Die Feuertaufe

Matthias, kannst du mal rauskommen? Ich glaube, da treibt einer weg!“ Ich unterbreche das Geschirr spülen, das neben dem ganz praktischen Nutzen der Klarierung der Pantry auch Ruhe und Sicherheit demonstrieren sollte. Ich komme ins Cockpit und tatsächlich! Da hat sich einer losgerissen und treibt unbemannt und unbeleuchtet, den nun wirkungslosen Anker hinter sich herziehend, quer durch das Ankerfeld. Ich hole die starke Taschenlampe, lasse Filip das Segelboot mit dem Spotlight anleuchten und gebe ein langes Achtung mit unserer Handtröte, damit die Nachbarn noch eine Warnung bekommen, die bis jetzt vielleicht noch nichts von der treibenden Gefahr bemerkt haben. Der Katamaran hinter uns lichtet den Anker und macht mehr Platz.

Kurz vorher waren wir an Bord zurückgekommen, der Wind frischte schon auf dem Weg zum Clipper immer mehr auf, bis er schließlich mit stolzen 25 Knoten durchs Ankerfeld wehte. Wer jetzt nicht gut fest war, macht sich unversehens auf die Reise, wie diese mittelgroße Segelyacht.

Im letzten Blogpost hatte ich geschrieben, wie unsicher ich mir über den Halt des eignen Ankers war, in erster Linie wegen der kurzen 23 Meter Kette, die ich mich wegen der Nachbarn nur getraut hatte zu stecken. Noch am Nachmittag hatte ich dann den eigenen Anker aber mal schwimmend inspiziert und das auch beim nächsten Nachbarn gemacht, von dem ich wissen wollte, wie lang seine Kette ist. Mit dem Ergebnis war ich ganz zufrieden. Unser Anker war perfekt eingegraben, die Kette lag gut über den Grund und ich konnte noch zusätzliche 6 Meter Kette geben, was mir jetzt noch ein großes Extra an Sicherheit gab. Bei 5 Metern Wassertiefe hatten wir nun fast 30 Meter Kette draußen, was war schon ganz O. K., solange der Anker vernünftig eingegraben war, wovon ich mich ja überzeugt hatte. So nah hatte ich noch an niemandem vorher vor Anker gelegen. Daran muss ich mich auch erst mal gewöhnen.

Die nervenaufreibenden zwei Stunden der Suche nach dem richtigen Ankerplatz waren doch gut investierte Zeit und der immer neue Versuch, den Anker zumindest richtig einzugraben und mit ordentlich Umdrehungen der Maschine im Rückwärtsgang auch zu testen, zahlt sich jetzt aus.

Die treibende Yacht verliert sich im Dunkel der Nacht und gerät so aus unserem Blickfeld. Wir wissen nicht, wo sie geendet ist. In der Richtung ist entweder der Wellenbrecher der Marina oder etwas daran vorbei der Strand, etwas weiter weg. Unser Nachbarboot, dessen Kettenlänge ich schwimmend inspiziert hatte, ist unter diesen Umständen nun doch noch weiter weg, da geht noch mehr! Ich gönne uns in Anbetracht des Erlebten also erneut ein paar zusätzliche Meter Kette und reize den Platz richtig aus. Der Katamaran hinter uns kommt nach einer Ehrenrunde zurück und legt sich wieder an seine alte Stelle. Der Wind hat sich zwischenzeitlich wieder gelegt und wir tauschen rufend die Information zu unseren Kettenlängen aus. Er: Wie lange ist deine? (Aha! Offensichtlich ein Schweizer!) Ich: 35 Meter. Er: Meine auch! O. K., das wäre geklärt, da kommen wir uns beim schwoien nicht in die Quere. Die Doppeldeutigkeit wird mir gerade beim Aufschreiben bewusst, ich fürchte, ich grinse jetzt ziemlich dämlich.

Eigentlich erst für zwei Uhr nachts sind draußen, jenseits der Bergkette, 44 Knoten Wind für etwa eine Stunde vorhergesagt. War es das jetzt bereits? Wir gehen ins Bett und versuchen zu schlafen. Wenn es wieder losgeht, bekommen wir das sicherlich mit. Um 01:30 Uhr geht es erneut los, schade! Wir stehen beide auf, machen alles klar, um im Notfall die Maschine sofort starten und den Anker einholen zu können. Die Böen kommen jetzt noch mal mit 7 Knoten mehr. Unheimlich!

Ich schalte das Radar ein und so überwachen wir mit der Technik und dem Fernglas aufmerksam und misstrauisch unsere vor Anker befindlichen Nachbarn in Luv, auf dass sich dort niemand löst und auf uns zukommt. Der Ankeralarm würde uns sofort warnen, wenn wir uns selbst zu bewegen begännen. Anderthalb Stunden verbringen wir so im Cockpit, als würden wir hoch konzentriert auf der Stelle fahren und tun das in einer Weise auch, sind sofort bereit einzugreifen, falls es erforderlich werden sollte. Unser Schweizer Nachbar achteraus ist ebenfalls wieder auf Station, ich sehe ihn auf seiner Flybridge sitzen. Es frischt schließlich auf 32 Knoten auf, wir sehen aber niemanden mehr treiben, bis ich zwei Lichter bemerke, die zu nahe beieinander sind.

Da ist einer auf einen anderen getrieben, ein Schlauchboot von einem benachbarten Dritten ist vor Ort, man leuchtet den Schaden aus, der offenbar entstanden ist und hält sich erst mal gegenseitig fest, liegt mit zwei Booten an einem Anker. Nach 30 Minuten trennen die sich wieder und versuchen ihr weiteres Glück unabhängig voneinander.

Gegen 04:00 Uhr flaut es endlich deutlich ab, wir gehen zurück ins Bett und schlafen in dem nun frisch durch gepusteten Boot. Wenn schon viel Wind vorhanden ist, dann soll er auch die Hitze aus dem Innenraum hinausblasen. Erst am kommenden Morgen entdecke ich die Sauerei! Der Clipper ist nicht mehr nur von den Überfahrt salzverkrustet, sondern sieht schon wieder aus, wie einmal durch eine Schlammpfütze gezogen. Nachts waren auch ein paar Tropfen Regen dabei, die anscheinend mehr aus Sand, als aus Wasser bestanden. Manche davon drangen auch nach innen und luden ihre Fracht dort ab.

Das muss jetzt, zumindest außen, erst mal so bleiben. Wir haben unsere Feuertaufe vor Anker hier bestanden und ich bin sehr zufrieden, wie der Anker hält. So kann ich das Boot auch mal länger dort liegen lassen, wir sind in der großen Bucht nach allen Seiten sicher, der Anker hält und wir müssen keinen Cent für eine Marina bezahlen. Nur mal eben das Boot abspritzen und reinigen geht eben nicht. Wir müssen nun Wasser sparen. Jetzt heißt es aber erst mal, die Insel zu erkunden.

Malle

Ursprünglich war geplant, nur zwei Tage auf Mallorca zu bleiben. Wir leihen uns ein Auto und vor allem Filip ist überrascht, wie schön die Insel ist. Wir verlängern und aus zwei Tagen wird eine komplette Woche, in der wir einen regelrechten Besuchsmarathon absolvieren. Morgens wird das Clipperchen immer im Bälleparadies für Schlauchboote abgegeben, …

…wonach wir dann den ganzen Tag über die Insel düsen. Ich war ja bereits drei Mal auf der Insel, zweimal mit der Marine und einmal mit zwei guten Freunden als Pauschalurlauber. Das ist alles sehr lange her und ich fürchte, das Programm damals hatte deutlich andere Schwerpunkte.

S‘Arenal bleibt dieses Mal jedenfalls links liegen und wir erschließen uns viel vom wunderschönen Rest der Insel. So gehe ich das erste Mal bewusst durch die Altstadt von Palma de Mallorca und werde mir ihrer Schönheit, aber auch der Existenz von viel Schickimicki dort bewusst.

Wir besuchen die touristischen Highlights, wie die del Drach Höhle, in der wir das kleine Konzert eines Terzett erleben, dass auf einem Boot über den unterirdischen See gefahren wird, während sie klassische Musik spielen.

Mit vielen Stränden, Musen und Orten machen wir uns bekannt und lernen die Insel ein gutes Stück weit von ihrer Besten Seite kennen.

Wir laufen gerade zum Abendessen, bleiben an einem Restaurant stehen, dass eine besonders schöne Aussicht auf das Ankerfeld hat und fangen an, die Speisekarte zu prüfen. Da höre ich Filip Hallo Petra ?! und ein paar weitere Sätze auf Slowakisch sagen. Es ist eine Bekannte aus seinem Heimatdorf in der Ostslowakei, die er von Kindesbeinen an kennt und die hier in diesem Restaurant arbeitet und gerade an dem Tisch bedient, der der aufgestellten Speisekarte am nächsten ist. Er wusste nicht einmal, dass sie in Spanien lebt, geschweige denn auf Mallorca und dann auch noch in genau dem Ort arbeitet, in dem wir unseren Anker geschmissen haben. Die Welt ist ein Dorf und manche Zufälle sind einfach schwer zu verdauen. Wir hätten auch einfach eine Straße vorher abbiegen, sie eine andere Schicht an dem Tag haben können oder oder oder….. Die beiden verabreden sich für später, sie hat jetzt absolut keine Zeit.

Bevor wir nach Menorca weiter fahren, müssen wir noch dringend Wasser tanken, denn keine der Häfen auf Menorca hat die Kapazität uns aufzunehmen. Außerdem sieht der Clipper grauenhaft aus und benötigt dringend eine Dusche. Kurzum, wir müssen hier wenigstens einen Tag in die Marina. Derer gibt es zwei vor Ort in unserer Bucht. Die eine ist der örtliche Yachtclub und man ruft für die Nacht luxuriöse Preise von über 70 EUR auf, was allerdings nicht bedeutet, dass man den Pool der elitären Gesellschaft ebenfalls nutzen darf!

Der andere ist von der staatlichen Ports Islas Baleares, oder kurz portsib.es und soll bezahlbare 35 EUR die Nacht kosten. Ich versuche erst über deren Webseite zu buchen: Voll!! Mir wird ganz mulmig. Wenn wir kein Wasser bekommen, können wir nicht weiter fahren. Vielleicht an der Tankstelle der Marina betteln? Oder doch die teure Marina?

Am Morgen vor der geplanten Abfahrt gehe ich in das Hafenbüro von portsib. Ich denke mir, dass wenn ich in Persona vorstellig werde, es vielleicht einen Unterschied macht zu einem unpersönlichen Buchungssystem. Man bedeutet mir, dass ich mich gegenüber beim Hafenmeister melden soll. Nur der vergibt kurzfristige Plätze. Aha! Es geht also vielleicht doch!

Ich fahre mit dem Dinghy zum Hafenmeister. Der sagt mir freundlich, dass er noch Platz hat, aber keine Reservierung annimmt. Ich müsste schon mit dem Boot kommen, um den Platz einnehmen zu können. Ich fahre zurück zum Clipper und warte nun sehr dringend auf Filip, der sich gerade mit seiner Bekannten trifft und überlege, ob ich es allein machen soll. Der stetig zunehmende Wind hält mich aber davon ab. Eine zusätzliche Hand werde ich beim Andocken sehr gut gebrauchen können. Ich arbeite in der Wartezeit ein wenig am Computer, mache ein paar Telefonate. in den letzten Tagen hatte ich immer wieder Urlaub genommen, da mich Mallorca dann doch sehr beansprucht hatte. Jetzt kann ich mich damit ablenken, während ich auf Antwort von Filip auf meine Textnachricht warte. So richtig stören will ich die beiden nicht. Ich lasse es bei der Nachricht.

Die Antwort kommt dann auch 1,5h später und ich fliege zum Dinghydock, um ihn abzuholen und ihm die Situation zu erklären. Wir verstauen das Clipperchen so schnell es geht und gehen Anker auf. Ich höre schon, wie ein anderes Boot sich gerade ebenfalls beim Hafen angemeldet hat. Schnappt der uns jetzt den letzten Platz weg? Filip fährt und gibt Gas. Wir fahren in den Hafen und sind mittlerweile drei Boote, die um einen Liegeplatz bitten und im Hafenbecken bei jetzt doch 10-15 Knoten Wind treiben. Ganz blöde Situation.

Warum kommen wir denn jetzt alle auf einen Haufen? Vor einer halben Stunde wären wir noch allein mit unserem Ersuchen gewesen. Erst wird der vor uns treibende Franzose untergebracht. Dann bekommt der hinter uns eingelaufene Spanier seinen Platz. Ich versuche, nicht von einem Bein auf das andere zu springen, während wir auf die erlösende Handbewegung des Marinero warten, der uns hoffentlich auch zu unserem Liegeplatz winkt. Diese kommt! Wir belegen sehr erleichtert unseren Platz.

Beim Einlaufen sieht Filip, der offenbar dieser Tage einen Lauf hat, die kanadische Yacht New Vision, mit dessen Eignern er in La Linia bei Gibraltar Freundschaft geschlossen hatte. Die Frau ist gebürtige Tschechin, hatte das Land noch zu Sowjetzeiten verlassen und war nach Kanada ausgewandert. Wir haben die Slowakische Flagge für Filip unter der Backbordsaling, die New Vision zeigt dort die Tschechische Flagge. So hatten die beiden sich in La Linia gefunden. Filip hat seitdem nicht mehr mit den beiden geschrieben, hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden. Somit war auch keine Koordination möglich, falls man in der Nähe zueinander wäre. Das kann es sich nun auch sparen. Die beiden waren eine Stunde vor uns angekommen und wir verabreden uns für den Abend auf der New Vision.

Filip geht einkaufen, ich putze das Boot innen und außen, fülle unseren Wassertank auf, helfe noch einer deutschen Chartercrew, neben uns längsseits zu gehen, wonach dann der Hafen auch endgültig voll ist. Wir bringen anschließend den Leihwagen zurück zum Flughafen, fahren mit dem Bus zurück zum Boot und verbringen den Abend sehr angenehm mit Robert und Petra aus Montréal auf ihrem Boot. Ein wirklich voller Tag!

Unsere folgenden Reisepläne werden nun vom Wetter diktiert. Am Dienstag, 28.6. sollen wir eine Wetterlage haben, die uns komfortabel mit halbem Wind nach Menorca pustet. Dort möchten wir uns ausschließlich in Ankerbuchten aufhalten, je nach Situation den Clipper auch am Anker allein lassen, um Menorca so gut es geht kennenzulernen. Viel Zeit dafür haben wir nicht, denn Ende der Woche kommt das nächste Wetterfenster, dass uns nach Sardinen bringen muss. Mitte Juli machen dort zwei Freunde, Jens und Mathias aus Stuttgart Urlaub und wir wollen vor Ort sein und das in irgendeiner Form gemeinsam machen. Um den Termin nicht zu verpassen, muss die nächst beste Wettergelegenheit genutzt werden, um die 215 Meilen (ca. 346 km) zu schaffen und diese kommt diese Woche!

Seekrankheit und Scopolamin

Ich hatte aus Deutschland Scopolamin Pflaster gegen Seekrankheit mitgebracht. Einmal hatte Filip die bereits ausprobiert, als es ihn allerdings längst erwischt hatte. Es ging ihm dann zwar irgendwann besser, der Erfolg war aber nicht besonders greifbar. Nach seinem letzten Tief während der Überfahrt nach Mallorca, das immer auch unser Tief ist, ist das jetzt ein wenig wie der letzte Strohalm. Die Tabletten nimmt er immer erst, wenn es bereits angefangen hat und die Not schon groß ist, da die Nebenwirkung der Schläfrigkeit ihn geradezu ausknockt. Wir haben ein Akkupunktuhrband, das vielleicht hilft, vielleicht auch nicht, wir wissen es nach der ersten Nutzung noch nicht. Jetzt verabreiche ich Filip jedenfalls in der Nacht vor dem frühen Auslaufen ein Pflaster hinter das Ohr. Das darf dann seine Wirkung dort entfalten, bis es am Morgen losgeht.

Die Übelkeit der Seekrankheit wird durch eine Überproduktion von Histamin verursacht. Das Histamin wiederum entsteht durch den Stress, der gegenläufigen Sensorinformationen von Auge und Gleichgewichtsorgan. Reisetabletten sind Antihistaminika. Sie verhindern also die Produktion von Histamin und haben den massiven Nebeneffekt, dass man einfach nur noch schlafen will. Die Pflaster funktionieren anders. Das Scopolamin ist im Grunde ein Gift, dass sich an die Rezeptoren für das Histamin hängt und dessen Aufnahme blockiert. Der Körper produziert also seine Überdosis an Histamin, das Gehirn pfeift aber drauf, da es davon nichts mitbekommt. Das ist eine Stufe härter, deswegen verschreibungspflichtig (auf keinen Fall zum Beispiel bei niedrigem Blutdruck anwenden), bringt uns aber nun den dringend benötigen Erfolg!

Menorca

Wir verlassen morgens kurz nach 7 Uhr die Marina, lassen auch die schützende Bucht hinter uns und finden zwischen den Inseln eine recht ungemütliche See vor. Die Kombination von frühem Aufstehen, leeren Magen und dieser Art der Bewegung hätte Filip normalerweise innerhalb von Minuten jede Lebensqualität genommen. Super findet er das heute auch nicht, aber zu unser beider Erleichterung von einem deutlich neutralen Standpunkt aus, als sonst üblich.

Ziel auf Menorca war ursprünglich eine sehr touristische Bucht mit großem Hotel. Ich gehe, wie sich später herausstellt mit Recht, davon aus, dass es dort einen guten Internetempfang gibt. Den benötige ich, denn um 14 Uhr soll ich eine Präsentation halten. Aus dem Grund muss es auch so früh losgehen. Die Vorhersage und der Startzeitpunkt behaupten gemeinsam, dass die Strecke so bis 12 Uhr / 13 Uhr zu machen ist. Ich kläre am Montag noch ab, ob es dramatisch ist, falls ich das nicht schaffe. In dem Fall ist das zum Glück kein Problem, was mir dann gewaltig hilft, denn es passt natürlich gar nichts. Der Wind kommt viel zu weit aus Osten, sodass wir fast kreuzen müssen, wird früh schwach und verschwindet, kaum dass wir in die Landabdeckung kommen. Der Motor muss helfen und da keine Tankstelle mehr bis Sardinien auf dem direkten Weg liegen wird, darf er das nur bei sehr sparsamen, langsamen Umdrehungen.

Es zeichnet sich ab: Die Ankunft wird nicht um 13 Uhr, sondern um 19 Uhr erfolgen! Soweit zur Routenplanung auf Basis von Wetterinformationen im Mittelmeer. Wir entscheiden um. Da das nichts mehr wird, ist Internet nicht mehr so wichtig. Filip finden DEN Traumstrand auf Menorca und ich recherchiere die Ankermöglichkeiten dazu. Diese gibt es, es ist gerade mal eine Bucht vor unserem ursprünglichen Ziel und die spannende Frage ist jetzt nur noch: Ist dort noch Platz zum Ankern, wenn wir eintreffen werden, oder wird es schon voll sein? Später finde ich diesen Artikel zu dem Ort in einem Buchladen:

Wir erreichen unser Ziel und sind im Seglerhimmel. Es handelt sich um eine malerische Bucht mit zwei weißen Sandstränden und kristallklarem Wasser, wie wir es bis dahin noch nicht auf dem Boot erlebt hatten. Platz ist tatsächlich auch noch ein wenig und der Anker versinkt gut sichtbar auf den 10 Meter unter uns liegenden Grund. Ich schnorchele ein paar mal um den Clipper, Filip schwimmt direkt zu dem kleineren der beiden Strände und zurück. Am nächsten Morgen rudern wir noch am Vormittag mit dem Clipperchen zum Strand und machen eine Stunde Strandurlaub, besuchen gleich beide. Diese sagenhaft schöne Ecke von Menorca ist das Opfer ihres Erfolgs. Gerade der kleine Strand füllt sich immer weiter und wir fragen uns, wohin die Leute sich noch lagern wollen, die erkennbar alle noch auf dem Weg hinab sind.

Wir retten uns zurück auf das Boot, verlassen gegen Mittag diese traumhafte, aber nun recht volle Ecke und fahren nur eine Bucht weiter in die Cala Galdana, wo wir erneut den Anker werfen. Die Wettervorhersage ist O. K., der Anker hält gut, sodass wir uns entschließen, den Clipper hier allein liegen lassen zu können. Wir nehmen erneut das Clipperchen, verzichten wieder auf die aufwändige Ausrüstung mit Batterie und Motor und rudern erneut an Land, ketten den Kleinen an einer Brücke an.

Anschließend finden wir eine Mietwagenstation, die uns für stolze 150 EUR für zwei Tage einen kleinen Fiat überlasst. Für uns ist das die Eintrittskarte nach Menorca, sodass wir den Preis akzeptieren. Es folgen weitere anderthalb Tage Inselerkundung. Gerade für Filip ist das Eiland ein Eldorado der zeitgenössischen Kunst. Bereits in Barcelona hielt ich in einem Buchladen ein Reisemagazin in der Hand, das Menorca als Geheimtipp der Contemporary Art Szene beschreibt. Das ist tatsächlich so und auf der kleinen Insel tummeln sich eine ganze Reihe von neu eröffneten Galerien, teilweise von Weltrang. Über die Gründe für dieses kulturelle Angebot kann man nur spekulieren. Wir haben die Leute gefragt und man bekamen nur den Hinweis, dass es an den vielen Franzosen liegen könnte, die zunehmend Eigenheime auf der Insel erwerben und damit gegebenenfalls die Kaufkraft auf die Insel bringen, die für so eine Entwicklung Basis sein kann.

Wir besuchen ein prähistorischen Grabmal…

… und eine weitere beeindruckende Höhle…

sowie die Ortschaften Ciutadella de Menorca…

…und die Hauptstadt Mohan. In Mohan gibt es noch die Besonderheit, dass sich zwei der dort ansässigen Marinas auf Steginseln befinden, auf denen man sogar teilweise Wasser und Strom hat. Man benötigt allerdings das eigene Dinghy, um von dort in die Stadt zu kommen. Ich hätte das gerne gemacht, aber auch dort wollte man uns nicht aufnehmen:

Wir kosten die Insel bis zur letzten Minute aus. Höhepunkt ist die Galerie von Hauser & Wirth, sonst ansässig in Zürich, London, New York und nun auch auf der Insel Illa del Rei im Hafen der kleinen Insel Menorca. Neben der Galerie gibt es hier auch noch das gut erhaltene alte britische Militärkrankenhaus und ein tolles Restaurant mit einer überwältigend lauschigen Atmosphäre.

Die Überfahrt

Ursprünglich sollte sich der Wind für Sardinien am Freitagmorgen einstellen. Es handelt sich dabei um eine sehr zahme Version des Mistral, der bei einer bestimmten meteorologischen Konstellation aus dem Rhônetal heraus pustet und im Winter meist sehr giftig über das halbe Mittelmeer stürmt. Unsere zahme Sommerausgabe stellt sich, der letzten Prognose nach, etwas früher ein als gedacht und damit zählt nun jede Stunde. Ich möchte den Wind von der ersten Minute an nutzen, da wir für die 180 Seemeilen 1,5 – 2 Tage benötigen werden, der Wind aber gegen Ende der Überfahrt stark abnehmen wird und wir dann den Rest nur noch mit der Maschine machen können. Die Maschinenzeit möchten wir beide so gering wie möglich halten, was es nun notwendig macht in See zu stechen, wenn andere gerade müde ins Bett gehen.

Wir kommen gegen 2230 Uhr an Bord an, machen den Clipper direkt für die Fahrt fertig und um 2250 Uhr gehen wir Anker auf. Im Windschatten Menorcas haben wir zunächst ausgezeichnete, beschauliche Bedingungen, die zunehmend rauer werden, als wir auf die offene See hinaus kommen. Es stehen dort 25 Knoten und eine für das Mittelmeer typische eher kurze Welle von vielleicht 1,5 bis 2 Metern Höhe. Unangenehm, aber beherrschbar. Filip schicke ich um zwei Uhr ins Bett, meinen ersten Schlaf finde ich gegen 4 Uhr, da ständig was am Boot zu tun oder Verkehr zu überwachen ist. Dafür darf ich morgens etwas und dann noch den halben Nachmittag schlafen, während Filip, fit wie ein Turnschuh und frei von jeder Seekrankheit, auf Wind und Verkehr aufpasst. Wir hatten nachmittags vor der Abfahrt wieder ein Scopolaminpflaster an ihm angebracht, das nun erneut wirkt. Unseren schlimmsten Konflikten in See, deren Nährboden die Seekrankheit war, ist damit erst mal die Grundlage entzogen und diese Pflaster ermöglichen uns beiden eine neue Lebensqualität auf dem Transit. So genießen wir die Zeit auf dem Meer, Sternenhimmel und Sonnenaufgänge. Also, ich genieße. Filip kann es nun aber als Notwendigkeit, die der weitestgehend emissionsfreie Ortswechsels mit sich bringt, gut ertragen.

Wir machen zwischenzeitlich ganz tolle Fahrt bei herrlichem halbem Wind und kommen hervorragend voran. Ich sitze wieder viel im Cockpit, um der vorbei rauschenden See zuzusehen und die Kraft unserer Bewegung zu spüren, die sich allein aus dem Wind speist.

Wind und Welle werden aber, wie angekündigt, immer friedlicher. Wir enden am letzten Morgen mit beschaulichen 7-10 Knoten Wind, rund 50 Meilen vor der kleinen Isola di San Pietro. Ein, aus meiner Sicht, völlig unbedeutendes und allgemein unbekanntem Eiland (wie sehr sollte ich mich hier irren sollte) vor Sardinien, das ideal geeignet ist anzulanden und auf neuen Wind zu warten. Petrus ist hier der Namensgeber, der, der Legende nach, vor Ort strandete und den Einheimischen das Fischen von Tunfisch beibrachte.

Ich hatte damit gerechnet, die letzten Stunden nur noch mit dem Motor weiterzukommen. Tatsächlich hilft uns aber erneut das Code Zero, das bei selbst 50° zum Wind noch 3 – 4 Knoten Vortrieb generiert. Perfekt! Schneller wäre ich mit dem Motor auch nicht gefahren. So schön kann Segeln sein.

Durch unsere früher Abfahrt, geplant war ja der Freitagmorgen, kommen wir am frühen Samstagabend an. Statt in die Marina zu fahren und weitere 50 EUR für die Nacht auf den Tisch zu legen, suche ich eine schöne ruhige Bucht aus, in die wir uns in der Nacht vor Anker legen.

Ein kurzer Besuch am Strand lässt uns erstmals auf der Reise italienischen Boden betreten. Die ziemlich strapazierte spanische Gastlandsflagge hatte ich unterwegs gegen die neue Italienische ausgetauscht, die nun ihren Dienst an der Steuerbordsaling versehen darf.

Wir genießen den Abend und unsere Ankunft aus vollen Zügen, kochen gemeinsam und essen zu den Klängen von Chopin auf einer fast völlig ruhiger See. Ich genehmige mir in der lauen Abendluft ein Ankerbier an Oberdeck, das zu unserer Verzückung ohne Schnaken bleibt. Machen wir doch noch unseren Frieden mit dem Mittelmeer? Wir finden jedenfalls nun dessen Schönheiten und lernen sie zu schätzen.

4 Gedanke zu “Von Mallorca über Menorca zur Isola San Pietro / Sardien (IT) – Traumreisen im Mittelmeer”
  1. Sehr cool! Hoffentlich fahrt ihr noch lange und ich komm euch mal für einen Tag besuchen. Erzähle immer von Eurem „Boat-office“ 🙂

    Bleibt Gesund und LG aus Berlin (Familitrip mit Austauschkind aus F)

  2. So cool. Ihr werdet tag für tag mehr zu profis. Gratuliere! Wir werden auf Euren Spuren folgen. Falls ihr an Porto Scuso vorbeikommt, schaut mir doch bitte mal rein. Ist einer meiner Kandidaten für ein Winterquartier. Ja, erst Juli, und schon an den Winter denken ….
    Liebe Grüsse aus Südfrankreich, the Balena-Crew

    1. Porto Scuso ist hier ja genau gegenüber. Schau mal nach den Kritiken auf Navily für den Hafen. Denke der ist ok, nicht viel mehr, aber auch nicht weniger. Die Jahrespreise sind hier alle recht günstig bei ca 2.800 EUR. Musst dir mal ein Angebot über deren Webseite für die Winterzeit holen

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