Eine gute Woche werden wir morgen hier gewesen sein, wenn es morgen früh, kurz nach 0600 Uhr, wieder weitergeht.

Am letzten Freitag feierte ich mit Filip unser Wiedersehen und meinen Geburtstag nach. Am Samstag ging es mit dem Zug nach Hamburg, wo ich meine Freunde Paddy und Michael traf, die aus Mainz gekommen waren.

Am Nachmittag hatte ich dann eine letzte Trainingseinheit für den Segelteil der praktischen Prüfung für den SKS am folgenden Sonntagmorgen. Ich stellte mich dabei an, als hätte ich noch nie ein Segelboot gesteuert. Große Ernüchterung. Ich war zwar definitiv nicht berauscht von meinen bisherigen Erlebnissen, als dass ich deswegen dachte, dass die Mann-über-Bord Manöver (heißt jetzt politisch korrekt „Mensch über Bord Manöver“) unter Segel und unter Segel mit Maschinenunterstützung ein Selbstläufer werden. Solche Manöver hatte ich zudem bislang nicht auf dem Clipper gefahren, aber viele Male in meinem Leben davor. Dass ich mich jetzt so anstellte, war deprimierend. Bis zum nächsten Morgen konnte ich aber immerhin so viel Gefühl dafür wieder zurückgewinnen, dass ich die Prüfung bestand und somit endlich den Schein habe. Nachdem ich jetzt mit Filip zusammen segle, müssen wir das dringend auch auf dem Clipper einstudieren.

Dass einer von uns tatsächlich über Bord geht, muss natürlich grundsätzlich durch Anleinen und Umsicht unter allen Umständen vermieden werden. Das Überbordgehen ist immer und sofort eine ganz akut lebensbedrohliche Situation. Nicht das Ertrinken ist das Problem, sondern die Wassertemperatur. Es bleibt meistens nicht viel Zeit, bis Unterkühlung einsetzt und die Person im Wasser an der eigenen Bergung nicht mehr aktiv mitwirken kann. Falls es dennoch passiert, muss jeder von uns beiden in der Lage zu sein, in kurzer Zeit zurückzukommen, um den Versuch unternehmen zu können, den anderen so schnell wie möglich zu bergen. Ist somit auf der ToDo Liste.

Mit Paddy und Michael ging es dann am Sonntag nach der Prüfung zurück nach Amsterdam, kurz das Boot gezeigt, „Hallo“ gesagt und die beiden nahmen das Auto und fuhren es zurück nach Mainz. Das wäre ich damit auch los. Jetzt gibt es nur noch uns und das Boot und es fühlt sich befreiend an und ist damit auch der Beginn des nächsten Abschnitts dieser Reise.

In Amsterdam konnten wir einiges entspannt erledigen, wie auch den Maschinen Check mit Ölwechsel. Dazu kam das Boot sogar aus dem Wasser und ich konnte das Unterwasserschiff, nach der vielen Schlickrutscherei, begutachten. Alles in Ordnung. Unerwartet stellte sich dabei heraus, dass die Opferanode an der Schraube so gut wie weg war. Die konnten wir dann auch gleich ersetzen.

Hoch und trocken
Die deutlich angefressene Opferanode

Ansonsten liegen wir extrem zentral im Sixhaven, gegenüber des Hauptbahnhofs. Die Fährverbindung zum anderen Ufer ist der Wahnsinn und wird tagsüber mit 4 Fähren gleichzeitig hergestellt, die zusätzlich zu den Linien fahren.

Der Sixhaven, der sich zum Ende der Segelsaison nun deutlich leert. Es wird Zeit, dass wir weiter kommen.

Wir gehen in Kunstgalerien, erkunden die vegane Restaurantszene, Filip trifft seinen Freund Peter, sooft er kann, der hier gerade eine Erasmus Jahr begonnen hat.

Ab morgen sind wir dann mit neuem Ziel wieder zu zweit unterwegs auf dem Wasser.

Es soll über den Winter nach Südportugal an die Algarve gehen. Dort ist es wärmer und die Segel-Saison startet damit früher als im Rest von Europa. Eine lange Reise und im Prinzip zu spät für die Biskaya, die man im August überquert haben sollte, um den Winterstürmen zu entgehen. Allerdings haben wir jetzt keinen Fahrplan mehr, keinen Tag x, an dem wir in y sein müssen.

Damit gilt zwar, dass je früher wir in Nordfrankreich zum Absprung nach Spanien bereit sind, desto besser, da dann Wahrscheinlichkeiten und Wetter-Statistiken eher auf unserer Seite sind, um die Biskaya bei günstigen Bedingungen queren können. Die kann man im fortschreitenden Klimawandel aber sowieso zunehmend vergessen. So wollen wir geduldig auf unser Wetterfenster warten. Kommt es, fahren wir los. Kommt es nicht und die Bedingungen sind widrig, bleiben wir, wo wir sind und richten uns ein oder machen kleine Sprünge, an der französischen Atlantikküste entlang.

Der Wind hier ist schon seit zwei Tagen hervorragend und ich zunehmend unruhig, dass es nun endlich weitergeht, solange es vom Wetter und von Corona Einreisebeschränkungen her noch geht. Wir werden ab Amsterdam auf dem Noordzeekanaal nach Ijmuiden fahren. Dort geht es ein letztes Mal durch eine Schleuse und danach zurück, hinaus auf die Nordsee.

Wir wollen versuchen, auch über Nacht zu segeln und werden damit Etmale (Etmal ist die Entfernung, die ein Schiff an einem Tag zurücklegt, gemessen traditionell um 12 Uhr mittags bis zum nächsten Tag 12 Uhr) von deutlich über 100 Seemeilen schaffen, während es beim Segeln am Tage sonst nur 30-50 sind. Das ist dann erneut ein „next Level“ und kommt zu den Herausforderungen hinzu, die die Reviere, die jetzt kommen, an sich schon bieten.

Wie sollte damit rasch an den englischen Kanal kommen, dessen Eigenheiten ich mir derzeit anlese, um uns dort zur richtigen Zeit und auf der richtigen Strecke durch zu manövrieren. Wir werden nun die Route gemeinsam festlegen, da es nicht mehr DIE klassische Abfolge gibt und man vor allem im Kanal variieren kann.

Gerne würde ich mal wieder auf eine Kanalinsel, auf der ich ebenfalls mit einer Segelyacht zuletzt vor 30 Jahren war. Vielleicht zwing uns ja das Wetter zu einem Zwischenstopp dort oder es zwingt uns dazu, durchzusegeln. Wir werden sehen, wohin uns ab hier der Wind treibt. Alleine das ist schon spannend.

Ein Gedanke zu “Amsterdam”
  1. Ahoi Matthias, allzeit gute Fahrt bei deinen weiteren Etappen. Ich bin mir sicher, dass ihr alle kommenden Herausforderungen meistern werdet. Viele Grüße, Marco

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