Der Morgen begann entspannt und ich brauchte mich nicht zu eilen. Der Grund war das Wetter. Es entwickelte sich genau so, wie vorhergesagt und war lediglich die Steigerung zu gestern.

Es war nun schlicht nicht mehr möglich, gegen Wind mit nun tatsächlich Windstärke 8 in Böen an der Küste, die Tide, die Wellen und nun auch die Entfernung anzukämpfen. Bis nach Terschelling wären es 14 Stunden Segeln bei guten Bedingungen gewesen, die es nicht gab.

Also zog, wie erwartet, Plan B, der recht üblich ist, da die vorherrschenden Bedingungen nicht so selten sind, dass nicht schon andere auf diese Idee gekommen wären. Für mich hieß das, dass wenn ich schon nur unter Motor weiter komme, dann nehme ich eben ab hier die Strecke, die nur halb so lang ist und die geht über einen Teil der nördlichen Staande Mastroute, also der Route über die Kanäle, die man mit stehendem Mast (und eben nicht auf Deck gelegtem) nehmen kann, da die Brücken für einen öffnen. Die Schleuse zum Eingang in das Kanalsystem befand sich ganz zufällig direkt neben der Marina.

Besagte Schleuse öffnete erst um 0900 Uhr, was die Gemütlichkeit erklärt, die dieser Morgen in sich hatte. Ich hatte mir abends noch Dokumentation aus dem Internet gekauft und besorgt. Ich brauchte dringend belastbare Informationen. Wo muss ich lang (bitte bloß nicht verfahren), wann öffnen die Brücken, sind welche außer Betrieb (hoffentlich lande ich nicht nach Stunden durch einen Kanal in einer Sackgasse)? Was ist zu beachten?

Ich machte mir eine Liste mit allen Brücken, Schleusen, ihren Öffnungszeiten und der Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Am Ende ggf. ein leichter Overkill an Vorbereitung. Das Ganze ging dann nämlich viel entspannter ab als gedacht.

Schon die erste Schleuse mit Brücke kombiniert war klein und eng, aber tatsächlich auch alleine gut zu bewerkstelligen. Ich arbeitet praktisch nur mit einer umgelegten Heckleine, die auf der achteren Mittelklampe und der Achterklampe lag und deren Bucht ich nach außen über den jeweiligen Poller in der Schleusenwand legte und dann mit der Winsch einholte. Mit etwas Maschinenkraft hielt ich das auf der kompletten Seite gut abgefenderte Boot an der Mauer. Falls es länger dauerte, machte ich vorne noch die Vorleine fest. Mehr war gar nicht notwendig.

Hier ist die Konstruktion mit der umgelegten Achterleine zu erahnen

Es handelte sich um eine Kombination aus Brücke und Schleuse. Die Brücken und Schleusen kann man anrufen und anfunken, das war aber nicht einmal auf der Route nötig.

Wo man jeweils durch will, gibt es eine recht einfache Lichtergebung:

1 x Rot bedeutet, was es immer bedeutet.

1 x Rot und 1 x Grün bedeutet fertig machen, es geht gleich weiter.

1 x Grün bedeutet „Sieh zu, dass du hier so schnell wie möglich durch kommst, ich lasse die anderen nicht ewig für dich warten, und wenn du nicht spurst, dann knall ich dir das Ding vor der Nase zu, dass du lernst, was zügig bedeutet.“

So ging es dann zunächst hinaus in das Lauwersmeer. Mit Sicherheit eine zum Niederknien schöne Landschaft und man kann hier im Sommer und bei schönem Wetter tollen Urlaub verbringen. Für mich bestand der Kanal alleine aus seiner Zweckmäßigkeit, mich meinem Ziel näherzubringen. Der in der Tat unangenehme Wind kam mit reichlich Niesel und Regen von vorne. Keine Chance sich davor zu verstecken. Der Kanal war noch mal deutlich enger, als der riesige Nord-Ostsee-Kanal, der mit seinerzeit schon nicht üppig vorkam. Sich drinnen gemütlich einrichten und aus dem trockenen und falls nötig auch warmen Decksalon fahren? Lieber nicht.

So stand ich also wieder so da, die Füße waren eh schon nass. Auf die Idee mit den schweren wasserdichten Seestiefeln bin ich irgendwie nicht gekommen. Nieselregen wirkt im ersten Moment so unschuldig. Er ist es nicht!

Ich sinnierte so vor mich hin, lief in einem kurzen Moment der Unkonzentriertheit aus dem Fahrwasser und sanft in den Schlick, zog mich ebenso sanft wieder raus, lies mich weiter beregnen, sinnierte weiter vor mich hin, dass ich ja nun tatsächlich schon nicht mehr in Deutschland sei, ja ja, man kommt voran … Ach herje!

Ich hatte mir vorab so viel Gedanken um die Gastlandflaggen gemacht, bloß die richtige mitnehmen, keine vergessen. Und jetzt? Ich fahre seit gestern Nachmittag fröhlich in Holland rum und das Ding liegt vergessen in der Schublade. Ich Depp!

Also schnell die entsprechende Flagge rausgeholt und unbedingt aufgepasst, sie richtig rum am Mast hochzuziehen.

Die Gastlandflagge zeigt dem besuchten Land und seinen Behörden, dass man sich bewusste darüber ist, dass man sich in den Hoheitsgewässern des Gastlandes befindet und beabsichtigt, darüber hinaus, sich als Gast an Gesetzte und Regeln des besuchten Landes zu halten. Die Gastlandflagge nicht zu zeigen kann als grobe Unhöflichkeit gesehen werden. Also ziehe ich, obwohl ich dafür eigentlich gar nicht so sehr die Ruhe hatte, die Flagge aus der Schublade und springe auf dem Vordeck rum, während der Autopilot mich ganz kurz vertritt, um das Ding so schnell wie möglich an den Mast und mich zurück ins Cockpit zu bringen.

Jetzt ist alles, wie es sein soll. Die Gastlandflagge weht am Mast

So ging es dann weiter. Die Landschaft, hübsche Häuser, kleine Ortschaften zogen vorbei. Brücken öffneten sich und schlossen sich hinter einem… Irgendwann machte ich mir dann entsprechende Musik an und versuchte einfach, das Beste aus der Situation zu machen. Ging….

Nicht viel Platz, es richt nach Landwirtschaft
Eine von 22 Brücken. Das Signal steht bereits auf Rot-Grün
Auf und nun zügig
Innerstädtischer Verkehr
Regenstimmung mit passender Musik
Bloß nicht verfahren hier…..
Haus am Kanal
Nicht gegen Äste und Bäume fahren
Brücke macht Siesta

Ich war tatsächlich darauf vorbereitet, nur bis nach Leeuwarden zu kommen. Ich hatte mir rausgeschrieben, dass die Brücken vor und in Leeuwarden bis 16 Uhr in Betrieb sein werden und das hatte ich nicht geschafft. Es gibt eine Geschwindigkeitsbegrenzung bis dahin, sodass es auch schwierig war, die Dinge erzwingen zu wollen. Es stellte sich aber heraus, dass die eine weitere Schicht von 1800 bis 2100 machen würden. Das hatte ich nur bei der letzten Brücke in dieser Stadt so gesehen und niedergeschrieben. Super!

Also machte ich mich mal dran, mich ein bisschen auf Vordermann zu bringen. Ich wechselte meine komplette Garderobe und hielt erst mal die Füße in den Wind. Mittlerweile hatte der Regen aufgehört und es wurde noch mal geradezu schön.

Uffffffff

Es ging dann pünktlich weiter. Während ich noch überlegte, wo ich die Nacht verbringen sollte, stellte ich fest, dass ich mittlerweile zum Verfolgten geworden war. Man schaut ja nicht immer nach hinten, als ich das dann tat, ergab sich zu meiner Überraschung dieses Bild:

Und die Jungs waren schnell! Als unser Seglerpulk an einer Brücke warten musste, sind die natürlich auf und davon und wir haben die später wieder eingeholt. So ging das eine Zeit.

Es wurde dann noch ein sehr schöner Abend. Der Einfluss des Tiefs verschwand und es fing sich das Hoch an bemerkbar zu machen, das die kommenden Tage, im Guten wie im Schlechten, wetterbestimmend werden sollte.

Sieht romantisch aus, war es auch. Ich fand aber meine Sonnenbrille nicht.

Ich legte mir zurecht, dass ich noch fahre, bis es dunkel wird und dann in Franeker irgendwo ans Ufer gehe. Die Brücken danach hätten zwar bis 22 Uhr geöffnet gehabt, aber ich hatte reichlich genug für heute.

Manche Brücken waren schon die reinsten Architekturwunder

Gegen 21 Uhr war ich dann fest. Die Brücken nahmen um 6 Uhr wieder ihren Betrieb auf, das war kurz vor Sonnenaufgang. Ab ins Bett….

So kam ich im Dunkeln an…..

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