Sonntag, 22.11. bis Montag, 23.11.2020

Ich hatte vor, wenigstens am Ende des Weges an die Algarve mal einen Abschnitt zu segeln, der so langweilig, vorhersagbar, gelungen, fehlerlos und ereignislos ist, dass ich für den Blog nicht weiß, was ich schreiben soll. Das sollte mir fast gelungen, tat es gegen Ende dann aber doch wieder nicht.

Wir brechen jedenfalls erst mal erneut in Begleitung der Miss Sophie auf, die uns ein Stück des Weges begleiten wird. Während wir bis Lagos durchfahren, werden Markus und Diana nur Tagestouren machen und noch zwei weitere Stopps bis Lagos einbauen. Da das keine Wind-, sondern eine sehr crewoptimierte Planung ist, werden die beiden am Ende ihres Turns etwa 3 Stunden gesegelt sein, während wir etwa 3 Motorstunden zu verzeichnen haben werden. Wir nutzten fast jedes verfügbare Lüftchen.

Unter der Brücke des 25. Aprils machen wir noch eine kleine Fotosession mit dem Clipper und der Miss Sophie. Ich glaube, Segelboote sind eitel.

In Begleitung der Miss Sophie segeln wir den Tajo hinunter
So sah das von der anderen Seite aus

Wir setzten recht bald nach der Brücke die Segel und stellen den Motor ab, während Miss Sophie unter Maschine davon zieht. Beide kommen wir dabei in ein Regatta Feld, das hart am Wind den Fluss hoch kreuzt. Ich sehe Markus weiter vorne, wie er unter Motor natürlich allen ausweichpflichtig ist und im Zickzack Kurs unter Hartruderlagen Platz machen muss. Wir segeln auf Vorwindkurs und ich sehe zu, dass ich das Groß auf Backbord lasse. So dürfen wir, zumindest den Ausweichregeln nach, meistens die Rolle des Kurshalters einnehmen. Natürlich fahre ich nicht stur gerade aus, sondern helfe ein bisschen mit, sodass meine Kontrahenten gut an mir vorbeikommen, ohne ihre Höhe zu verlieren. Damit sollte meine Anwesenheit für niemanden einen Nachteil bedeutet haben.

Knapp wird es im Regatta Feld aber doch ab und zu

Wehmütig schaue ich noch mal auf die Stadt zurück, als wir aus der Flussmündung auf den Atlantik hinaus fahren und über Backbord ein letztes Mal nach Süden abbiegen.

Machs gut Lissabon.

Der Atlantik empfängt uns von seiner lieblichsten Seite und möchte wohl was gut machen. Das darf er. Es wird ein äußerst beschaulicher Nachmittag und wir wissen, dass wir auf diesem letzten Abschnitt über jeden Hauch an Wind froh sein müssen. Die Vorhersage erfüllt sich recht präzise, dass der Wind endlich mal von Osten kommt und recht bald auf Nord dreht. Es gibt so gut wie keinen Schwell und so bleibt das insgesamt auch Sonntag und Montag. Der Dienstag wird dann kaum noch Wind haben und für Mittwoch kündigt sich mal wieder ein zünftiger Frontdurchgang an.

Hier ist noch Ordnung zu machen

Ich mache mir erst mal einen Kaffee, lasse mich bei warmem Sonnenschein im Cockpit nieder, schreibe meine letzten Logbucheinträge, die ich seit Tagen vor mir herschiebe, bevor ich mich ans Leinen-Aufräumen mache.

Dann kommt der Arbeitslaptop zum Vorschein, den ich repariert in Lissabon wieder in Empfang nehmen konnte, nachdem ich den in La Coruna wegen eines Festplattendefekts nach Mainz schicken musste. Danke noch mal an Oli in Mainz und Marco in Lissabon für die Unterstützung!!

Das ist mal ein Arbeitsplatz

Der Wind wird schwächer, dreht gemäß Vorhersage auf Nord. Mal reicht es noch für 4-5 Konten durch Wasser, mal dümpeln wir mit 1-2 Knoten dahin. Nur eine Stunde verliere ich die Nerven und fahre uns unter Motor in besseren Wind, raus aus der Landabdeckung. Die übrige Zeit versuche vor allem ich mich locker zu machen und den schwachen Wind zu nehmen wie er ist. Filip ist das eh egal, wie schnell wir sind. Es ist jedenfalls gemütlich.

Beschaulich geht es im Decksalon zu
Das Arbeiten nicht mehr gewohnt? Mittagsschlaf…..
Mittagessen kochen war bei den Verhältnissen kein Problem

Nachdem der Wind fast verschwunden war, dann auf Nord drehte und fortan sehr zuverlässig aus der Richtung weiter leicht pustete, machte ich mir die Arbeit und baumte das Code Zero aus. So blieb das dann auch bis weit in die Nacht rein. Fast schon Zustände, wie im Passat. Ich wähnte mich meinem Ziel, mal einen ereignislosen und langweiligen Törn hinzulegen, recht nahe.

Mit ausgebautem Code Zero geht es über viele Stunden auf Vorwindkurs dahin

Es kam die Nacht, wir teilten uns in 4 Stunden Schichten auf und schliefen beide vernünftig. Mitunter machten wir bei 8-11 Knoten Wind 5 bis 6 Knoten durchs Wasser. Was will man mehr? Na ja, gewünscht hätte ich mir vielleicht doch Strom mit uns, statt 1-2 Knoten gegen uns und beständig war der Wind so auch nicht. Er ließ auch mal auf weniger als 5 Knoten nach, was sich dann kaum noch in Fahrt umwandeln ließ.

Der Mond leuchtet uns sehr lange in dieser Nacht

Die Nacht war jedenfalls ruhig. Keine Fischer, keine Fischernetze. Ich fuhr bewusst erst mal nahe an der Schifffahrtsroute entlang, um diesen zu entgehen. Gegen morgen schlief der Wind dann erneut ein, wie er das am Nachmittag des Vortages schon einmal gemacht hatte. Danach kam er wieder aus östlicher Richtung zurück und ich orientierte mich jetzt nun immer weiter zur Küste und auch immer weiter am Wind, um nach der Rundung des Caps von Sao Vicente nicht zu viel kreuzen zu müssen.

Der Morgen graut

Dann kam der Morgen. Der Wind in der Nacht sah es zwischenzeitlich mal so aus, als könnten wir sogar schon nachmittags in Lagos sein. Da er sich aber nun morgens bereits entschloss immer genau aus der Richtung zu kommen, in die wir wollten und wir versuchten, es ohne Mogeln mit dem Motor nach Lagos zu schaffen, wurde draus nichts. Wir verbrachten den kompletten Tag damit, so hoch am Wind wie möglich um dieses Kap Sao Vicente und Kap Sagres herumzukommen. Wir waren einfach langsam und ich machte große Kreuzschläge in der Küstenverkehrszone zwischen dem Kap und dem riesigen Verkehrstrennungsgebiet, das mit 5 Fahrspuren davor lag und für uns natürlich Tabu war. Auch die See war jetzt spürbar bewegter. Das ganze Seegebiet hier unten ist nicht ohne und wir können im Prinzip froh sein, die Ecke so friedlich umrundet zu haben.

Alles in diesem Bild sind Hart am Wind Kurse, die nur selten auch nur 5 Knoten brachten.

Wir gingen so in die zweite Nacht hinein. Ankunft sollte am Ende des letzten langen Kreuzschlages gegen Mitternacht sein. Ich hatte allerdings Abendprogramm. Ein Seminar, dass ich bei Blauwasser.de gebucht hatte, stand an. Wir hatten die ganze Zeit über Internetempfang, also nahm ich daran teil. Filip bekam in der Zeit einen Anruf von zu Hause, telefonierte und bekam von der folgenden Aktion nichts mit, obwohl er sich nur drei Meter entfernt aufhielt:

Ich behielt das Boot während des Vortrags natürlich im Auge und entschloss mich, als es eine Wende brauchte, das mit den Airpods im Ohr gerade mal so zwischendurch zu machen. Die Tür zum Cockpit war zu, die Verhältnisse trotz etwas kabbeliger See und einiger Lage eher ruhig. Ich öffnete die Tür ins Cockpit, drückte sie in die Offenstandsverankerung, die die Tür schon in deutlich zünftigeren Verhältnissen offen gehalten hatte, ohne dass man sie arretieren musste, um ins Cockpit zu gelangen.

Doch, dieses Mal nicht. Das Schott kam mir im Dunkeln wieder entgegen und schlug mir, ich kann es gar nicht anders schreiben, in einer Art und Weise in die Fresse, dass ich mich erst mal eine Weile setzen musste.

Nachdem ich mich genügend gesammelt hatte, machte ich die Wende und brachte das Ende des Seminars hinter mich, das so gut wie vorbei war. Dann begutachtete ich meine Stirn und die sich ausbildende Beule nebst Wunde. Filip war mit telefonieren fertig und ich teilte meine jüngsten Erlebnisse, wonach wir erst mal da Blut wegwuschen um zu schauen, ob das ein Cut oder nur eine Abschürfung war. Es stellte sich als kleine Abschürfung heraus, sodass da nichts weiter unternommen werden musste. Irgendwann fragte ich Filip, ob er meine Brille irgendwo gesehen hätte. Ich hatte diese mehrmals am Tag irgendwo hingelegt, da die auf See immer sehr schnell dreckig wird und oft mehr stört als hilft.

Was folgte war die längste und gründlichste Durchsuchung, die das Boot seither erlebt hatte. Die Brille blieb verschwunden. Ich kann nicht mal sagen, wann ich sie das letzte Mal aufhatte. Es ist zermürbend, wenn man das vierte Mal an einer Stelle nachschaut, die dreimal vorher schon keine Fundstelle war, weil man einfach nicht akzeptieren will, dass das Ding weg ist. Die Theorie ist, dass die Brille bei der Sache mit der Tür im hohen Bogen über Bord ging. Dass es so war, kann ich immer noch nicht wirklich glauben, aber das bringt das Ding auch nicht wieder zurück.

Gegen 21 Uhr hatten wir unseren Kurs ein letztes Mal geändert und fuhren nun endlich auf Lagos zu. Ich hatte einiges an Weg nach Süden investiert, um nach der Wende Richtung Norden mit diesem letzten Kurs nun endlich ans Ziel zu gelangen. Was macht der Wind nur einige Minuten später? Er dreht von Ost auf Nord-Nord-Ost und blies damit mal wieder exakt aus der Richtung, in die wir gerade wollen. Die zuletzt gesegelten Stunden, um in diese günstige Position für den letzten Schlag zu kommen, waren nun völlig vergebens gewesen. Ganz schlechtes Windrouting. Wir hatten nun eine so miese Ausgangslage, dass wir bei weiterem Kreuzen bis morgens um 6 Uhr gebraucht hätten, um nach Lagos zu kommen. Ich war mit den Nerven etwas am Ende.

Natürlich hätte man mit der richtigen Einstellung sagen können, dass das nun eben so sei und es nehmen wie es ist. Ich hatte aber am kommenden morgen eine recht wichtige Telefonkonferenz, die ich, wenn irgend möglich, nicht völlig übermüdet wahrnehmen wollte. Auch wenn das jetzt für dieses Jahr die letzten Stunden auf See sein sollten, ich hatte erst mal genug. Wir gaben auf, schmissen die Maschine an und fuhren auf direktem Weg nach Lagos.

Reviernavigation wurde wieder wichtig, ich hatte gute Sicht und konnte die Behauptungen zur Position, die der Plotter aufstellte, mit Handkompass, Seekarte und den Feuern oberhalb der Steilküste schön bestätigen. Dabei sind wirklich beeindruckende Leuchtfeuer zu sehen gewesen.

Das ist zum einen das Feuer des Cabo de São Vicente selbst, das sein weißes Blitzfeuer alle 5 Sekunden mit einer Nenntragweite von 32 Meilen auf See schickt! Es ist damit das lichtstärkste Leuchtfeuer Europas. Zum Vergleich: Der Leuchtturm auf Helgoland hat eine Nenntragweite von 28 Seemeilen.

Die große Optik des Leuchtturms von Cabo de São Vicente
Vor dieser Küste hält man respektvollen Abstand. Die Aufnahme entstand bei einem Landausflug ans Cabo de São Vicente einige Tage nach Ankunft in Lagos

Etwas weiter östlich kommt dann das Feuer des Leuchtturms von Ponta de Sagres, das auch etwas Besonderes hat: Um sich gut von dem benachbarten Cabo de São Vicente zu unterscheiden, hat es ein kräftiges rotes Feuer rundum.

Leuchtturms von Ponta de Sagres
Auch unter diesem Leuchtturm kocht das Wasser

So geht es Richtung Hafen. Auf dem Weg schaute ich wieder fleißig Fernsehen und versuchte mit der IR Kamera Fischerbojen zu erkennen. Alles, was mir dabei vor die Linse kommt, sind Möwen. Die eine dieser beiden begleitete uns mindestens 10 Minuten. Fischerbojen habe ich erneut keine gesehen.

Was ich dann aber kurz vor der Hafeneinfahrt sah, war ein Punkt auf dem Radar, wo keiner sein sollte. Das Radar hatte ich mehr aus Spaß angemacht. Da die Sicht super war, brauchte ich es eigentlich nicht. Das kleine Fischerboot vor mir, dass völlig korrekt nur ein kleines weißes Rundumlicht zeigte, ging aber in den Lichtern der Straßenlaternen der Uferpromenade dahinter völlig unter. Ich hielt mich nun gut frei von ihm. Ohne das Radarbild wäre das allerdings deutlich knapper ausgegangen. Lehre daraus: Du hast das Ding, also nutzte es und spare nicht am falschen Ende Strom.

So ging es mal wieder zwischen Rot und Grün in die Hafeneinfahrt. Das grüne Feuer sah ich schon seit einiger Zeit. Das Rote erst im allerletzten Augenblick. Zuletzt hatte ich noch Filip gerufen, um mir beim Suchen danach zu helfen, sodass wir auch wirklich die Mitte der Einfahrt treffen, die man mal wieder nur schwer ausmachen konnte. So kamen wir in einem langen Kanal an, der schließlich zu einer geschlossenen Fußgängerbrücke mit einem Rezeptionssteg davor führte.

…fast geschafft

Ich war bedient. Es war hier ziemlich kalt geworden, ich hatte mich nicht richtig eingepackt, sodass ich recht steif war, als wir endlich gegen 1 Uhr anlegten. Wir machten fest und sanken einfach nur noch in die Koje. Der geplante langweilige und ereignislose Turn wird noch etwas auf sich warten lassen müssen.

Am nächsten Tag stand ich beizeiten wieder auf, duschte, trank Kaffee und aß eine Kleinigkeit, bevor ich mich für den restlichen Vormittag in Telefonkonferenzen begab. Filip tauchte gegen Ende derselben dann auch mal auf, er hatte reichlich ausgeschlafen. Ich gönnte es ihm, so ganz frisch war ich dann doch noch nicht und dachte bereits an ein Nachmittagsschläfchen. Was ein Leben!

An der Rezeptionspier vor der geschlossenen Fußgängerbrücke am Eingang der Marina

Nach getaner Arbeit meldete ich mich dann jetzt auch mal bei der Marina an, klärte, dass man hier auch für 1-2 Monate bleiben kann, fuhr durch die Klappbrücke, die sich für mich öffnete, und bezog unsere Box.

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