16.05.-31.05.2023

Oh Mann, die Batterie ist auch hin! Ich bekomme ein zusätzliches Andenken an meinen chaotischen letzten Tag im März, während ich nach dem ersten Betreten des Clippers erst mal einen Systemcheck mache und das hier entdecken muss:

Ich Trottel hatte offenbar die Bugbatterie angelassen, die mir diese Sünde mit 1 % Restkapazität quittiert. Eine AGM Batterie nimmt so etwas extrem übel.

Merke: Mache deine Checkliste für das von Bord gehen auch wirklich erst dann, wenn du es gleich tust und nicht einen Tag vorher. In einem Tag kann sich zu viel wieder ändern.

Nach meinem Intermezzo auf dem Boot im März komme ich mit dieser Erkenntnis am Dienstagmorgen des 16.5.2023 wieder auf den Clipper zurück. Ich bin noch erfüllt von dem Umstand, dass die Charterflieger wieder nach Aktio / Preveza fliegen. Das verlangt zwar ein Aufstehen um 3 Uhr nachts, aber die anschließende Taxifahrt geht gerade einmal 20 Minuten, statt den vier Stunden plus Wartezeit mit dem Bus ab Athen. Erheblich eingetrübt wird die ansonsten freudige Ankunft von dem Umstand, dass Filip mal wieder nicht dabei sein kann. Er muss wegen weiterer Zahnarzttermine erst noch zu Hause bleiben.

Ich rege mich wegen der Batterie schon nicht mehr auf, auch wenn das Boot mehr als unklar zum Auslaufen ist und ich am Sonntag auf jeden Fall hier herausmuss. Ich hatte mal geschaut, was eine erneute Verlängerung des Liegeplatzes theoretisch kosten würde. Die Antwort waren stolze 500 EUR. Das kommt einem Rauswurf gleich.

Die Termine zur Instandsetzung sind aber bereits im Vorfeld gemacht, nur eine neue Batterie kommt nun eben noch dazu. Am Mittwoch rücken zwei Mann an. Ich hatte im März bei einem letzten Maschinenprobelauf vergessen, dass ich meine Checkliste bereits abgearbeitet hatte und das Seeventil des äußeren Kühlreislauf damit schon zu war (siehe: Lefkada – Bei den Liveaboards) . So lief die Maschine ohne Kühlung, der Impeller zerlegte sich aufgrund der Reibungshitze und jetzt geht es auf die Suche nach den potenziell das System verstopfenden Resten. Der Techniker löst den Kühlwasserschlauch des äußeren Kühlwassersystems und bläst ihn ergebnislos mit dem Mund durch. Er kontrolliert mit dem Finger den Eingang zum Wärmetauscher, auch nichts. Die Trümmer waren offenbar so klein, dass sie vermutlich durch das komplette System durchgewandert sind. Jetzt weiß ich auch, wie man das macht!

Dann gehen sie an die deutlich delikatere Aufgabe, den Schlauch, der von der Toilette zum Schwarzwassertank führt, zu tauschen. Mir ist aufgefallen, dass die hier eingebrachten Substanzen immer länger benötigen, bis sie vom System ordnungsgemäß entsorgt werden. Die Kombination von Salzwasser und den, dem System zur Zwischenlagerung und anschließendem Weitertransport übergebenen Stoffen, legt sich ganz gerne an den Wänden des Schlauches und im Tank ab. Ist der Schlauch mal dicht, kann die Toilette ihre entgegennehmende Aufgabe nur noch einmal halb, ohne Weitertransport und unter erheblichen Konsequenzen für das weitere Raumklima ausführen. Alternativ gäbe es da noch einen Eimer, im Fachjargon Pütz genannt, den ich mir aber ganz gerne für andere Dinge vorbehalten würde.

Also vermute ich, dass mal getauscht werden muss und behalte sogar recht, es lohnt sich:

Es ist für die beiden aber eine Schinderei, den Schlauch da heraus zu bekommen. Ich bin hier froh, das nicht selbst machen zu müssen. Ich hätte vermutlich den ganzen Tag gebraucht.

Nachdem Maschine und Toilette gemacht sind, kommt Post. Ich hatte mir dieses Mal selbst ein Paket von zu Hause geschickt, um das Allerlei zu transportieren, was sonst in der aufgegebenen Tasche steckt, die dieses Mal aber zu schwer würde. Außerdem war der linke Monitor für das Boatoffice defekt und im Paket ist ein neuer, den ich anschließe und der direkt ebenfalls schwarz bleibt. Sehr Schade.

Was ebenfalls ankommt, ist ein neuer Außenborder von ePropulsion für das Clipperchen. Ich war es nun endgültig leid, jedes Mal den schweren Torqeedo Cruise inklusive Monsterbatterie aufzubauen, wenn man mal das Clipperchen benutzen wollte. Alles zusammen eine nette Ansammlung an Kartons, die da jetzt auf der Pier liegen.

Der alte Torqeedo Cruise 2.0 mit seiner Batterie
Der neue ePropulsion Spirit 2.0

Der Austausch der elektronischen Außenbordmotoren war an sich ein großes Drama. Die Kurzversion ist, dass ePropulsion keinen Spediteur fand, um die Lithiumionenbatterie (Gefahrgut) nach Griechenland zu transportieren und ich keinen Spediteur oder Integrator für den riesigen Batterieblock des Torqueedo nach Deutschland ausfindig machen konnte. Tage gingen über die Suche ins Land. Die Lösung war dann, dass es in Athen einen Onlinehändler für den neuen ePropulsion gibt, der das ganz problemlos anliefern konnte, von dem aber ePropulsion Deutschland offenbar nichts wusste. Torqeedo wiederum hat ein weltweites Servicenetz, über das sie mir die originalen Leerkartons nach Lefkada schickten, in die ich das ganze nun verpacken und zur Abholung für deren Nischenspediteur bereit stellen soll.

Stillleben einer Verpackungsorgie

Der Einbau des Motors in seinen Karton wird dann knifflig. Ich baue mir mein iPad auf und schaute immer wieder ein unboxing Video auf YouTube, um herauszufinden, wie man die ganzen Kartonteile denn korrekt zusammenbaut, so dass alles am Ende genau so im Kasten zu liegen kommt, wie es vorgesehen ist. Es dauert über eine Stunde und ich bekomme viel Mitleid von Gästen und Angestellten des Cafés, unter dessen Dach sich das schweißtreibende Drama abspielt. Es ist, wie den Beipackzettel eines Medikaments wieder so zusammenzulegen, wie es war, bevor man ihn entfaltet hat.

Jeder Tag ist jetzt angefüllt mit viel Arbeit, bis der Clipper dann am Samstag fertig und tatsächlich zum Auslaufen bereits da liegt. Ein herrliches Gefühl.

Am Samstag ist aber auch Crewwechsel der Charterboote, deren Saison gerade beginnt. Ein ungewöhnliches Bild, wenn man die ruhige Winterroutine gewohnt ist. Überall stehen auf einmal Grüppchen mit ihrem Gepäck, palavern und warten auf ihr Boot.

Außerdem wird wesentliche Proviantierung vorgenommen.

Bevor es bei mir losgeht, muss das Clipperchen aus seiner Backskiste befreit und mit ausfüllender Luft versorgt werden. Es wird definitiv bald stark benötigt.

Eine letzte Heldentat vollbringe ich, indem der Clipper einer gründlichen Außenreinigung unterzogen wird. Mal wieder hatte der Regen in den vergangenen Wochen viel Saharasand auf dem Oberdeck abgelegt. Ich fahre sogar mit dem Clipperchen um den Clipper herum und wische den polierten Rumpf ab.

TippTopp sauber

Als ich fertig bin, blicke ich stolz auf mein Werk, während es anfängt zu regnen. Danach sieht unter anderem das Fenster in der Dachluke so aus:

Ich bin innerlich stark und gefestigt. Also nehme ich mir einfach erneut Schlauch und Schrubber und beginne zumindest mit dem Oberdeck von Neuem. Als ich fertig bin, fängt es an zu regnen.

Ich bin innerlich nicht mehr ganz so gefestigt, erinnere mich an eine gekühlte Flasche leckeren griechischen Weißwein im Kühlschrank und beschließe, von weiteren äußeren Anwendungen mit Wasser am Boot abzusehen und mich der inneren Anwendung mithilfe derselben Flasche zuzuwenden. Das geht übergangsweise auch.

Am Sonntag ist dann alles erledigt. Mit dem letzten Wasser fülle ich den Tank auf, verwende den Rest auf Scheiben und Oberdeck, bis mein Kredit aufgebraucht ist und der Schlauch von der Pier nichts mehr hergibt. Ich verabschiede mich von Hans und verlasse den Hafen, in dem der Clipper nun unplanmäßig seit dem Oktober letzten Jahres liegen musste. Was für eine lange Zeit.

Mein erstes Ziel ist die Ankerbucht um die Ecke, die mir bereits im März so gut gefallen hatte. Ich habe ja nichts vor und kann mich hinlegen, wo ich gerade will.

Wie ich so pittoresk daliege, reift der Entschluss wieder mehr aus meinem Instagramprofil zu machen. Ich hatte jahrelang Bilder hoch geladen, die ich schön fand und die für meinen jeweiligen Lebensabschnitt eine tiefere Bedeutung hatten. Da das Profil aber schon wie der Blog heißt und natürlich auch schon ein paar Clipperbilder dort sind, will ich das beleben und schauen, wie es sich entwickelt. So werde ich auch ein paar Bilder los, die es nicht in den Blog schaffen. Das Problem ist nur, dass ich mit dem Schreiben in letzter Zeit einige Wochen zurückliege, sodass man Bilder sieht, deren Geschichte erst im übernächsten Blogbeitrag beschrieben werden. Sei es drum.

Hier bekomme ich dann in der WhatsApp Gruppe der Sirius-Eigner durch Zufall mit, dass Torsten Schmidt, seines Zeichens Chef der Siriuswerft, derzeit mit seiner Familie auf der Amazing Grace, einer Sirius 40DS, ganz in der Nähe Urlaub macht. Ich nehme Kontakt auf und wir beschließen, uns mal locker aufeinander zuzubewegen, um gegebenenfalls ein Treffen zu ermöglichen.

Ich mache mich auf nach Süden, was ohnehin meine Richtung ist. Mittags habe ich einen Call, für den ich schnell ankern möchte, um nicht abgelenkt zu sein. Segeln und arbeiten gleichzeitig geht, ist aber für keine der beiden Tätigkeiten ideal. Ich finde eine Ankerbucht mit guten Bewertungen und stelle aber fest, dass der Grund auch in Ufernähe so steil in die Tiefe geht, dass der Anker nicht halten möchte. Es wird knapp. Ich habe keine 10 Minuten mehr, also muss es schnell gehen und dann eben doch auf dem Weg funktionieren. Ich hole den Anker zu schnell hoch und beim Einfahren in seine Halterung verkantet er mal wieder, so wie damals in Galizien (Von der Küste des Todes (ES) zum Ende der Welt (ES) – Teil I).

Jetzt kann ich nicht mehr Ankern und benötige einen Hafen, um das festgesetzte Ding da wieder rauszuziehen, ähnlich wie ich das in Spanien gemacht hatte. Weiterhin stelle ich fest, dass der Motor die Servicebatterien nicht lädt. Nimmt das denn kein Ende? Ich suche auf Navily nach einer passenden Marina und finde einen Steg in Sivota auf Lefkas, der für seinen Service über die Maßen gelobt wird. Also hin da…

Als ich ankomme, ist die Begrüßung von Ron und Viola, also dem Marinero und seiner Frau, tatsächlich sehr herzlich. Ich schildere meine beiden Probleme und drei Minuten später ist der Elektriker bestellt und Ron schwingt sich in sein Dinghy und klariert mir den Anker.

Am nächsten Nachmittag kommt dann tatsächlich Torsten mit der Amazing Grace dazu. Ich bin genau zu dem Zeitpunkt in einer Telefonkonferenz und kann ihn leider nicht direkt begrüßen. Er hat aber auch so viel zu tun, da er das Boot bald den Eignern zurück übergibt. Wir begrüßen uns dann herzlich, es ist eine lange Zeit her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben.

Ich war schon scharf drauf, dieses Bild mit den beiden Schönheiten zu machen. Wir essen zu Abend und haben natürlich mehr Gesprächsstoff als Stunden.

Am kommenden Tag kommt der Elektriker. Das Problem mit der nicht laden wollenden Lichtmaschine war der Pluspol, der sich vermutlich durch Vibration aus seiner Halterung gelöst hatte. Ich fühle mich schon wieder wie ein Depp. Die Probleme sehen so gewaltig aus, dass ich nicht mal versuche, eine möglicherweise triviale Ursache auszuschließen, bevor ich jemand rufe.

Außerdem findet er möglicherweise die Ursache für die

immer wieder durchbrennenden 10A Sicherung von der anderen Lichtmaschine zu der Starterbatterie. Sie sitzt nicht richtig im Sockel und das ggf. schon immer. Er richtet das und ich warte seitdem darauf, dass es noch mal passiert. Es wäre ebenfalls trivial, aber da fehlt mir die Erfahrung, wie das richtig aussehen und sich anfühlen muss. Ich habe die seit Auslieferung bereits locker 20-30 Mal getauscht. Dann war sie eben immer nur halb drinnen.

Ich bin jedenfalls schon sehr glücklich, da setzten wir noch einen obendrauf. Als der Kühlschrank letztens kaputtging, hatte ich Strom im Überfluss. Wir messen den Strombedarf des Geräts, der aber in Ordnung ist. Dann bleibt nur, dass das Ding zu viel läuft, was wiederum daran liegen muss, dass er seine Wärme nicht los bekommt. Torsten weiß zu berichten, dass man mittlerweile deutlich mehr Lüftungsmöglichkeiten in den neuen Booten ab Werft schafft, auch wenn hinter dem Kühlschrank alles offen ist und das Seewasser den Rumpf von außen kühlt, an dem die Luft entlang streicht. Wir entscheiden, die Holztür vor dem Kühlschrank zu kürzen, sodass er an dieser Stelle die warme Luft besser los bekommt.

Vorher
Nachher

Auch das wird einen spürbaren Effekt auf meine Energiebilanz haben, wie sich bald herausstellt. Dies sollen die letzten notwendigen Maßnahmen sein, ich bin startklar. Am nächsten Morgen kommen die Eigner von Amazing Grace an, Henning und Sylvia. Wir essen eine Kleinigkeit zu Mittag, ich mag die beiden sofort, aber wir haben nur kurze Zeit zusammen. Mein nächstes Meeting ruft mich in das Vorschiff an den Computer. Als ich fertig bin, sind die drei mit der Amazing Grace bereits unterwegs zu ihrer Ankerbucht.

Ich verlasse dann am nächsten Vormittag den geschätzten Steg und mache mich auf, um die Amazing Graca zu besuchen. Dort angekommen, machen wir mit Hannes Drohne Aufnahmen von den beiden Sirius, die da vor Anker im Päckchen liegen, fantastisch! So etwas will ich jetzt natürlich auch haben.

Anschließend macht Torsten ein Interview mit uns, das er zu Marketingzwecken verwenden möchte. Ich bin etwas aufgeregt. So etwas liegt mir nicht und ich tendiere dazu, Blödsinn zu reden. Es geht einigermaßen, aber wir müssen abbrechen, da wir dicht unter Land liegen und eine Gewitterfront naht. Auf der Fahrt zur nächsten Ankerbucht entstehen dann noch einmal zahlreiche Aufnahmen von beiden Booten aus. Wann hat man schon mal die Chance auf solche Außenaufnahmen? Klasse!

Wir kommen an und genießen auf der Amazing Grace ein tolles Abendessen, das Torsten auf dem Weg vorbereitet hat. Danach setzten wir das Interview fort und ich gebe eine Tour auf dem Clipper, wärend Torsten filmt und Fragen stellt. Mal sehen, was das alles wird, ich bin gespannt.

Im Gespräch mit den beiden erfahrenen Griechenlandseglern Hennig und Sylvia bekomme ich nicht zum ersten Mal von der wunderschönen Nord-Ägäis östlich von Thessaloniki und den Nördlichen Kykladen erzählt. Man segelt, wenn man erst mal da ist, im Zickzack immer vom zuverlässig nördlich wehenden Meltemi getrieben, die griechischen Inseln entlang. Ich berichte Filip in unserem täglichen Telefonat davon. Das habe ich schon öfter gehört. Aber hin kommen muss man da erst mal. Das ist wie ein Berg, den man mit Mühe erst mal gegen den Hang ersteigen muss, um dann in Windeseile auf Skiern wieder runterzudüsen.

Wir trennen uns am kommenden Morgen, ich bin auf dem Weg zu einem sehr angesagten Platz, den die beiden mir zum Ankern empfohlen haben. Auf dem Weg kommt über VHF Radio ein Dringlichkeitsruf (PAN PAN) einer Segelyacht, die einen anderen Segler brennend im Wasser meldet. Na ja, da hätte ich mal ein Mayday Relay daraus gemacht, aber das ist auch wieder eine deutsche Spitzfindigkeit, den die Küstenwache meldet sich natürlich auch so und die Rettung wird in die Wege geleitet. Da die Kommunikation zwischen Melder und Küstenwache von der Küstenwache aufs Handy verlagert wird, bekomme ich nicht mit, was weiter passiert. Ich sehe nur, dass alle drumherum zu Hilfe eilen. Für mich ist das zu weit weg, genug Hilfe ist unterwegs, es gibt da nichts für mich zu tun. Nahe genug ist es aber, dass ich den Rauch sehen kann. Hoffentlich gibt es wenigstens keine Verletzten!

Ganz schaffe ich es bei Tageslicht nicht zu meinem anvisierten Ziel. Ich will da nicht im Dunkeln ankommen, denn der Platz verspricht kompliziert zu werden. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.

Also fahre ich zu einem Zwischenstopp für die Nacht und sehe im restlichen Tageslicht eine andere deutsche Segelyacht mit dem Trans Ocean Wimpel an der Saling neben mir vor Anker, so wie ich auch eine habe. Aha, also sogar derselbe Segel-Club. Ich finde seine Telefonnummer über den die Trans-Ocean Seite heraus, wir verabreden uns und ich fahre am nächsten Morgen für einen kurzen Plausch rüber. Schon wieder eine neue Bekanntschaft. Cool.

Weiter geht es am kommenden Morgen zur besagten Bucht. Als ich dort einlaufe, ist die Lage durchmischt. Erst fahre ich an den Seglern vorbei, die dort mit Landleine am Ufer liegen. Ich habe mich dafür sogar vorbereitet und eine lange Rolle Seil herausgelegt, mit der ich das Heck an einem Stein oder Baum fest machen kann, während der Bug durch den vorher ausgebrachten Anker gehalten wird. Der Wind kommt allerdings schwach von der Seite. Der Clipper würde mir auf den Nachbarlieger treiben, während ich mit dem Clipperchen und der Leine in der Hand auf dem Weg zum Ufer wäre.

Der Meeresgrund ist hier stark abfallend. Es gibt zwar einige Plätze, aber die anderen Ankerlieger haben dermaßen viel Kette ausgebracht, dass deren Schwoikreis enorm ist und mein zur Verfügung stehenden Platz dadurch eingeschränkt, da ich meine Ketten nicht über die anderen bekommen will. Ich versuche es im Ganzen dreimal. Bei keinem der Versuche hält der Anker, es ist abermals zum Verrücktwerden.

Ich drehe noch einmal einen größeren Bogen und komme erneut an den Booten vor Landleine vorbei. Der Wind hat jetzt gedreht, und weht leicht auflandig. Das ist genau das, was ich benötige, um das erste Mal dieses in Griechenland, aber auch in der Ostsee, sehr gebräuchliche Manöver zu versuchen. Der Umstand, dass ich allein bin und niemand auf dem Clipper die Position halten wird, während auch dem Weg an Land sein werde, lässt mich zwar eine gewissen Aufgeregtheit verspüren, aber ich möchte da mal durch. Ich lasse den Anker auf Grund fallen, fahre langsam rückwärts und gebe dabei Kette. Ich spüre, wie der Anker greift und das Boot verlangsamt. Schon mal gut!

In dem Moment verlassen die Nachbarn mit dem Dinghy ihren Katamaran. Ich fackele nicht lange und frage freundlich an, ob sie mir eben die Leine an Land fahren und dort belegen können. Das können sie und ich bin das erste Mal mit Landleine am Ufer fest. Der gute Zufall war hier mit dem Wagemutigen.

Mein Namensvetter Mathias befestigt meine Leine

Wir kommen wenig später ins Gespräch und schließen uns ins Herz. Mathias und Isabel sind sehr erfahrene Segler, was man aber weniger daran erkennt, dass man es auf die Nase gebunden bekommt, sondern mehr an Nebensätzen oder im Gespräch. Angenehm unprätentiös. Ich spitze jedenfalls die Ohren und lerne. Die beiden haben in Deutschland einen Teilzeitarbeitsvertrag, können so mit dem Segen ihrer Arbeitgeber am Stück mehrere Monate im Jahr auf dem Boot verbringen und nutzten außerdem ein Sabbatical für eine Atlantikrunde. Ich schließe weiterhin Freundschaft mit ihrem verkuschelten Anhang, der Hündin Pita.

Wir fahren aus unserer abgelegenen Bucht am nächsten Tag mit deren Höllenmaschine von einem Dinghy zum Mittagessen in ein nahegelegenen Dorf, essen zu Mittag und lassen die Seele baumeln. Einfach nur klasse!

Das Dinghy ist so schnell, dass es einem die Haare föhnt:

Pita findet den Ritt auch klasse!

In unserem Gesprächen kommen wir ebenfalls auf die nördlichen Sporaden in der griechischen Ägäis und ihrer Schönheit. Ich erzähle Filip erneut am Telefon davon und der Entschluss reift und fällt, dass wir dort zusammen diesen Sommer sein wollen. Die entscheidene Frage ist zwar, wie ich da wann gegen Zeit und Meltemi hinkomme, aber das wird sich zeigen. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.

Die Bucht ist in der Tat überaus beschaulich. Nach drei Tagen will ich weiter, auf zum neuen Ufern. Wir verbringen noch einen letzten gemeinsamen Abend auf dem Balkon von Isabel und Mathias Katamaran bei spannenden Geschichten von Karibik, Segeln allgemein. Auf einer Atlantiküberquerung, hatte Mathias zum Beispiel ein Anhalter mitgenommener, der sowohl seine Depression, als auch den Umstand verschwiegen hatte, dass er kein Geld für seine Medikamente mehr hat. Tage vor Ankunft mitten auf dem Atlantik fand dieser dann eines Tages, dass es toll wäre, mit einer Axt ein Loch in den Boden des Bootes zu schlagen. Vielleicht ein Versuch eines melodramatischen Mitnahmesuizids. Nur mit Mühe und unter großer Gefahr für alle Beteiligten konnte die Lage unter Kontrolle gebracht werden. Keiner wurde am Ende verletzt, aber der Rest der Reise war furchtbar, da der Anhalter unter ständiger Kontrolle und Beobachtung stehen musste. Auf den Azoren besorgte Mathias im dann seine Medikamente und er wurde zu dem gutmütigen, lieben Menschen, der er ohne seine Krankheit war. Mich gruselt es.

Erst um 2 Uhr nachts nehme ich das Clipperchen, um zu meinem Clipper rüber und ins Bett zu kommen. Mathias passt in der Zeit auf, dass ich gut drüben ankomme. Man kann sich den Verlauf des Abends vorstellen. Ich war in jeder Hinsicht erfüllt und glücklich, die beiden kennengelernt zu haben. Hoffentlich sieht man sich mal wieder!

So endet am nächsten Tag, am 31.5.2023 meine Zeit im ionischen Meer. Mathias und Isabel brechen nach Westen auf, ich nach Süden Richtung Kanal von Korinth, der am morgigen Tage für Freizeitboote in der Sommersaison öffnet und anschließend den Berg hinauf nach Thessaloniki, wenn es denn gegen den Wind geht.

Ich freue mich auf diese Herausforderung!

Track dieses Beitrags:

4 Gedanke zu “Ionisches Meer – Von neuen Freunden, Abschied und Aufbruch”
  1. Lieber Matthias,
    vielen Dank wieder einmal für Deinen tollen Bericht! 🙂 Es ist immer sehr interessant zu lesen, vor allem, weil ich auch immer wieder schöne technische Einblicke bekomme. :-)))
    Liebe Grüße
    Jan

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