Freitag, 24.4.2021

Vier COVID Tests später kam ich am 15.04. auf den Tag genau drei Wochen nach der Abreise wieder am durch Wüstensand aus der Sahara völlig verstaubten Clipper in Lagos an und es wird Zeit für ein Update hier.

Filip muss ungeplant länger zu Hause bleiben, und ich bin bis auf Weiteres erst mal alleine hier. In Lagos ist die Situation auch nach der dritten Lockerung weiterhin so, dass Segeln, im Gegensatz zu Angeln, nicht unter die „erlaubten ungefährlichen Sportarten“ fällt. Es greift nach wie vor das Prinzip „Stay at Home“, was ich nur akzeptieren kann, auch wenn das an der Algarve völlig unterschiedlich ausgelegt wird. So durfte ich aus dem Flugzeug eine Menge Segelboote, vermutlich einer Segelschule, beobachten, für die diese Einschränkung offenbar nicht mehr gilt.

Es wird gesegelt, nur nicht in Lagos

Um nach bald 5 Monaten nun doch wieder mal Wind in die Segel zu bekommen, bleibt mir daher, nach wie vor, nur die Ausreise. Diese wird auch langsam deswegen immer interessanter, um nicht in Portugal steuerpflichtig zu werden, was nach 183 Tagen unter bestimmten Voraussetzungen (mit denen ich mich gar nicht erst auseinandersetzen möchte) der Fall wird.

Der einzige sinnvoll von hier aus erreichbare Fleck Erde, der für Touristen nicht gesperrt ist, sind unverändert die Kanaren. Somit haben wir uns entschieden, dass Filip jetzt erst mal zu Hause bleibt, ich das Boot zu den Kanaren segle und dann sehen wir weiter.

Seitdem bereite ich das Boot und mich auf den längsten Turn vor, den ich bislang hatte, und dass obendrein Einhand. Ich checke alles durch, beantrage Genehmigungen für die Kanaren, kaufe ein und arbeite nebenher, was aufgrund der Kürze der Zeit alles zusammen recht stressig wurde, bis ich letzten Montagabend die Abfahrt erst einmal für mich abgesagt habe.

Geplant war, am Mittwoch 21.4. los zu fahren, aber das Wetter spielt nicht mit. Wenn ich schon ca. 5 Tage alleine über den Atlantik fahre, will ich einigermaßen verlässlich und beherrschbare Wetterbedingen haben, die aufgrund eines schönen aber etwas orientierungslosen Tiefdruckgebiets noch nicht gegeben waren. Hierdurch wurde der sonst oft vorherrschende Nordwind, der einen normalerweise wunderbar in Richtung Kanaren bringt, ersetzt durch Flauten, gefolgt von zum damaligen Zeitpunkt nicht kalkulierbaren Starkwind, der im Gegensatz zu den Flauten aber nicht eintrat, wenn ich heute schaue. Egal! Ich kann nur mit dem Arbeiten, was ich habe und das beste draus machen.

Somit blieb mir aber mehr Zeit für die Vorbereitung, was an sich ja bereits ein Sicherheitsaspekt ist. Highlight war dabei ein weiterer „Törn“ in die benachbarte Marina, wo wir das Boot kurz aus dem Wasser genommen haben, um den Unterboden vom Bewuchs zu reinigen, gegen den das selbstpolierende Antifouling nicht mehr ankam, da seit Monaten ja kein polierendes Wasser mehr am Clipper vorbeifloss.

In Lagos kann man Segelboote legal derzeit nur so fortbewegen, auch wenn man isoliert und alleine ist

Zweites Highlight war die Inbetriebnahme meines Iridium GO! Satellitentelefons:

Es funktioniert

Das System hatte ich ja bereits vor ein paar Wochen mit externer Antenne nachgerüstet und kurz vor der Abfahrt wurde es nun Zeit, die SIM Karte zu aktivieren. Diese hat eine Laufzeit von 6 Monaten und 200 Gesprächs- sowie 400 Datenminuten. Die doppelte Menge an Datenminuten ist ein spezieller Iridium GO! Tarif, was nicht heißt, dass das nicht dennoch unglaubliche 500 EUR kostet. Dennoch ist es meines Wissens die günstigste Möglichkeit, auf hoher See und außerhalb des Handynetzes via Satellit an komplexe Wetterdaten (maximal 50 KByte! je Datei) in Form von GRIB Files zu kommen, die dann am PC im Wetterprogramm eingelesen werden können.

Die Datengeschwindigkeit beträgt dabei bis zu 2,44 kBit/s. Das ist irgendwo zwischen Akustikkoppler und langsamen Modem von vor 20 Jahren. Im Web surfen ist damit unmöglich, es macht aber auf längeren Törns den Unterschied zwischen aktuellem Wetter haben und nicht haben und bietet außerdem die Möglichkeit der Erreichbarkeit bzw. der Kontaktaufnahme bei Problemen meinerseits im Falle, wenn man noch nicht den ganz großen SOS Knopf der EPIRB drücken muss. Also ein teures, aber praktisches und sinnvolles Spielzeug mit großem Sicherheitsaspekt.

Das Ganze ist nun im Betrieb getestet, funktioniert und jetzt brauche ich nur noch den richtigen Wind, dass ich das draußen auch anwenden kann.

Eine Variante wäre noch die Kurzwelle gewesen, aber dafür braucht es neben der Hardware auch entweder die Seefunk- Lizenz LRC oder ein Amateurfunkschein. Ich habe beides nicht, der Clipper ist aber dafür vorbereitet und die Anlage kann zu gegebener Zeit verhältnismäßig einfach nachgerüstet werden.

Ich versuche weiterhin morgen noch ein paar weitere Informationen über die Ausrüstung zu schreiben, was ich schätze und was ggf. nicht so sehr, da ich diesbezüglich immer wieder gefragt werde

Eine weitere Errungenschaft ist ein Sonnensegel, das man über den nach vorne gelegten Spibaum spannen kann und das später die Sonne des Mittelmeers davon abhalten soll, direkt auf das Deck zu knallen. Das hatten wir uns vom Nachbarn angeschaut und hier beim Segelmacher bestellt.

Noch nicht Faltenfrei…

So bin ich nun zum Wochenende weitergehend klar zum Auslaufen. Es sind alle Pakete per Post eingetroffen, eines hatte ich noch nach Hause umgeleitet, dass mich nicht mehr rechtzeitig erreicht hätte. Am Montag Morgen mache ich für mich noch einen PCR Test, um auf See diesbezüglich möglichst keine Überraschungen zu erleben und plane am Dienstag, dem 27.4.2021 mit der Abfahrt Richtung Lanzarote, wenn das Wetter so bleibt, wie es heute am Samstag für den Zeitraum ab Dienstag vorhergesagt ist.

Bis dahin vertreibe ich mir Abends mit Claus von der Neuland, einer weiteren Sirius 35, die hier auch seit nun 6 (!) Monaten am Steg liegt und nicht weiter kommt, die Zeit und Fachsimpel quer durch die Segelwelt, herrlich! Er kommt aus dem Mittelmeer zurück, wo er 4 Jahre war, und will weiter Richtung Norden während ich nach Süden möchte. Der dabei vonstatten gehende KnowHow Transfer ist sehr angenehm. Beide warten wir täglich auf eine günstige Wettervorhersage und ein westlicher Wind wäre für uns beide das Startsignal. Östlichen Wind würden wir natürlich auch beide nehmen, der aber noch weniger in Sicht ist. Also abwarten, täglich mehrmals die Wetterberichte studieren und Tee trinken.

4 Gedanke zu “Warten auf besser Wetter”

Schreibe einen Kommentar zu Martin Genau Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.