31.5.2023 – 14.6.2023

Wenn es Nacht wird, kommt meine Stunde. Ich werde vom ehemals wehrlosen Gejagten, zum erbarmungslosen Jäger. Nun ebenso blutrünstig, wie meine ehemaligen Häscher, die neuerdings in Scharen zu meinen gerechten Opfern werden. Auch wenn das vergossene Blut noch oft auch mein eigenes ist, spüre ich keinen Schmerz mehr. Es fliest zusammen mit dem ihren aus den erlegten Körpern, wenn es die Bestien im Augenblick ihres Todes dahinrafft. Dann müssen die nahezu lautlosen Monster wieder preisgeben, was sie mir kurz zuvor noch so selbstsicher geraubt hatten.

Ich bringe sie um ihre Beute und um ihr Leben, niedergerungen mit meinen Hightechwaffen, die ich in zahllosen Schlachten filigran wie ein Florettfechter gelernt habe, präzise zu benutzen. Ihre Leichen liegen überall umher. Niemand erbarmt sich ihrer jämmerlichen Überreste. Sie sind meine Trophäen und bleiben auf dem Schlachtfeld zurück, bis Staubsauger oder Waschmaschine ihre jämmerlich kleinen Körper würdelos entsorgen.

Doch die Schlacht, die ich diese Nacht zu schlagen habe, ist von epischem Ausmaß. Sie sind bei Weitem in der Überzahl, aber dadurch noch lange nicht mehr überlegen. Ich habe mich lautlos angepirscht, ihre blinden und noch ungenährten Körper fest im Blick. Sie ahnen nicht, dass ich komme. Sie sind blind gegenüber meiner Schlachtfeldbeleuchtung, die längst auf sie ausgerichtet ist und die Szene des gleich folgenden Gemetzels bereits in gleißenden Licht taucht. Ich gebe meine Deckung auf, zeige mich mit einer raschen Bewegung. Meine Opfer versuchen, die Gefahr plötzlich erkennend, ihr Heil in der Flucht. Sie steigen auf, immer wieder mit der gleichen Taktik, auf die ich schon längst eine Antwort gefunden habe. Ich pariere ihren Fluchtversuch gekonnt mit meiner Elektropeitsche, einem Wunderwerk der modernen Waffenschmieden. Sie bekommen Kontakt mit über 3.000 Volt und verglühen augenblicklich zu Asche. Nach endlos erscheinender Zeit ebbt der Schlachtenlärm langsam ab. Wie ein Maschinengewehr hatte es geklungen, als sogar mehrere Mücken gleichzeitig ihr Leben gaben. Ich mache mich auf die Suche nach weiteren Wiederstandesnestern, finde diese und hebe sie ohne Erbarmen aus. Ich mache keine Gefangenen.

Die Schlacht ist geschlagen. Sie wird erneut in die Militärgeschichte eingehen. Nicht mehr wird man fortan bei dem Namen Mesolongi an die Vertreibung der Türken durch die unbeugsamen Griechen denken, die in ihre beginnende Unabhängigkeitsbestrebung hier einst zum Mythos machten. Nein, künftig wird man an die Entscheidungsschlacht von Mesolongi dieser Nacht denken, die ein einzelner gegen eine erdrückende Übermacht focht und doch glorreich vom Platz ging. Die Waffen werden in Militärmusen ausgestellt werden und Jung und Alt werden sie sich ehrfürchtig betrachten.

So und nicht anders hat es sich zugetragen! Zweier möglicherweise auftretender Missverständnisse vorbeugend, möchte ich noch anfügen, dass ich selbstverständlich nach wie vor auch mit der bloßen Hand töte. Meine Wunderwaffen unterstützen mich hierbei lediglich. Ich tue dies, wie dem vorangegangenen Text sicherlich zu entnehmen ist, völlig emotionslos. Es ist mein Handwerk und ich muss es ausführen, um zu überleben. Niemand wäre glücklicher als ich, wenn dies in einer anderen Region oder anderen Zeit nicht mehr notwendig wäre.

Doch es wird eher schlimmer als besser. Ich war von meinem Startpunkt, der Ankerbucht in der ich mich von Isabel und Mathias verabschieden musste, mit einem nächtlichen Zwischenstopp bei Ormos Oxia nach Mesolongi gefahren. Von hier hat man bei den Liveaboards in Lefkada viel Gutes gehört. Die Marina ist nicht so abgehoben, sie ist kleiner, günstiger und liegt in einem Marschland am Rande einer Lagune, die neben hervorragendem Schutz vor Wind und Welle aber offenbar auch ein veritables Mückenproblem hat. Schon als ich mich kurz nach dem Anleger mit dem Marinero auf dem Steg unterhalte, kommt es zu einem ersten Luftkampf zwischen denen und mir, den ich taktisch nicht für mich entscheiden kann. Ich vollziehe daraufhin einen taktischen Rückzug, versuche mich unauffällig zu verhalten und gehe zunächst zum Abendessen in die Taverne der Marina. Nach der Heimkehr auf das Boot spielte sich dann die oben nüchtern dargelegte Szene ab.

Vermutlich fange ich mir die schon ein, wenn ich mit offenen Dachluken von See komme. Hier musste ich etwa 20 Minuten durch einen Kanal fahren, wo man offenbar zahlreich auf mich wartete.

Die Kombination von elektrischem Fliegenfänger und meinem MARAUDER 2 Flakscheinwerfer ist dabei besonders erfolgreich im Kampf. Zwar hatte ich mir das extrem hell leuchtende und wuchtige Gerät zugelegt, um im Dunkeln schlecht beleuchtete Hafeneinfahrten einschätzen zu können oder den Abstand zum Ufer beim nächtlichen Ankern besser zu erahnen. Aber ihre wirklichen Fähigkeiten zeigt die Taschenlampe erst bei der Mückenjagt. Sie macht ein gleißend helles Licht, was das allerwichtigste ist. Hat man das Vieh erst mal in Sicht, dann kommt die elektrische Fliegenklatsche langsam und lautlos, aber hocheffektiv. Dass ich damit hier sogar gleich mehrere in einem Handstreich erwischen könnte, weil es tatsächlich einfach so viel waren und was das für ein Geräusch macht, lerne ich hier. Ich überlege mir, Sieben auf einen Streich auf das Großsegel zu schreiben, weit weg vom tapferen Schneiderlein bin ich jedenfalls nicht mehr.

Ich will und muss Mitte Juni nach Deutschland. Wo das Boot bleiben wird, weiß ich noch nicht. Mesolongi war mal eine Option, die aber spätestens in dieser Nacht mit den Blutsaugern starb, zumal ich jetzt ohnehin höhere Ziele habe. Es gibt noch ein Plan B, falls mein Vorhaben des Windes wegen nicht klappen sollte, aber das große Ziel ist nun Thessaloniki! Ich hatte Filip mal gesagt, dass das viel zu weit ab vom Schuss ist, man da nur schwer gegen den Wind hinkommt und überhaupt…. Aber es ist auch die perfekte Ausgangsbasis, um sich vom Meltemi im Zickzack durch die griechischen Inseln blasen zu lassen. Die Gegend soll wunderschön sein, wie ich jetzt so oft gehört und im vergangenen Blogpost auch schon bereits erläutert habe.

Also versuche ich es. Es sollen nur Tagestouren werden, da das Revier, durch das ich muss, als aktueller Einhandsegler viel zu eng ist, um nachts die Augen auch nur kurz vom Horizont und Radar lassen zu können. Ab Mesolongi gibt es auf dem Weg zum Kanal von Korinth durch den gleichnamigen Golf ein paar tolle Zwischenstopps, die ich auf der Reise mitnehmen kann. Los geht es am nächsten Morgen, nachdem ich Wäsche gewaschen und ein letztes Mal Wasser für die Reise übernommen habe.

Vorher muss ich aber noch den hier aus dem Cockpit wieder entfernen, der so dalag, als ich von der Wäscherei zurück komme.

Ich habe absolut keine Ahnung, wie der das da hingeschafft hat. Gut bekommen ist es ihm jedenfalls nicht und ich befördere ihn zurück in sein Element, offenbar mehr zur Freude seiner Artgenossen, als dass es ihm selbst noch etwas bringen würde.

Die Fahrt geht weiter, den Kanal hinaus, links ab und etwas später auf die Rio-Andirrio-Brücke bei Patras zu. Dort muss man sich 5 Seemeilen vor der Durchfahrt anmelden und bekommt die Stelle zugewiesenen, unter der man in Abhängigkeit der Höhe des eignen Schiffes die Brücke passieren darf und soll. So etwas sieht dann zum Beispiel so aus:

Ich melde mich 1 Meile vorher noch einmal und werde durchgewunken. Man möchte wohl sicherstellen, dass das auch ausgeführt wird, was vorgegeben wurde.

Nach der Brücke kommt die mittelalterliche Stadt Nafpaktos. Der Stadthafen ist klein, aber wunderschön. Ich fahre rein und peile die Lage. Nur noch ein Platz ist in dem winzigen Hafen neben einer großen Segeljacht frei, deren illustre Runde gerade das segelnde Schlachtschiff verlässt, um in dunkler Abendgarderobe vermutlich zum feudalen Dinner zu schreiten. Meine Gesten und mich ignoriert man komplett. Ich bin vermutlich nicht relevant genug.

Mir ist das Ganze nicht geheuer. Ich habe ein blödes Gefühl, dass das nur Murks hier geben wird und fahre wieder raus und ankere in ausreichend Abstand zu einem ebenfalls recht großen kanadischen Segelboot. Mein freundlicher Gruß im Vorbeifahren lässt auch hier keine Reaktion erkennen. Vielleicht sieht man, wenn man auf einem Boot ab 50 Fuß Länge steht, kleinere Boote nicht mehr.

Ich mache das Clipperchen fertig, was mit dem neuen Außenborder schnell geht und deswegen mittlerweile eine echte Freude statt Plage ist. Im Hafen peile ich erst mal die Lage und mache ein paar Bilder. Dabei entdecke ich dieses hier bei meinem italienischen Freund:

Die Festmacher waren wohl nicht anders stabil zu legen, das will ich denen mal zugestehen, aber die Leinen hatte ich nicht gesehen. Ich wäre hier mit vorne runter gelassenem Anker schön hereingefahren und hätte erst spät gesehen, dass die vermeintlich freie Seite blockiert ist. In jedem Fall hätte ich abbrechen und den Anker wieder hochnehmen müssen, in der Hoffnung nicht einen der ausgelegten Anker der anderen Boote in dem engen Hafenbecken vor den Augen des gut besuchten Hafens mit hoch zu winschen. Mein blödes Gefühl hat mich hier tatsächlich vor einigem Durcheinander bewahrt. Wie sich auch herausstellt, geht hier ganz schön die Party ab. Ich hätte bei der Musik aus allen Ecken ohnehin kein Auge zugemacht.

Der Ort ist aber dennoch ein echter Hingucker. Ich suche mir ein schönes Lokal und esse glücklich zu Abend, bevor mich das Clipperchen anschließend zurück auf meine ruhige Herberge vor den Mauern der Stadt bringt.

Am kommenden Morgen möchte ich früh Anker aufgehen. Es gilt, Strecke zu machen. Jedoch haben die Boote über Nacht geschwoit und liegen jetzt mit dem Bug in die andere Richtung. Das führt dazu, dass die große kanadische, nicht zurück grüßende Nachbarjacht jetzt ziemlich genau über meinem Anker liegt. Ich würde dem ziemlich nahe kommen, wenn ich ihn jetzt so einhole. Der muss unglaublich viel Kette draußen haben. So nah war ich nicht an ihm dran, als ich gestern geparkt hatte. Ich hole so viel von meiner Kette, wie ich erst mal vertreten kann und warte.

Tatsächlich kommt der Eigner kurz darauf in sein Cockpit, wohl um seinen Morgenkaffee zu nehmen. Ich winke. Erneut keine Reaktion. Auch ihm gegenüber bin ich nicht bedeutend genug. Ich ziehe den Anker weiter ein und komme in Rufweite, frage, ob er seine Kette etwas einholen kann, dass ich wegkomme. Er reagiert erstmals auf mich und meint, My winch is not working.

Ich spüre eine gewisser Hormonausschüttung auf meiner Seite, möchte ihm schon zurufen, dann soll er sie eben anschalten und wenn er weitere Probleme hat, kann er gerne Fragen stellen. Ich helfe, wo ich kann. Stattdessen ist es mir egal und ich lasse es bei so viel Ignoranz drauf ankommen. Meine Winsch verrichtet nun ihre Arbeit bis zum Ende, no matter what. Da wird er dann doch nervös und stell sich hinter sein Ruder, was auch immer er damit bezwecken möchte. Offenbar werden meine 35 Fuß Bootslänge soeben doch relevant! In etwa 3 Metern Abstand habe ich meinen Anker dann. Da der Kanadier gerade vom Morgenlüftchen zur Seite gedrückt wurde, passte es am Schluss und ich verdufte. Ich wäre noch zur Seite weggekommen, wenn es eng geworden wäre. Der Motor und das Bugstrahlruder des Clipper waren klar zum Manöver, aber das muss er ja nicht wissen. Ich glaube nicht, dass da etwas nicht in Ordnung war, mit Ausnahme der Einstellung des Skippers selbst.

Zunächst unter Motor wartet der Clipper und ich ungeduldig auf den starken achterlichen Wind, der sich später einstellen soll. Ob ich in den kommenden Tagen mein Ziel erreiche oder nicht, hängt allein vom Wetter ab. Ich werde nicht den ganzen Weg unter Motor nach Thessaloniki fahren wollen und können.

Heute aber ist mir der Wind und die Vorhersage treu. Zunächst nutze ich schwächere 10, später 15 Konten und ein wunderbarer Schmetterling mit ausgemaumter Genua und Code 0 entsteht. Das macht schon mal 4-5 Knoten Fahrt.

Am späten Nachmittag drohen dann dunkle Wolken hinter uns. Es frischt bis auf über 20 Konten auf.

Ich bringe das Code0 in Sicherheit, lege meine Rettungswesen und vernünftiges Schuhwerk an und bin mit der Lifeline ans Boot angebunden. Die hatte ich schon lange nicht mehr nutzen müssen. Ich weiß nicht, was da auf mich zukommt. Die Wellen werden jedenfalls immer höher, das Boot schlingert immer mehr und ich möchte auf alles vorbereitet sein, was da überraschend vielleicht noch kommt.

Der Clipper fliegt dahin, so viel schneller als geplant, dass ich den nächsten geplanten Stopp einfach überspringe. Es gibt einen weiteren Hafen voraus, nicht weit vom Korinthkanal entfernt, den ich unter diesen Bedingungen sogar bei Tageslicht erreichen kann. Eine dieser aufgegeben oder nie fertig gestellten Bauwerke. Kein Wasser, kein Strom, aber Schutz vor Wind und Welle. Besagter Schutz wird auch benötigt, denn die Wellen werden weiterhin höher und ich habe Sorge, dass ich überhaupt in den Hafen komme. Wenn sich da keiner drum kümmert, wird davor auch keine Fahrwasserrinne durch Buddeln frei gehalten. Über mein Speed kann ich mich jedenfalls nicht beklagen. Höchstgeschwindigkeiten!

Am frühen Abend erreiche ich mein Ziel, den Hafen von Xilokastrou, und steuere vorsichtig die Einfahrt an. Es funktioniert, auch dank einer leichten Landabdeckung, die den Schwell etwas dämpft. Ich lege sanft an einer Stelle längsseits an, die noch nicht versandet ist, mache Seeklar zurück und suche mir erneut ein schönes Lokal.

Am kommenden Morgen geht es bei totaler Windstille wieder früh los.

Ich hatte den Kanal von Korinth gestern bereits im Internet gebucht und bezahlt. Das ist, glaube ich, neu und sehr angenehm. Weniger angenehm ist der Preis, denn wenn man Länge mit Kosten in Beziehung setzt, ist der Kanal von Korinth der teuerste der Welt. Mich kostete meine kurze Durchfahrt stolze 165 EUR. Meine ungefähre Ankunftszeit hatte ich beim Bezahlen mit 12 Uhr angegeben, komme aber bereits um 10:30 an der Einfahrt an, wo ich mich zur Durchfahrt über Funk anmelde. Ich soll warten, was ich mit anderen vor mich hintreibend, bei ausgeschalteter Maschine in völliger Windstille tue. Eine halbe Stunde später kommt der Gegenverkehr, auf den wir warteten und der Kanal ruft uns einer nach dem anderen in die Einfahrt. Man ist das aufregend!

Ich habe permanent das ikonische Foto vor Augen, auf dem Zerstörer Rommel abgebildet ist, wie er durch den Kanal fährt, wenige Jahre, bevor ich damals an Bord kam, sodass ich das nicht miterleben konnte. Jetzt bin ich es aber selbst, der hier auf eigenem Kiel hindurchfährt. Eine Sternstunde, aber ich muss mich konzentrieren. Ich habe zwar mehr Platz auf beiden Seiten, wie damals der Zerstörer, aber unaufmerksam darf auch ich nicht sein.

Nach 45 Minuten ist es auch schon wieder vorbei. Die eigentliche Durchfahrt ist nicht lange. Ich mache zwischen zwei großen Motorjachten fest, da ich meinen Dieseltank vollmachen möchte und das hier die letzte einfache Gelegenheit dafür ist. Ich komme mit dem Überführungskapitän der großen Motorjacht vor mir ins Gespräch. Er spricht mich an, da er ein absoluter Sirius-Fan ist. Wir unterhalten uns sehr nett. Der Eigner der anderen Jacht würdigt mich keines Blickes. Ich fange an, meine bereits gefassten Vorurteile gegen diese Gattung Mensch zu verfestigen, der Überführungskapitän pflichtet mir bei. Er will seinen Plastikeimer, wie er das Ding nennt, nur an dessen Eigener in der Türkei übergeben und beiden so schnell wie möglich den Rücken kehren.

Mit dem Motor geht es zunächst weiter, später kann ich dann die Segel nehmen und fahre an der Rede Athens mit ihren Supertankern vorbei. Die Akropolis sehe ich nur schemenhaft durch das Fernglas, aber immerhin. Es ist viel los hier, ich habe einiges an Verkehr zu beachten und bin erneut begeistert, wo es mich hin verschlagen hat. Himmel! Ich bin in der Ägäis vor Athen! Völlig verrückt.

Für die kommende Nacht habe ich mir einen schönen Ankerplatz herausgesucht. Es sind schon einige andere Segelboote in der Nähe geparkt, aber nicht an dieser günstig, besonders geschützten Stelle, die ich mir ausgeschaut hatte. Als ich ankomme, verstehe ich! Es ist nicht nur die extrem laute Musik, die da vom Strand herüberkommt. Gänzlich unerträglich macht den Lärm, dass es sich um ein derart schreckliches Gedudel handelt, dass ich, ohne überhaupt zu versuchen, das zu ertragen, gleich weiter fahre und mich zu den anderen, vor eine kleine Insel lege.

Auch aus der Entfernung hört man noch das Geschrabbel der ekligen Musik

Auch schön hier, sehr sogar. Die Nacht ist ruhig und ich genieße das obligatorische Ankerbier bei einem tollen Vollmond.

In der Früh fahre ich weiter. Es ist viel Wind vorhergesagt und auf Halbwindkurs fliege ich bald der Küste entlang Richtung Süden, Athen im Rücken. Ich möchte auf der Ecke in einer wunderschönen Bucht zu Füßen des Poseidontempels auf eine Gelegenheit warten, um weiter nach Norden zu segeln, wenn der Meltemi mal nicht zu stark aus der nördlichen Richtung bläst, in die ich dann möchte.

Ich komme aber bereits um 14 Uhr dort an und es tut mir leid, den halben Tag zu verschwenden, auch wenn ich hier gerne einige Zeit zugebracht hätte:

Der Wind kommt mir hinter der Ecke mit flotten 20-24 Knoten entgegen. Gegen Windstärke 5-6 wird das interessant, aber der Versuch macht ja bekanntlich klug.

Umkehren kann ich jederzeit und das ganz angenehm, wenn ich den Wind und die kurze Welle dann im Rücken hätte. Ich nehme mir ein Herz, trimme die Segel ordentlich durch und versuche es.

Was soll ich sagen, es klappt wunderbar. Es klappt vor allem auch deswegen, weil ich nach theoretischem Studium besser verstehe, wie ich mit dem fieren des Baumniederholers oben optiomal den Wind aus dem Segel lasse. Erfahrene Segler werden nun die Augen rollen und ich würde das auch keinesfalls öffentlich zugeben, aber mit dem nun vorhandenen Verständnis dafür macht das Ganze enorm Spaß. Ich reize es aus und fahre zwischen 5 und 6 Knoten an der Kreuz. Ein Segelspaß, aber sicherlich nicht jedermanns Sache. Gut, das Filip jetzt nicht dabei sein muss.

Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, koche ich dabei noch, esse und spüle ab, als wäre nichts. Der Clipper macht die ganze Arbeit. Ich teile dem Autopiloten nur zeitweise mit, dass ich zu wenden wünsche, was der Clipper dann dank Selbstwendefock auch wunderschön von allein tut. Großer Junge! Meine primäre Aufgabe dabei ist, mich gut festzuhalten und nach dem Trimm der Segeln zu schauen. Als ich endlich oben angekommen bin und fast direkten Kurs auf mein Etappenziel nehmen kann, bin ich beseelt und fühle mich mit dem Boot mehr denn je verbunden.

Der brave Clipper und ich kommen in der sehr geschützten Bucht von Porto Rafti an, der Anker fällt um 20:30 Uhr und es wird eine ruhige Nacht, die mit gleich zwei Ankerbier begangen wird. Ich bin fix und fertig und falle direkt nach deren Verzehr ins Bett. Wohlverdient, wie ich meine.

Immer wieder der alles entscheidende Blick aufs Wetter. Noch muss ich ein paar Kreuzschläge gegen den Wind machen, aber es läuft gut und der Clipper kann den Wind in Rekordgeschwindigkeiten umsetzen, auch wenn der durch die hohen Berge, über die er jetzt kommt, böiger wird. Ich mache hervorragende Geschwindigkeiten, überspringe erneut einen Zwischenstopp und komme bis nach Eretria, einer Bucht, die halb Bucht halb Hafen ist und wo ich mir um meine sichere Nachtruhe keine Sorgen machen muss.

Der Trip heute mit dem vielen Wind, dem wenigen Schlaf fordert seinen Tribut. Ich laufe gegen die untergehende Sonne ein, habe die Sonnenbrille auf. Es sind schon einige Boote da, die alle auf einem Plateau ankern, das eine angenehme Tiefe von 5-7m hat. Als erstes suche ich mir ein verbleibenden Platz auf diesem Plateau sehr nahe am Strand, wo noch keiner ist. Der Anker ist gefallen, hält und die Maschine ist aus. Da schaue ich mich um und denke mir, das kannst du nicht bringen. Ich liege so nah am Badestrand, dass ich fürchten muss, dass ich am nächsten Tag für den Clipper Liegestulgebühr bezahlen muss. In Italien würden sie mich bei dem Abstand noch in der Nacht mit einem ordentlichen Bußgeld belegen, bevor sie mich zum Teufel jagen würden.

Also hole ich den Anker wieder zurück und versuche einen anderen freien Platz in deutlich tieferem Wasser, hält nicht. Noch einen, hält nicht. Im Ganzen versuche ich viermal einen Ankergrund zu finden und nirgendwo setzt sich das Grundeisen vernünftig fest. Das alles unter den Augen der anderen Segler, die alle in ihren Cockpits sitzen und dem Schauspiel beiwohnen.

Es wird mittlerweile so dunkel, dass ich die farblichen Kettenmarkierungen nicht mehr erkenne, wie viel Meter denn nun eigentlich schon raus sind. Ich überlege das Flutlicht am Mast anzumachen, bis mir gerade noch rechtzeitig klar wird, dass ich es vielleicht jetzt auch mal ohne Sonnenbrille probieren kann! Sofort sehe ich wieder besser. Alles unter den Augen…. Na ja. Ich beschließe, dem Schauspiel ein Ende zu setzten und fahre zurück zu der ersten Stelle, werfe den Anker, er hält wieder hervorragend und ich denke mir, es muss erst mal einer kommen und meckern. Hier in Griechenland interessiert es zumindest heute Abend niemanden mehr. Ich habe dadurch einen tollen Platz für die Nacht, den ich morgens beizeiten räume und weiter segel.

Mein Tagesziel ist die Brücke von Chalcis. Hier besteht eine Engstelle mit einer rasanten Strömung, hervorgerufen durch den Wind, der das Wasser tagsüber in die Bucht drückt, welches abends wieder herauswill. Durch die extreme Verengung entsteht eine tidenähliche Strömung, sodass die Durchfahrt nur gegen Mitternacht möglich ist, wo man so eine Art Stillwasser hat. Die Zeit variiert jeden Tag und die Brücke wird dann eingefahren, wenn es soweit ist, sodass man durchfahren kann, was man sich mit etwa 30 EUR bezahlen lässt.

Ich habe also Zeit, denn der Weg ist nicht weit und vor dem späten Abend komme ich ab dort ohnehin nicht weiter. Der Wind kommt genau aus der Richtung, in die ich möchte, das Fahrwasser ist eng und ich mache mir einen Spaß und kreuze von Hand bis etwa 15:00 Uhr dagegen an. Das kostet Zeit und macht viel Spaß. Ich bin auch der Einzige, der in dieser Richtung auf die Idee kommt, zu kreuzen. Alle anderen fahren mit Motor. Es ist Segelgenuss pur, wiederum mit der Selbstwendefock, aber dieses Mal alles selbst gemacht.

In Chalkida ankere ich, nehme das Clipperchen und bezahle schon mal die Brücke, kaufe ein letztes Mal Lebensmittel ein.

Danach telefoniere ich mit Filip, schlafe so viel ich kann und warte anschließen, dass die Küstenwache über Funk das Zeichen zum Aufbruch gibt. Das kommt dann auch gegen Mitternacht und alle Boote machen sich in der vorgegebenen Reihenfolge auf den Weg.

Das war schon wieder sehr aufregend. Ich motore noch zwei Stunden konzentriert durch die windstille Nacht, die Fischer vermeidend, und ankere an einer geschützten Ecke für die Nacht.

Der von den Modellen versprochene Wind am nächsten Tag kommt einfach nicht. Ich versuche erst noch alles und habe jedes Segel mal gesetzt und von der einen auf die andere Seite gestellt, um wenigstens Motorsegeln zu können. Schließlich gebe ich auf und fahre den kompletten Tag mit der Maschine, was ziemlich nervend ist. Erleichterung dann, als der fallende Anker dem Krach bei Glyva ein Ende setzt, auch wenn das Aggregat zur Zielerreichung heute notwendig war.

Ein Fischer legt kurz darauf nahe bei mir sein Netz aus, sich drauf verlassend, dass ich mich nicht mehr vom Fleck bewege.

Daraufhin kommen bald bereits die ersten Kunden, die dermaßen versessen auf frische Fische sind, dass sie die gefangene Ware offenbar direkt aus dem Netz naschen und mir den Abend zu einem Erlebnis machen. Das entschädigt für den Motortag.

Ein Hahn weckt mich ländlich am kommenden Morgen des vorletzten Tages der Reise auf. Es ist magisch still und tut mir leid, dass ich diese Ruhe mit dem Motor zerstören muss, statt ihr weiter genießend beizuwohnen. Der friedliche Morgenkaffee im Cockpit wird mir aber noch lange wohlig in Erinnerung bleiben.

Ich muss noch aus dieser fjordähnlichen Umgebung raus und komme wieder auf die halbwegs offene See. Gegen Mittag gesellt sich Thermik dazu und ich kann wenigstens Motorsegeln. Wenn schon der Motor zum Einsatz kommt, dann auf 1.400 U\ Min oder deutlich weniger. Ich haushalte mit meinem Treibstoff. Unter idealen Bedingungen würde ich es jetzt sogar mit einer Nachtschicht bis nach Thessaloniki schaffen, aber ich habe auf dem Weg zwei Tage gut gemacht und gönne mir den Luxus und die Sicherheit einer weiteren Ankernacht.

Der Anker fällt an irgendeinem Strand auf dem Weg, hält und ich gehe in die Koje. Am kommenden Tag empfängt mich ein dermaßen klares Wasser, dass der morgendliche Schwimm um das eigene Boot phänomenale Weitsicht bietet. Den Anker auf etwa 6 Metern Tiefe sieht man, als würde man darüber fliegen.

Die letzte Etappe ist angebrochen. Der Wind wird nie wirklich stark, kommt aber ideal mit 8–10 Konten von der Seite. Auf diesem Halbwindkurs macht der Clipper dann immerhin 5–6 Konten und gleichzeitig den Tag zu einem schönen und ruhigen Segelerlebnis, bis ich schließlich die Stadt meines Ziels hinter dem letzten Kap vor Augen habe. Thessaloniki!

Es kribbelt schon ordentlich, als ich ankomme. Das waren nun 11 sehr intensive und extrem abwechslungsreiche Segeltage, in denen ich emotional mit meinem Clipper regelrecht verwachsen bin. Die Ankunft ist Freude über die erreichte überpünktliche Zielerreichung und ein bisschen Wehmut zugleich, dass es schon vorbei ist. Ich bin sehr zufrieden mit allem und überaus glücklich, das erleben zu dürfen. Der Trip erinnert mich in seiner Intensität außerdem sehr an die Einhandtour von Neustadt/ Holstein nach Amsterdam über Hamburg und Helgoland.

Ich hatte die Marina Aretsou vorab nach dem Preis für einen Monat gebeten. Die Antwort war 267 EUR und provozierte bei mir die Rückfrage, ob das pro Monat sei (und nicht etwa pro Woche). In der Marina Preveza oder Lefkas kann man für das Geld im Moment nicht mehr als 4 Tage bleiben. Also günstig ist es hier wirklich, auch wenn die Marina selbst nicht viel Infrastruktur hat, dafür aber inmitten eines Vororts von Thessaloniki mit vielen Geschäften, Bars und Restaurants liegt.

Was sie aber im Übermaß hat, sind meine Freunde, die lieben Schnacken. Ich töte mit Händen und Füßen eine Nacht lang, bis um 3:30 Uhr 13 Mücken erlegt sind und ich endlich schlafen kann. Hier eine Auswahl der aufgebahrten Opfer aus der nächtlichen Schlacht:

Kaum ist einer erlegt und das Licht geht aus, höre ich schon den nächsten. Ich realisiere, dass ich neben meiner aktiven auch eine passive Verteidigung benötige, genauer gesagt diese verbessern muss, denn so sukzessiv kommen die nicht, wenn die alle schon im Boot gewesen wären.

– Also, auch nur 10 Minuten tagsüber lüften geht nicht! Alles muss fest verschlossen bleiben, was nicht über ein Fliegengitter verfügt, was dann aber deutlich den Luftzug hemmt.

– es darf keine noch so kleinen Ritze nach draußen existieren. Sie wird gefunden und genutzt werden. Ich suche diese und klebe mit Panzerband alles ab. Vor allem der Mückenschutz der Seitenfenster und das Schiebedach des Eingangs werden so großzügig bearbeitet.

Der Erfolg gibt mir die nächsten Tage recht. Es ist kaum noch etwas zu tun. Ich verbringe die kurze Zeit, die mir noch bleibt, auf dem Boot, die Besichtigung der Stadt spare ich mir auf, wenn ich zurück komme. Am 14.6. geht es dann für geplante 2,5 Wochen nach Deutschland. Eine gute Woche mit Filip, Woche Workshop bei meinen Kollegen und dann mit Filip möglichst im Schlepptau wieder zurückkommen ist der Plan.

Es gilt die Ägäis zu entdecken. Eine Menge spannender Inseln liegen da und diese würde ich uns gerne ein wenig erschließen, bevor sich der Bug Mitte September wieder in Richtung Atlantik richten soll.

3 Gedanke zu “Einhand vom ionischen Meer in die Ägäis und nach Thessaloniki”
  1. Schade, nun haben wir uns irgendwie verpasst. Wir sind inzwischen ebenfalls durch den Kanal und nun in den ionischen Inseln. Lieben Gruß von der Mokendeist, Stefan

    1. Ach, so blöd. Irgendwie ging ich davon aus, das ihr im Südosten bleibt. Aber natürlich kann man das nicht annehmen. Ab September/ Oktober fahre ich oder wir in großen Schritten Richtung Westen. Da haben wir ggf noch mal die Chance

  2. Mückenjäger und Kanalbezwinger…. Sehr gut und ein toller Einhand-Seemann! Viel Spaß noch…. Melthemi ist toll zum segeln😉👍

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