „Die Welt ist schlecht, der Staat ist ein Verbrecher und es gibt nichts Dümmeres als ein Mann!“. Dem ist doch einfach nichts mehr hinzuzufügen.

Unser Leben muss weitergehen. Wir wollen nach Sevilla, uns die Stadt ein paar Tage ansehen. Fühlt sich alles nicht richtig an. Wir ziehen es trotzdem durch und ich versuche den Leihwagen am Flughafen von Jerez zu verlängern. Keine Chance. Ich versuche dort einen anderen zu bekommen. Absolut nichts verfügbar. Wie geht denn das? Vor ein paar Tagen hatten wir unser Auto noch für 10 EUR pro Tag nachgeworfen bekommen. Erst am Sonntag ist wieder etwas vorhanden. Der Flughafen liegt eine Stunde mit der Bahn von der Marina entfernt. Das wollen wir nicht ständig hin und her fahren. Wir versuchen, ein Zimmer in Jerez zu bekommen, um die Zeit zwischen Abgabe am Samstag und Übername des nächsten Autos am Sonntag zu überbrücken. Kaum noch etwas Bezahlbares vorhanden. Was ist denn hier los? Ein großer Kongress oder so was? Wir nehmen so ziemlich das letzte verfügbare Angebot. Dieses wird uns am nächsten Tag trotz Bestätigung wieder storniert. Technische Probleme, heißt es. Jetzt stehen wir da. Ich greife nach dem letzten Strohhalm und schaue noch mal nach einem Auto und finde jetzt doch noch eines für nur einen Tag, bis wir das Nächste bekommen. Was für ein Aufstand! Wir tauschen das Auto, verbringen die Nacht auf dem Boot statt in Jerez und möchten uns statt Jerez nun endlich Cádiz anschauen. So kommen wir am Samstag in die Stadt und wollen parken, aber alle, wirklich alle Parkplätze und Parkhäuser sind so:

Während des Umherfahrens dämmert es mir langsam, was hier eigentlich los ist. Heilige Inzucht!! Es ist ja Fastnacht.

Wir bekommen keinen Parkplatz. Nach einer Stunde des Suchens liegen die Nerven blank. Ich stelle mich einfach irgendwo hin, wo ich nicht bleiben kann, einfach um mal Luft zu holen. Wir entscheiden hier sodann, unverrichteter Dinge wieder zum Boot zu fahren, hungrig wie wir sind. Ich mache den Motor an, um den Ort zu verlassen. In dem Moment verlässt jemand neben uns seinen Parkplatz, der daraufhin nur für wenige Sekunden frei sein wird. Filip springt aus dem Wagen, rennt und verteidigt das wertvolle Stück Asphalt mit allem, was er hat gegen Heerscharen von verzweifelten Parkplatzsuchern. Währenddessen lasse ich den Motor bis in den roten Bereich aufheulen, hole auf kurzer Distanz donnernd alles an PS aus der Kiste heraus, was das bedauernswerte Gefährt herzugeben imstande ist, um mit quietschend, durchdrehenden Reifen und stark rauchender Kupplung rückwärts und unter sehr hoher Geschwindigkeit auf den Parkplatz zu sliden. Wir haben einen Parkplatz und man sieht uns kurz darauf aus einer Staubwolke hervortreten, die sich erst 15 Minuten später wieder legen wird, die Sicht auf unseren Kleinwagen freigebend, wie er nun wieder friedlich auf seinem Parkplatz dasteht. Ja, genau so hat es sich zugetragen! Ich rechne mit baldiger Verfilmung des Geschehenen.

Wir lassen die qualmende Karre hinter uns und stürzen uns in den Fastnachtstrubel. Fühlt sich an, wie in Mainz. Nur wird hier nicht so viel auf der Straße gesoffen und das, was wir als Saalfastnacht kennen, findet hier offenbar auf der Straße statt. Immer wieder steht jemand einzeln da oder man tritt als Gruppe auf, umringt von einer Menschentraube und singt, musiziert oder erzählt etwas Lustiges.

Nach diesen Eindrücken und einem großen, wenn auch verspäteten Mittagessen, geht es zurück aufs Boot, am nächsten Tag zum Flughafen, das zweite Mal das Auto tauschen und weiter nach Sevilla. Dort hätte man auch mit dem Clipper hinfahren können, so wie es Stefan und Anne auf der uns vorausfahrenden Mokendeist gemacht hatten. Das ist auf deren Blog spannend zu lesen. Wir nehmen uns die Zeit aber nicht und wollen auch nicht so viel unter Motor fahren, also geht es auch mit dem Auto.

Im Hotel angekommen, fahre ich das erste Mal mit dem Autoaufzug. Wir müssen den Hotelparkplatz nehmen, da in Sevilla beim besten Willen nichts auf der Straße zu bekommen ist. Das ist spannend, kostet aber pro Tag genau das, was das Auto auch kostet.

Sevilla ist natürlich eine Klasse für sich. Leider war ich gerade beim Friseur, sonst wäre ich hier mal gegangen. Man hört ja so viel von dem örtlichen Barbier. Wir schauen uns die riesige Kathedrale an, die zu den größten ihrer Art gehört und entsprechend beeindruckend ist. Den Glockenturm besteigen wir ebenfalls, der, wie sollte es in Andalusien anders sein, ein ehemaliges Minarett ist und die Besonderheit aufweist, dass er keine Stufen hat, sondern Rampen. Man sagt, um die Gläubigen von oben zum Gebet zu rufen, wollte sich der Muezzin lieber regelmäßig von seinem Esel nach oben tragen lassen, anstatt sich die Mühe des Aufstiegs jedes Mal selbst aufzuerlegen. Da das Vieh keine Treppen steigen konnte, mussten es eben Rampen sein.

Leider reichte die Zeit nicht mehr für den maurischen Palast. Dafür haben wir aber auf vielen Kilometern Fußmarsch durch die Stadt eine Menge andere Sachen gesehen und kommen unter anderem für den Palast gerne wieder.

Für dieses Mal muss es aber reichen, denn das nächste Wetterfenster hatte sich zum Weiterfahren angekündigt. Großes wartet auf uns, insbesondere mich. Es soll weiter nach Gibraltar gehen, das auf mich seit jeher einen großen Eindruck gemacht hat und ein Höhepunkt dieser Reise werden wird. Ich freue mich wie ein Kind darauf, nachdem wir mit der Marine dort immer nur kurz zum Treibstoffbunkern gehalten hatten, aber nie die Chance zum Landgang bestand.

2 Gedanke zu “Von Culatra nach Cádiz – Starkwind, Krieg und Fastnacht”
  1. Moin Ihr zwei.
    danke, das wir virtuell mitreisen dürfen.

    Schöner Textblog, sehr amüsant geschrieben und eine willkommene Abwechslung zu den unzähligen Video-Blogs!
    VG Sven
    SY Siiler

    1. Hallo Sven,
      vielen Dank für dein Feedback. Ich dachte immer, dass es ein Nachteil ist zu schreiben, statt einen Video-Blog zu machen.

      Danke dass du es als Mehrwert siehst, die Sichtweise mache ich mir gerne zueigen !

      Viele Grüße
      Matthias

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