Hamburg liegt nun schon zwei seglerisch ereignisreiche Tage hinter mir. Ich konnte eine Menge erledigen, ein paar wichtige Sachen mussten aber liegen bleiben. So bestand die erste Zeit aus Praxis und Theorie-Unterricht in der Segelschule. Am letzten Sonntag war der Tag der Prüfung. Es waren auch alle da, die Prüfer, wir Prüflinge, das Boot, nur einer fehlte: der Wind!
Die Prüfung kann erst ab 2 Windstärken überhaupt abgenommen werden. Die Prüfer waren so nett, die Teile der Prüfung, die nichts mit Wind zu tun haben, wie An- und Ablegen unter Motor sowie ein Prüfgespräch schon mal abzuhalten. Das Mann über Bord Manöver unter Segeln und unter Segeln mit Motorunterstützung und ein paar weitere Segelmanöver nach Prüferwahl werden 14 Tage später nachgeholt. Na dann…. Soweit hatte ich jedenfalls erst mal alles bestanden und komme für die Prüfung dann noch mal mit dem Zug zurück nach Hamburg. Nach der Prüfung verlegte ich dann noch mit Hilfe eines Arbeitskollegen in den City Sportboothafen Hamburg, direkt neben der Erbphilharmonie, das war laut, unglaublich wacklig, durch die ständig vorbei brausenden Barkassen, aber cool.
Das Auto habe ich dann aus Neustadt nach Hamburg geholt, Seekarten und Revierführer für die weitere Reise gekauft, in der Segelschule eine Törnberatung erhalten, viel Besuch gehabt und einen wichtigen Besuch nicht mehr wahrnehmen können, da ich meine Planung nach viel hin und her, Koordination und ein paar Erkenntnissen aus der Törnberatung änderte und bereits am Donnerstagmorgen in aller Frühe die Zelte abbrach, um rechtzeitig in Amsterdam zu sein, wo Filip wieder an Bord kommt. Bibi & Hubsi: Auch an dieser Stelle noch mal ganz großes SORRY !!
Somit ging es Morgens, kurz nach Sonnenaufgang bei einsetzendem Ebbstrom los.
Der nun folgende Segeltag bestand dann aus zwei Teilen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Zunächst gelangt man mit dem ablaufendem Wasser bei Seglergeschwindigkeit nur etwa bis nach Glückstadt auf halber Strecke, wo man einen „Tidenstop“ einlegt. Die Flut setzt etwa dann ein und es ergibt kaum Sinn, dagegen anzukämpfen, man macht zwar die gleiche Fahrt durchs Wasser, aber kaum noch über Grund. Also ging es bei gutem Wetter und sehr mäßigem Wind aus Hamburg raus. Die Strecke war die reinste Kaffeefahrt. Wenig Verkehr, etwas mehr Routine und Sicherheit, als beim Raufsegeln der Elbe, machten die Fahrt relativ ereignislos.
In Glückstadt angekommen war ich sehr froh, noch einen kleinen Platz für mich zu bekommen. Die Einparkmanöver klappen so weit, störender Wind war nicht vorhanden und das ganze sah fast schon routiniert aus.
Ich wollte eigentlich erst am kommenden morgen weiter, mir Zeit lassen, denn in Cuxhaven hatte ich erst am Montagmorgen einen ersten Servicetermin für die Maschine. Der auffrischende Wind und die günstige Vorhersage am kommenden Tag (im Gegensatz zu dem, was sich danach ankündigte) ließen mich aber auch diesen Termin absagen und noch am Nachmittag weiter fahren.
Merke: Du kannst dich mit einem Segler an einem Ort verabreden oder zu einer Zeit. Beides zusammen kann schwierig werden. So war es dann auch mit diesem Termin.
Beim Warten wurde das Wetter immer schlechter und beim Loswerfen der Leinen pfiff der Wind durch den Hafen und es goss in Strömen. An diesem Zustand änderte sich bis kurz vor Cuxhaven auch nichts mehr.
Ich fuhr also gegen 17 Uhr in den Abend hinein, wissend, dass ich im Dunkeln ankommen werde, was an sich bereits eine Herausforderung darstellt. Bei diesen Bedingungen aber erst recht. Das Problem mit Fahrwassern generell sind für mich die Tonnen, also Bojen, die den Fahrwasserrand markieren. Sie sind Freund und Feind zugleich. Zum einen geben sie mir Orientierung, wo man ist. Fährt man etwas außerhalb des Fahrwassers, können die großen Pötte einem nicht zu nahe kommen. Aber sie sind gefährlich, denn sie sind groß und stehen naturgemäß auf der Stelle, während man selbst mit der eigenen Geschwindigkeit plus der Geschwindigkeit des Stroms mit 8-10 Konten bei gutem Wind an ihnen vorbeischießt. Wenn man da nicht rechtzeitig aus dem Weg geht und dagegen fährt, kann einem das Schiff kosten. Zuletzt passiert, vor etwas mehr als zwei Wochen. Das Boot sank nach dem Aufprall, die Besatzung des Segelbootes konnte noch in die Rettungsinsel und wurde daraus gerettet. Ich war also gewarnt und entsprechend konzentriert.
Die Sicht ging in dem Regen nun so weit zurück, dass ich die nächste Tonne erst kurz nach dem Passieren der Letzten ausmachten konnte.
Ich hatte mein Radar an, die Seekarte auf dem Plotter vor mir half. Wenn das Symbol, der auf mich zukommenden nächsten Tonne mit ihrem Radarsignal übereinstimmte, passte alles und sie kam dann auch bald in Sicht, sodass ich mich gut frei halten konnte. So stand ich unter vollem Ölzeug (Schwerwetterkleidung) und wasserdichten Seestiefeln bei ordentlichem Wind von der Seite bald in der Dämmerung draußen und dachte bei mir, dass das in dem Mix so ziemlich genau die Bedingungen sind, die meine Mutter einfach nur hasst und ausschließlich in ihren schärfsten Albträumen erlebt. Ich höre direkt ihre deutliche Missbilligung, wenn sie das liest.
Ich fühlte mich aber sicher, war unter den Klamotten einigermaßen trocken und fand das Ganze heraus- aber nicht überfordernd und wusste ja, dass das gegen 22:00 Uhr, mit Einlaufen in Cuxhaven, ein baldiges Ende haben wird. Der Lohn war halt ein schnelles Vorankommen. Ich hatte damit einen kompletten Tag gut gemacht. Zwar kann man das Boot auch aus dem Trockenen und Warmen von Innen fahren, aber dafür war mir das Revier zu Eng und die Sicht zu schlecht. Da sehe ich draußen besser.
So kam ich etwas vor der Zeit in Cuxhafen an. Eine letzte Herausforderung wartete noch auf mich, die darin bestand, die Hafeneinfahrt zu finden. Zwar waren mir die Gegebenheiten von der Karte her klar, ich wechselte die Fahrwasserseite kurz vorher an der dafür auserkorenen Tonne, ließ die Segel runter und fuhr das letzte Stück unter Maschine in der falschen Richtung zum Fahrwasser an den Hafenanlagen und dann doch fast an meiner Einfahrt vorbei!
Problem hier war, dass die AIS Signale der anderen Schiffe mir den Plotter mit so viel Information zumüllten, dass ich die für mich Entscheidende nicht mehr richtig sah. Im Regen auf dem Display rum zu fummeln war auch nicht ergiebig. Bevor ich nun anfing eine Wissenschaft daraus zu machen und entweder Einstellung am Plotter zu verändern oder irgendwas mit der Seekarte zu machen, nahm ich einfach das Handy und schaute dort auf der elektronischen Seekarte nach. Mein Verdacht war richtig, das dunkle Loch da, da muss ich durch!
Der Strom setzt hier besonders kräftig, man hatte mich davor gewarnt, die Einfahrt nicht zu relaxed zu nehmen, um nicht seitwärts vertrieben und gegen die Mauer gedrückt zu werden. Nun gut, von relaxed war definitiv sowieso keine Rede. Ich gab ordentlich Schub und erklärte mit der daraus resultierenden Maschinenkraft den Elementen um mich herum deutlich, dass ich da jetzt reinwill und nicht mit mir zu spaßen ist! Und so geschah es und ich kam an, in Abrahams Schoß.
Nach Passieren des dunklen Lochs auf meiner Steuerbordseite zu meiner rechten öffnete sich der Blick auf eine friedlich daliegende Marina mit großem Vorhafen, den ich nutzte und erst mal den Anker schmiss. War eh keiner da, ich hatte Platz und Zeit, das Boot für das Anlegen vorzubereiten. Fender raus, Leinen raus, wieder beide Seiten vorbereitet, dann den Anker wieder hoch und gemütlich an einen freien Platz. Dort dann fest gemacht und tief durch geatmet. Der Regen hatte offenbar genug Spaß mit mir gehabt und legte sich schlafen. So lag ich nun da, verbrachte erst mal eine Zeit, das Boot richtig zu sichern, Seeklar zurück zu machen, eine schöne heiße Dusche zu nehmen, am Bezahlautomaten das Liegegeld zu entrichten und die nassen Klamotten in der Dusche aufzuhängen.
Das dann folgende Einlaufbier war nicht nur verdient, es war eines der besten, die ich je hatte.