22.10.-20.11.2021

Lagos (22.10.-5.11.)

Nach einer Woche in Lagos schaue ich noch mal in die Wetterapps und werde neidisch:

Ein riesiges Tiefdruckgebiet schiebt gewaltige Mengen Luft über den Atlantik an Madeira vorbei in Richtung Iberischer Halbinsel. Traumhafte Bedingungen für drei Tage Rauschefahrt. Ich würde mich am liebsten zurück beamen und noch einmal losfahren. Aber wir sind nun mal bereits angekommen und ich habe meine Sonnenaufgänge in der Marina wieder, die ich hier im portugiesischen Lockdown vor einem Jahr so regelmäßig genossen hatte.

Lagos lebt, ist kaum wiederzuerkennen und pulsiert am Ende der Saison immer noch vor Touristen und Ausflüglern. Ich laufe mit einem ganzen Zettel von kleineren Anliegen zur Werft, die ich auf den Kanaren und Madeira nicht erledigt bekam. Dort hieß es ausschließlich Mañana. Alles unterwürfige oder nachdrückliche Betteln, doch bitte bedient zu werden, es half alles nichts. Man gab mir auf verschiedenen Inseln zwar immer mal wieder Hoffnung, blieb aber ansonsten eisern und konsequent untätig. Nur den Motorencheck hatte ich auf Gran Canaria hin bekommen. Ein epochales Ereignis, das sich wie ein Leuchtturm in der Retrospektive ausnimmt.

Da auf meiner kleinen To-Do Liste immer wieder etwas dazu kam, sind es jetzt doch eine Reihe von Dingen. Insbesondere der in Madeira abgerauchte Landanschluss für den Strom duldete wenig Aufschub:

Auf Madera hatten wir neben zwei Elektrokochplatten noch die Waschmaschine laufen. Der Inverter zog das von mir wahrscheinlich etwas zu hoch eingestellte Maximum über den Landanschluss, das der Steg sogar hergab, und nahm darüber hinaus noch etwas aus den Batterien, um die gesamte von uns abgerufene Leistung zur Verfügung stellen zu können. So weit, so fantastisch. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie sehr wir am Maximum operierten, allerdings fiel mir im Vorbeigehen am Statusmonitor in der Naviecke auf, dass die Batterien halb leer waren und glaubte erst an einen Stromausfall von Steg. Ich steckte am Steg den Stecker um und irgendwie kam der Strom dann wieder. Dass in Wahrheit das Metall einer Phase des Steckers am Boot, wahrscheinlich durch ein Kontaktproblem so heiß wurde, dass er mit dem umgebenen Plastik verschmolz, bemerkten wir erst, als wir den Stecker vor dem Auslaufen abziehen wollten. Damit waren wir ab Madeira elektrisch Selbstversorger und auch im Hafen auf das angewiesen, was wir selbst an Strom herstellen können.

Nach meiner Rückkehr von der Werft auf dem Boot staunte ich jetzt nicht schlecht. Die folgenden zwei Tage kommt für jeden der Punkte jemand vorbei, um sich ein Bild zu machen, es werden, wo notwendig, Dinge bestellt und ein Punkt nach dem anderen verschwindet von meiner Liste. Was für eine Erfahrung, nach der Service Wüste der Kanaren. Der Elektriker klemmt uns dann gleich provisorisch direkt vom Land kommend an der Verteilung im Boot an, sodass wir wieder vollen Strom haben. Auch wenn das Kabel statt außen an die Steckdose des Bootes, nun durchs Fenster und unter die Sitzgruppe im Salon führt, war das schon eine Heldentat.

Vor ein paar Tagen startete die Mini Transat Regatta in ihre zweite Etappe von La Palma über den Atlantik. Das wäre natürlich was gewesen, zu dem Zeitpunkt dort gewesen zu sein. Ein wenig haben wir das nun aber auch hier in Lagos mit dem Start der Class Globe 5.80, einer Klasse, die mir vorher gar nichts sagte. Es handelt sich um selbst gebaute Racer, deren Bauplan man kaufen kann, um das Boot für das Rennen im eignen Garten zu erschaffen. Eine explizite Low Cost Variante, die sich mit diesem Konzept gegen die Materialschlachten der großen Rennen abheben möchte. Spannend! Ein Interview mit dem Schweizer Teilnehmer Severin Hummer ist gerade in der letzten Yacht erschienen (Ausgabe 25-26/2021, Seite 72).

Die Woche vergeht. Ich arbeite im Vorschiff, Filip zieht seine Projekte durch und wir entwickeln unseren Lagos Alltag, bis das Wochenende kommt.

Alvor (6.11.-7.11.)

So unerreichbar weit war der kleine Ort Alvor im Lockdown, der direkt neben Lagos liegt. Jede Bewegung auf dem Wasser, die, wie insbesondere Segeln, den Anschein von Freizeitbeschäftigung hatte, war untersagt. Portugal ging damals durch sehr schlimme Zeiten. Man durfte segelnd nur das Land verlassen, was ich dann ja schließlich auch Richtung der Kanaren tat, sich aber auf diese Weise nicht innerhalb des Landes bewegen. Sich vor Anker in die Lagune von Alvor legen, einfach um mal etwas anderes hinter den Fenstern zu sehen, ging nicht.

Und genau das holen wir jetzt endlich nach! Ich habe die ganze Woche fast Vollzeit gearbeitet, Filip hat in seinen Projekten Gas gegeben. Das Wochenende gehört nun uns und es geht raus aus der Marina, um vor Alvor den Ankern zu werfen. Außerdem und insgeheim könnte es noch zu einem besonderen Abenteuer kommen, dass nun endlich in die Umsetzung gehen soll, nachdem ich dieses spezielle Vorhaben so oft bereits links liegen lassen musste, weil es immer ein Ziel in einer gewissen Zeit zu erreichen galt, dass zu viel Verweilen an einem geeigneteren Ort nicht erlaubte. Filip sage ich von dem Extra noch nichts…

Die Transitzeit ist extrem kurz. Nach Verlassen des Hafens von Lagos ist es gerade mal eine knappe gesegelte Stunde bis zur Einfahrt des Haffs von Alvor. Man gelangt in eine Art Binnensee, der von einem kleinen Fluss gespeist wird und über eine nicht zu breite Durchfahrt vom Meer erreichbar ist. Ich hatte sehr genau auf die Hochwasserzeit geachtet und zum Aufbruch gedrängt, denn das Haff ist flach. Ich möchte zwar nicht bei Höchststand des Wassers ankommen, sodass ich im Falle des Auflaufens mit der nächsten Flut auf jeden Fall wieder loskomme, doch genug Wasser will ich schon haben.

Im Sommer soll die Ankerbucht recht überfüllt sein und auch heute tasten wir uns zwischen den Ankerliegern durch. Mir fehlt einfach die Erfahrung und ein Gefühl, wie viel Platz ich mindestens lassen muss, um nicht beim Schwoien um den Anker einem Nachbarn zu dicht auf die Pelle zu rücken, auch wenn wir uns tendenziell natürlich alle ähnlich in Wind und Strömung um unsere Anker drehen. Nun, ich suche mir mit Hintergedanken ein recht freies Plätzchen zwischen den übrigen Booten und einem langweiligen Ufer zu Füßen eines herrschaftlichen Anwesens, den Blick auf den Tiefenmesser gerichtet, als der Anker fällt.

Ankommen, der Anker ist geworfen.

Ich fahre den Anker schön in den Schlick, wir machen uns Landfein und wollen in Alvor zu Abend essen. Das Dinghy ist vorbereitet und wir lassen den Clipper hinter uns zurück auf dem Weg zum Städtchen.

Ein ziemlich ungewohntes Gefühl, das Boot so zu verlassen, ohne dass es fest vertäut und sicher in einem Hafen ist. Was ist, wenn der Anker schliert und das Boot auf Küste oder andere Ankerlieger treibt? Ich bin hier noch nicht sehr abgebrüht und behalte eine gewisse Grundnervosität bei, während ich an Land bin.

Die nächste Herausforderung ist die Frage, wo wir das Dinghy lassen. Ggf. kann man damit, an der falschen Stelle festgemacht, stören und wir wollen keinen Ärger. Aber dennoch: Eine sichere Bleibe für das Gefährt, ohne das wir nicht zurück zum Boot kommen, benötigen wir. Wir finden eine Landungsbrücke, die auf einen Schwimmsteg führt und an dem bereits viele andere Schlauchboote einen Parkplatz gefunden haben. Da können wir nicht falsch sein, solange wir den Ponton des Schwimmstegs nicht blockieren und uns an der Brücke selbst fest machen, die zu demselben führt.

Wir binden unser Wassertaxi fest und nehmen ebenfalls noch das Stahlseil, das ich in Spanien von einem verschrobenen Eisenwarenhändler habe anfertigen lassen, und führen es durch Batterie, Motor und Brücke, sodass wir alles abschließen können. Damit sollte eine spontane Übernahme bei Gefallen durch Dritte zumindest ohne Hilfsmittel deutlich erschwert werden (wer fährt schon einen Generalschlüssel in Form eines Seitenschneiders auf Tasche, wenn er am Hafen entlang schlendert).

Ein genialer Sonnenuntergang setzt bald ein, ich mache ein Bild zurück, über eine Skulptur an der Promenade hinweg Richtung Sonne. Rechts im Hintergrund ist die flache Brücke zum Schwimmsteg, an der unser Dinghy festgemacht ist.

Das Örtchen ist am Ufer sehr touristisch, aber schön! Vor den Restaurants wird Fisch über Holzkohle gegrillt, der Duft geht einem angenehm in die Nase. Wir besuchen ein Restaurant in einer Seitengasse, die voll mit Bars, Clubs und anderen Restaurants ist.

Nach dem Essen und einem Rundgang durch den Ort kommen wir ein paar Stunden später wieder an der Landungsbrücke an und erleben einen absoluten Klassiker:

Die längst eingesetzte Ebbe hat bereits viel Wasser aus dem Haff herausfließen lassen und die ehemals flach zum Wasser liegende Bücke führt nun recht steil zu ihrem Schwimmsteg nach unten. Da wir das Dinghy nicht am Schwimmsteg selbst, sondern etwa an der Mitte der Brücke fest gemacht hatten, befindet es sich mittlerweile halb in der Luft, denn das Wasser ist nun um einiges tiefer. Das ist für einen Segler, der nicht nur die Gezeiten im Sinn, sondern auch diese Mechanik im Blick haben sollte, nicht nur peinlich, sondern auch für die Struktur des Schlauchbootes doof, da diese jetzt noch die schwere Batterie verkraften muss, die im Boot die Energie für den elektrischen Vortrieb des Außenborders bietet. Immerhin, die gnädige Dunkelheit der Nacht verhüllt unsere Schmach.

Wir bekommen das Dinghy vorsichtig und unauffällig los und ebenso wieder komplett zu Wasser. Alles funktioniert noch und wir machen uns im Dunkeln zurück zum Clipper. Das ist ein wenig gruselig, da nun durch die Ebbe Land zum Vorschein kommt, wo wir auf dem Hinweg noch über das Wasser fahren konnten. Das kann man im Dunkeln aber nur erahnen. Wir haben keine Taschenlampe dabei und versuchen so gut es geht, zwischen den Untiefen dem fahrbaren Wasser und den, in den tieferen Bereichen ankernden dunklen Schiffen, das unsere zu finden. Das gelingt uns dann schließlich auch, doch unser Clipper präsentiert sich in merkwürdiger Lage. Ich bin ganz aufgeregt, es geht los!!!! Ich setze den etwas irritieren Filip auf dem mit leichter Lage auf Grund stehenden Boot ab, schnappe mir unsere starke Taschenlampe und drehe mit dem Beiboot noch eine Runde um unser nun nicht mehr schwimmendes Tiny House.

Es vergeht noch einiges Zeit bei ein paar Brettspielrunden. Ich kann mich kaum konzentrieren. Wir stehen leider etwas schräg am Hang, das ist sehr ungewohnt. Nicht dass wir noch umfallen. Nach dem Spiel schaue ich draußen nach dem rechten und vom Bug im Licht der Taschenlampe die Ankerkette entlang. Da ist kein Wasser mehr! Wir sind komplett trocken gefallen. Ein Zustand, den man aufgrund unseres Kimmkiels problemlos einnehmen kann.

Nichts hält mich. Ich klappe die Badeleiter am Heck hinunter und steige trockenen Fußes auf den Meeresgrund hinab. Unserem Dinghy haben wir dieses Mal genügend Leine gegeben, es liegt friedlich da.

Ich umrunde das Boot, mache viele Bilder und freue mich wie ein Kind. Dann geht es ins Bett, das Wasser kommt bereits wieder zurück, sodass wir bald erneut aufschwimmen. Doch morgens gegen 4 Uhr werden wir beide von einem leisen Knirschen wach. Die Ebbe setzt uns bereits das zweite Mal sanft auf dem Meeresboden ab, dieses Mal kommen wir etwas gerader zum Stehen. Am kommenden Vormittag ergibt sich dann erneut folgendes Bild aus der Mittelkabine.

Draußen hört man Menschen reden und lachen. Völlig merkwürdig, sind wir doch vor Anker. Aber wir stehen nun mal wieder auf Grund und Einheimische sind in der Nähe, und sammeln vermutlich so etwas wie Wattwürmer.

Erneut steige ich hinab und mache die nächste Fotosession. Wann sieht man schon mal seinen schön eingegrabener Anker aus dieser Perspektive?

Hier ist es jetzt noch recht voll und belebt, wie muss das erst um Watt der Nordsee sein. Ich bin restlos begeistert. Ich stapfe hin und her, saue meine Hose ein. Später kommt Filip noch dazu. Am Ende habe ich mir neben der Hose auch die Schuhe noch in der Nacht schön verschlammt und nun zusätzlich die Seestiefel, die sich aber einfacher reinigen lassen. Das Wasser kommt wieder. Wir beginnen buchstäblich im Rhythmus der Gezeiten zu leben. Mit dem Dinghy zum Ort fahren geht nur mit genügend Wasser.

Es ist bereits Sonntag und am Montag habe ich weitere kleine Termine mit Handwerkern. Wir laufen ab Mittag noch mal durch den Ort, essen etwas und besuchen die wunderschöne Landschaft der Gezeiten, die wir um diese Jahreszeit fast für uns haben.

Zurück auf dem Boot verlassen wir mit ablaufenden Wasser das Haff und fahren unter Motor und gegen den Wind zurück nach Lagos. Sonst kamen wir dort immer im Dunkeln an, heute habe ich das exakte Gegenteil. Auf dem Foto kann man es nicht sehen, aber ich muss genau gegen die Sonne fahren. Es gibt immer wieder mal kleine Fischer auf offenen Booten in der Bucht, die man nicht überfahren darf. Die Sonne reflektiert aber dermaßen stark auf der Wasseroberfläche, dass auch eine Sonnenbrille keine Details direkt voraus erkennen lässt.

So fange ich an, in Richtung der Hafeneinfahrt unter Motor zu kreuzen, um nicht direkt in die Sonne fahren zu müssen.

Damit beginnt die zweite Woche in Lagos. Der Elektriker kommt tatsächlich und erledigt drei wichtige Dinge. Zum einen bauen wir mein Provisorium um, mit dem ich das Relais in die Frischwasserpumpe eingebaut hatte. Das ist jetzt professionell gelöst. Zum Zweiten wird das Provisorium des Landstromanschlusses ersetzt und schließlich haben wir auch noch die Sicherung am Motor, die ständig durchbrennt, in den Ölzeugschrank hinter der Navigationsecke gelegt, sodass ich wenigstens besser da dran komme. Direkt am nächsten Tag war ich schon dankbar dafür, da der nächste Wechsel anstand. Eine Idee für die Fehlerursache habe ich nun auch.

Portimão (09.11.-11.11.)

Nachdem ich am Montag die wichtigsten Dinge am Boot erledigt bekommen hatte, beschließen wir nach Portimão zu fahren. Filip hat dort ein paar Besorgungen zu machen, ich bin vom Ankerliegen angefixt und muss arbeiten, wozu ich keine Marina benötige. Wir haben Bilderbuchbedingungen. Es herrscht praktisch keine Welle, der Wind kommt schwach aber ausreichend und die Distanz ist mit ca. 2 Stunden mal wieder ein kleiner Hopser.

Wir erreichen Portimão kurz vor Sonnenuntergang, legen uns in den Fluss vor der Marina, wo wir nach kurzer Suche unser Plätzchen für die kommenden Tage finden.

Es ist friedlich hier auf dem Wasser. Auf der einen Seite der Ort und der Hafen, auf der anderen Seite ein großer Strand mit Strandbars und Clubs. Alle 6 Stunden wechseln wir zusammen mit den anderen Booten sanft unsere Blickrichtung und tanzen ein sehr langsames Ballett im Takt der Gezeiten. Solange die Flut das Wasser den Strom hinauf drückt, lässt sie uns Richtung Meer schauen. Dann kommt zum Hochwasser, etwa eine Viertelstunde lang, etwas Durcheinander in das Ankerfeld. Es richtet sich ggf. kurz nach dem wenigen Wind aus, bevor die Ebbe und die eigentliche Strömung des Flusses uns die kommenden 6 Stunden in Richtung des Landesinneren dreht.

Ich stehe wegen Arbeitsmeetings am kommenden Tag früh auf und werde mit einem spektakulären Sonnenaufgang belohnt. Noch vor dem ersten Kaffee schnappe ich das Dinghy und beginne mit Aufnahmen rund um das Boot. Vermutlich veranschaulicht das gut den Grad meiner Begeisterung. So friedlich, so schön.

Wir verbringen die Woche auf diese Weise auf dem Wasser. Filip nimmt am späten Vormittag das Dinghy, um in die Stadt zu kommen. Er kehrt dann am Nachmittag zurück, wenn ich ebenfalls mit der Arbeit fertig werde. Das Gute daran ist hauptsächlich der Preis. Hier vor Anker liegen kostet nichts. Dafür müssen wir aber auch unseren Strom selbst herstellen und mit dem Frischwasser haushalten. Beides ist dann Ende der Woche alle, da wir keinen Wind haben und die flach stehende Sonne die Solarzellen nur in einem ungünstigen Winkel erreicht, womit wir selbst vor Anker mehr verbrauchen, als produzieren. Meine Monitore des PC Arbeitsplatzes im Vorschiff nutze ich ab dem zweiten Tag nicht mehr, verbringe dafür den Arbeitstag bei der deutlich besseren Aussicht im Salon am Laptop. Es zeigt sich, dass ich bei der Stromversorgung außerhalb des Sommers noch zu wenig autark aufgestellt bin. Auch hierzu habe ich eine tolle Idee aufgeschnappt, die ich kommendes Jahr auf Umsetzbarkeit prüfen möchte.

Am Donnerstagabend erkunden wir zusammen die Landseite. Die eigentliche Stadt ist etwas weiter entfernt und nicht zwingend eine Reise wert, Filip war ja schon da. Die Strandpromenade ist ganz schön, aber auch nicht spektakulär.

Wir benötigen sowieso vor allem Wasser und beschließen kurzerhand noch am Abend nach Vilamoura zu segeln. Die Entfernungen an der Algarve sind gering und wir dürften, je nach Wind, noch deutlich vor Mitternacht ankommen. Man warf mir bereits vor, wir würden fast nur nachts segeln. Nun, ein wenig ist da was dran.

Vilamoura (11.11.-20.11.)

Also geht es zurück zum Boot und wir beginnen im Eiltempo seeklar zu machen. Ich erwarte nur schwachen Wind, schlage noch das Code Zero vorne an und eile zurück ins Cockpit. Diese Eile ist dabei völlig fehl am Platze, gefährlich und da ich das nicht beachte, bekomme ich die Lektion noch mal persönlich! Mit Erreichen des Cockpits knicke ich mit dem rechten Fuß um und schlage fallend recht spektakulär in das Cockpit ein. Immerhin nehme ich die Brille bei solchen Segelmanövern an Deck ab und lasse sie im Boot, sodass zumindest diese keinen Schaden nimmt, während ich mir dafür umso mehr überlege, ob die Reise für mich hier endet. Es ist genug Adrenalin da, dass ich mich recht schnell wieder fange und wir bald drauf, und kurz nach Sonnenuntergang, unseren schönen Ankerplatz verlassen, aber die Quittung kommt noch.

Der Wind schläft bald fast komplett ein. Wir machen kaum noch Fahrt. Bevor ich aber den Motor dazu nehmen, wollen wir erst mal zu Abend zu essen und warten, ob es nicht wieder besser wird. Mit dem Essen kommt dann tatsächlich eine Brise zurück, die Richtung ist perfekt und ich nehme schließlich das Code Zero weg und wir machen den Rest mit der Genua und fantastischem raumen Wind. Dabei empfinde ich das Ganze als einigermaßen anspruchsvoll, da wir einer ganzen Reihe von großen und kleinen Fischerbooten ausweichen müssen. Es geht munter und unter vollem Zeug, mit scharfen Ausschau halten und Radarunterstützung im Zickzack und bei reichlich Geschwindigkeit dazwischen durch. Das stresst mich am Anfang noch, macht mir aber zunehmend Spaß und übt, das Radarbild oder die Lichtgebung eines kleinen Bootes zu interpretieren für später einmal, wenn im Dunkeln die Sicht mal nicht so gut ist, wie das heute der Fall ist.

Vilamoura liegt hell erleuchtet vor uns. Einem fast mondänen Ort, in dem sich im Sommer der Jetset trifft, oder die, die ihm gerne angehören würden. Jedenfalls wird von reichlich noblen Karossen berichtet, welche dort im Sommer von der Klientel zeugen, die sich dort rumtreibt. Im Winter ist es dagegen deutlich ruhiger … und günstiger für uns zum Liegen. In der Anfahrt des Hafens kommt man an den ersten hell erleuchteten Luxusschuppen vorbei.

Wir erreichen den Rezeptionssteg, an dem wir bis zum Morgen leihen bleiben. Ich verbinde uns mit dem Landstrom und lasse Frischwasser in den Tank laufen.

Nachdem wir zur Ruhe kommen, begutachte ich erstmals mein Fuß, der immer noch keine Ruhe gibt und entdecke eine wunderschöne Schwellung am Knöchel, die sich bereits gebildet hat. Meine Quittung für die Eile!

Mal schauen, wie sich das die kommenden Tage entwickelt. Mist!

Am Morgen bekommen wir unseren Liegeplatz, parken rückwärts ein und schaffen das Dinghy auf die Seite, um vernünftig an den Steg zu kommen.

Die Marina von Vilamoura soll, so zumindest nach eigenem bekunden, die Größte des Landes sein. Die Motorbootfraktion ist hier klar in der Überzahl. Ich vermute, für Champagner-Touren eignen sich Segelboote nicht so gut. Doch wie man sieht sind selbst die Motorboote mit den schönsten Linien und stärksten Motoren in diesen Zeiten vorwiegend eines: offenbar beschissen.

Wir nehmen uns hier einen Mietwagen, der nun außerhalb der Saison und auf dem Festland mit unter 10 EUR am Tag wieder so spektakulär günstig ist, dass wir das Auto gleich für die restliche Zeit bis zur Abreise in Portugal behalten. Damit machen wir eine Ausfahrt in die Gemeinde, da ich nicht gut zu Fuß bin. Ich kann zwar Laufen, will es aber nicht übertreiben.

Filip muss mal wieder austreten und nimmt eine kleine Abbiegung durch eine Art Tor auf ein bewaldetes Gelände, die offene Schranke bemerkt er dabei wohl nicht. Ich aber und gleichzeitig ein Typ auf einem Golfcaddy in Golferklamotten, der mir inklusive seinem Hut dermaßen überzogen erscheint, dass ich mich in dem schrägen Film Caddyshack wähne. Filip findet seine Hecke und ich schaue mir derweil an, wo es uns hier hin verschlagen hat. Wir sind auf einer Anlage, die im Prinzip ein privater Golfplatz zwischen und rund um imposante Villen darstellt, deren großzügige Architektur einem die Sprache verschlägt. Ich steige nun ebenfalls aus und nutze Filips Hecke gleichermaßen. Wann hat man schon mal die Möglichkeit, auf einem so erlesenen und exklusiven Golfplatz einer kleinen Gruppe von Milliardären und ihren Herbergen seine persönliche Marke zu hinterlassen?

Nach einer kleinen Tour durch dieses Projekt stellt sich heraus: Es ist wie immer. Die teuersten und manchmal auch schönsten Immobilien dieser Welt stehen leer, weil deren Besitzer überall auf der Welt solche Herbergen für sich unterhalten und ja immer nur in einer Residenz gleichzeitig logieren können. Wir sehen von einer spontanen Hausbesetzung ab und gehen unserer Wege.

Faro

Faro ist näher denn je, die Stadt, die es Filip besonders angetan hat, auch wenn er noch nie da war. Er spricht aber ständig davon. Meiner groben Planung nach, werden wir nach unserer Rückkehr im Januar die Lagune von Culatra und Faro auch mit dem Boot besuchen, aber dafür benötigen wir deutlich mehr Zeit, als uns jetzt zur Verfügung steht. Wir wollen hier ausgiebig vor Anker liegen, where God makes vacation, wie es unser amerikanischer Freund Dave ausdrückte, denn wir im Lockdown in Lagos kennenlernten und jetzt dort wieder trafen.

Die Altstadt ist in der Tat urig schön und das, was wir von der Lagune sehen können, extrem vielversprechend. Leider liegt der Flughafen verkehrsgünstig nahe an der Stadt und der zum Niederknien romantische Sonnenuntergang über dem Ankergrund der Segler sieht zwar mit dem Flieger fast noch besser aus, die Geräuschkulisse ist aber leider entsprechend.

Hier will ich unbedingt Zeit verbringen, da draußen in der Natur liegen und von Zeit zu Zeit in diese Stadt kommen, um mich dann wieder zurückziehen zu können.

Wir beginnen den Abend in der Rooftopbar eines Hotels am Hafen, gehen Abendessen und brechen die Zelte danach langsam ab. Wir gehen, um wiederzukommen.

Zurück am Boot beginnen wir am letzten Tag mit dem üblichen Großreinschiff, was jedem längeren Verlassen unserer schwimmenden Heimat vorangestellt ist.

Der Kühlschrank wird abgetaut und wir basteln uns mit dem Schnee aus dem Kühlfach unseren ersten Schneemann der Saison.

Albufeira (21.11.-22.11.)

Albufeira soll der sicherste und gleichzeitig günstigste Hafen für die Liegezeit über Weihnachten sein. Das ist von Vilamoura nur eine Stunde entfernt und da wir das Auto noch haben, werde ich die Überführung allein segeln, worauf ich mich als seglerischem Jahresabschluss ziemlich freue.

Beim Ablegen hilft Filip noch von Land, wir winken und ich fahre bestens gelaunt hinaus.

Es sollte den ganzen Tag regnen, bis jetzt allerdings hält sich das Wetter und ich erlaube mir unnötigerweise vor dem Wind zu kreuzen und so die Fahrzeit etwas zu verlängern. Ich mache mir einen Nachmittagskaffee und Musik, was damit endet, dass ich singend durch das Boot tanze. Völlig ekstatische Entgleisungen für meine Verhältnisse.

Auslaufen aus Vilamoura
Der alte Mann und das Boot

Die nahende dunkle Gewitterfront lässt mich dann aber schließlich doch einen sehr direkten Kurs auf die Hafeneinfahrt einnehmen. Nach Möglichkeit möchte ich nicht inmitten eines Gewittersturms in die Marina fahren. Der Himmel sieht so bedrohlich aus, dass ich mir sogar noch Ölzeug anlege. Sicher ist sicher.

Ich schaffe es aber im Trockenen bis zum Anmeldesteg. Der liegt in der Einfahrt und hat im Gegensatz zu der eigentlichen Marina heftig mit dem hier noch ankommenden Schwell zu kämpfen. Der Clipper stampft und jault so stark am Steg in seinen Leinen, dass die Damen, die mit dem Computer und meinen Bootspapieren kämpfen, ein Erbarmen haben und mich erst mal zurück zum Boot und zu meiner Box schicken, während sie den Papierkram fertig machen.

Sie bieten mir Unterstützung an, die ich gerne annehme. Zu dritt rücken dann die Marineros an, um mir beim Einparken zu helfen. Ich kann tatsächlich jede Hilfe gebrauchen, das Manöver ist haarig, da nur dann genug Platz zum Drehen ist, wenn die Bugspitze bereits in der Box ist, während mir der Wind entgegenkommt, der das Boot gerne drehen möchte. Ich komme rein, ohne dem gegenüber liegenden Boot die Windfahnensteuerung abzurasieren. Das wird spannend, da wieder herauszukommen. Jetzt ist der Clipper aber erst mal fest. Um die Leinen und das letzte Seeklar zurück kümmere ich mich später, gehe erst zurück in das Hafenbüro und gönne mir dann eine Pizza und ein letztes Einlaufbier in einem der zahlreichen Restaurants am Hafen bei gewittrig klarem Himmel.

Filip kommt dann von seinem Trip an Land und wir packen, was wir noch nicht verstaut hatten. Am kommenden Morgen habe ich neben den üblichen Tätigkeiten zum Einmotten (Bordverschlüsse zu, alle Verbraucher aus, Wassersystem trocken legen, alles Sonnenblenden anbringen und so weiter) noch die Wantenspanner auf dem Programm, die ich von erstem Flugrost befreie, den das Salzwasser dort hingehalten hat. So sollten die nicht bleiben, bevor wir gehen. Jetzt sehen sie erst mal wieder aus wie neu. Schön!

Ich spanne ich noch den Sonnenschutz auf dem Vordeck und wir verstecken das Dinghy gut festgezurrt und UV geschützt darunter.

So heißt es mal wieder Abschied nehmen, nach einer langen Saison, die aufgrund der äußeren Umstände so völlig anders verlief als es geplant war. Dafür waren die Kanaren und Madeira eine riesige Bereicherung, die uns die noch nicht besuchten Azoren nun ebenfalls auf unsere Wunschliste geschrieben haben.

Es geht jetzt nach Norden zu den Familien, und zwar mit dem Zug und nicht mit dem Flugzeug. Das Abenteuer ist bereits geplant, die Tickets gekauft. Auch wenn das hier ein Segelblog, mit zugegebenermaßen einer in letzter Zeit stark inflationär zunehmenden Anzahl an Bildern unseres auf- oder untergehenden Sterns mit einem Segelboot im Vordergrund ist, lohnt es sich sicherlich auch von diesem Zug- Abenteuer noch zu berichten!

2 Gedanke zu “Die Sonnen der Algarve”
  1. Lieber Matthias,
    da hatte ich doch heute Abend ein kleines moralisches Tief und dann hast Du mich mit Deinem Blog gerettet. Ich habe fast Tränen gelacht, als ich an die Stelle mit dem freihängenden Dinghi kam. Leider fehlte die entsprechende Fotodokumentation. Aber egal, ich habe meiner Phantasie freien Lauf gelassen. Schön, dass Du immer so schön ehrlich auch über die kleinen Missgeschicke berichtest, von denen ich hoffentlich mal in gleicher Situation lernen kann.
    Für wie lange bis Du jetzt ohne Schiff unterwegs? Wahrscheinlich über Weihnachten. Freue mich auf den nächsten Blog, der wieder von Dir, Filip und der Clipper handelt. Mich würde ja noch etwas bzgl. Dir und Filip interessieren, was macht er genau an Projekten, wie lange begleitet er Dich noch …?
    LG Gustav
    Mit viel Glück habe ich in knapp einem Jahr auch mein schwimmenden 2. Wohnsitz.

    1. Hallo Gustav,
      ich möchte mich noch für deinen Kommentar aus dem letzten Jahr bedanken. Es hatte mich riesig gefreut, dass ich dir den Abend verschönern konnte. Da du das mit mir geteilt hattest, hattest du mir davon auch ordentlich was zurück gegeben. Zu Filips Projekten müssen wir glaube ich mal mehr schreiben. Wir diskutieren gerade, in welcher Form das geschehen könnte.

      Viele Grüße
      Matthias

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