Der Kern des Tiefdruckgebiets zog heute Nacht mit viel Wind und Regen ziemlich genau über Lagos hinweg, eilte einem Kameraden bei Südfrankreich hinterher, um gemeinsam weiter für abwechslungsreiches Winterwetter über Europa zu sorgen.

Der Clipper zerrt erstmals in dem an sich ausgezeichnet geschützten Hafen von Lagos an seinen Leinen, liegt unruhig im Wasser, als wolle er langsam mal wieder los, als würde ihm die Zeit in der engen Box zu lange, als sehne er sich nach dem offenen Meer, einer schönen Ankerbucht, neuen Eindrücken an anderen Orten. Uns geht es ähnlich. Aber dazu später mehr. Auch wenn wir uns noch nicht aus Lagos bewegt haben, wird es Zeit für einen Statusbericht.

Während das Boot so da lag, waren wir die meiste Zeit im Dezember und die erste Hälfte des Januar wie geplant bei unseren Familien zu Hause. Dort investierte ich eine gute Woche in den Umzug dieses Blogs auf einen eigenen Server, um freier in der technischen Spielerei oder auch Gestaltung zu sein. So wollte ich zum Beispiel die Schiffsposition direkt im Text einbetten, statt diese nur mit einem Link auf der Seite Die Position anzubieten.

Im gleichen Atemzug habe ich auch versucht, die Seite „compliant“ zu machen. Alleine das hat mich Tage gekostet. Es ist schon absurd, was man alles beachten soll, wenn man einen einfachen Newsletter anbieten möchte, wozu man ja E-Mail-Adressen benötigt (Datenschutzerklärung schreiben!) oder einfach nur die WordPresssoftware mit dem Jetpack Add-on nutzen will (nerviges Cookie Banner erstellen, Datenschutzrichtlinie ausarbeiten), um damit ungebetene Post mit Zahlungsaufforderung von irgendwelchen Abmahnfabriken zu vermeiden. Den Facebook Button, den ich sowieso nur selbst genutzt hatte, habe ich gleich ganz entfernt. Nun ist das aber geschafft, die Seite ist ohne mir bekannten Datenverlust umgezogen und sollte einigermaßen performant sein. Sie hat jetzt auch einen fest eingebauten Google Übersetzer, für dessen sprachliche Qualität ich mich an dieser Stelle schon mal stellvertretend entschuldige.

Am 15. Januar bereits, trafen Filip und ich uns am Flughafen von Lissabon wieder, nahmen uns ein Auto und fuhren für drei Tage in ein Hotel an der Algarve. Genau am 15.01. zog man in Portugal aber auch die Notbremse. Bislang hatte man hier noch einen recht lockeren Umgang, mit nur regionale Beschränkungen gepflegt, wo die Infektionswerte bestimmte Schwellen übertrafen. Restaurants und Bars waren offen, die Gäste gerne einen Abend lang in geschlossenen Räumen ohne besonderen Lüftung und Mundschutz. Das in Kombination mit der englischen Virusmutation war dann zu viel. Die Krankenhäuser kamen nicht mehr nach und man verhängte einen Lockdown, ähnlich dem Anfang 2020. Das bedeutet, dass Hotels zwar noch geöffnet haben, aber die Restaurants nicht mehr, ohne Ausnahme. Es gab also Frühstück und Abendessen auf dem Zimmer, Sauna und Schwimmbad waren natürlich geschlossen und man durfte, wie jeder andere auch, nur für einen Erholungsspaziergang vor die Tür. Na ja….. Würde ich klagen, es wäre auf sehr hohem Niveau, also lasse ich es besser.

So geht es seit dem auf dem Boot auch weiter. Die Gefahr, mittels eines Lockdowns fest gesetzt zu werden, war uns ja bis hierher immer knapp auf den Fersen, um uns nun schließlich in Lagos einzuholen. Es gibt schlimmere, und vor allen Dingen kältere Orte, an denen einem das passieren kann und wir hatten uns schon vor langer Zeit gesagt, dass wenn so etwas passiert, dann passiert es eben. Nur eines dürfen wir hier nicht: richtig krank werden!

Somit duschen wir jetzt an Bord, um selbst den Waschraum in der Marina so weit es geht zu meiden, und ziehen, wie alle anderen hier, den Kopf kräftig ein, bis das Gröbste vorbei ist. Von unserem ehemaligen Segelboot – jetzt neuerdings Hausboot – lernen wir so den Mikrokosmos der engsten Stegnachbarn um uns herum kennen, der einem Durchreisenden üblicherweise verborgen bleibt.

Neben uns liegt ein sehr sympathisches, höfliches Pärchen aus Irland. Er, ehemaliger Feuerwehrmann, überwintert hier geplant. Wir grüßen uns täglich freundlich, aber haben über etwas Smalltalk keinen engeren Kontakt. Daneben ein jüngeres Paar aus England mit jungem Hund. Der junge Hund ist sehr lieb und anhänglich. Das Herrchen aber will nicht, dass der Hund schmust und hatte darüber hinaus unlängst eine sehr angeregte Diskussion auf der Pier mit dem ebenfalls aus England stammenden Besitzer eines Katamarans schräg gegenüber. Nachdem schon die Marinaleitung eine aufgebrachte Mail verschickt hatte, wer denn um Himmels willen sein Hund auf unseren Steg C machen lässt, nahm der Kat-Besitzer an einem recht schönen Sonntagnachmittag diese Frage mit dem Hundebesitzer gleich direkt auf, nachdem er Zeuge der Produktion eben eines solchen Haufens direkt vor seinem schwimmenden Anwesen wurde. Dies fand dann seinen Höhepunkt darin, dass die Landsleute sich begannen gegenseitig vorzuschlagen, wer aus der eigenen Familie am besten mal Geschlechtsverkehr mit bestimmten Personen aus der anderen Familie haben sollte. Insbesondere der Hundebesitzer bot sich hier wiederholt selbst an und schlug dem Kat Besitzer alternativ vor, dass dieser das doch direkt mit sich selbst erledigen könne, was den Kat Besitzer wiederum dazu bewog, die Offerte nicht nur abzulehnen, sondern die fehlende Nachfrage zusätzlich dadurch zu dokumentieren, dass er seinen Kat am Folgetag etwas weiter weg in die Marina verlegte. Somit haben wir nun freie Sicht auf das Freudenboot des Hafens.

Das Freudenhaus der Marina

Abgesehen von diesem Höhepunkt etabliert sich ein ruhiger Bordalltag, der montagmorgens um 8 Uhr mit einem wöchentlichen Abteilungsmeeting beginnt, an dem ich nun in meinem neuen Job, in alter Firma, teilhaben darf. Zu Hause fängt man etwas christlicher um 9 Uhr an, aber durch die Zeitverschiebung habe ich hier etwas das Nachsehen und muss eine Stunde früher raus. Dafür beträgt die Anfahrt nur grobe 2-3 Meter und ist frei von Schnee und Eis. Montag ganztags und Dienstag Vormittag ist dann Arbeitstag, der Rest der Woche je nach Aufwand. Im Moment gibt es aber kaum klare Grenzen, da ich sowieso die ganze Woche auf dem Boot verfügbar bin.

Homeoffice

Einige Instandhaltungsarbeiten warten auf Erledigung. Leider ist das große Paket mit Teilen vom der Siriuswerft bei UPS auf dem Weg komplett zerstört worden. Ein Drama, sicherlich nicht nur für uns. Somit müssen der Einbau eines größeren Wasserfilters, das neue Fundament des Stuhls in der Navi Ecke, die Befestigung der Bretter auf dem Bugspriet und anderes Warten, auch wenn jetzt die Zeit da wäre. Auf Einbau wartet immerhin bereits die neue Außenantenne für Satellitenkommunikation, mit der bei längeren Törns abseits der Küste künftig das Wetter an Bord kommen und ein Mindestmaß an Kommunikation sichergestellt werden soll:

Wenn das Wetter es zulässt, können wir die Wäsche sogar auch im Januar an der Luft trocknen. Tatsächlich gelang uns das aber erst einmal.

Apropos Wetter: Das ist hier derzeit durchwachsen, wie in einem deutschen März / April. Wir hatten ein paar Tage Sonnenschein und gefühlte Temperaturen bis 20 Grad, T-Shirtwetter. Meistens ist es aber wechselhaft und frisch bei ~15 – 18 Grad, immerhin. Deswegen sind wir hier.

Lagos selbst liegt im Dornröschenschlaf, oder besser im künstlichen Koma. Wo sich sonst Kreuzfahrttouristen an der Uferpromenade entlang schieben und an den Buden Ausflüge buchen, ist gähnende Leere. Restaurants sind jetzt alle zu und so sieht es dann eben aus, wie überall.

Da natürlich auch die Friseure zu sind, haben wir erstmals selbst zu Schere und Langhaarschneider gegriffen. Nach dieser Operation finde ich, dass ich mich nach wie vor unter Leute begeben kann, machen wir vielleicht jetzt öfter. (Ja Paddy, ich habe deinen Kommentar hierzu schon im Ohr) 😉.

Jeden Sonntag ist kulinarisch jeweils ein anderes Land dran, nach dessen Stil teils recht aufwändig gekocht wird.


Aber wie geht es nun weiter?

Da man in Portugal derzeit nicht von Region zu Region reisen darf, gilt das für uns auf dem Wasser auch. Wir dürfen derzeit nur aus dem Hafen, wenn wir auf direktem Weg das Land verlassen.

Logische Ziele währen dem folgend nur Andalusien, aber die wollen gegenwärtig gar keine Fremden oder die Kanaren, auf denen es zwar noch etwas wärmer wäre, aber in Bezug auf Coronaeinschränkungen nicht zwingend besser. Der Turn an sich würde mich reizen, aber er führt uns mindestens 15 Tage lang in die falsche Richtung (5 Tage hin, 5 Tage auf den richtigen Wind warten, 5 Tage zurück, ohne den eigentlichen Aufenthalt), denn unsere grobe Richtung für 2021 soll Griechenland sein, ggf. auch der kurze slowenische Küstenabschnitt in der nördlichen Adria.

Auf dem Weg liegt Gibraltar, dessen britischen Felsen ich unbedingt mal besuchen möchte, nachdem ich bislang durch diese Meerenge immer nur durchgefahren bin. Während England jetzt nicht mehr zum Schengenraum gehört und nur noch mit Reisepass angelaufen werden kann, ist es bei Gibraltar genau umgekehrt. Verrückt! Gibraltar ist aber aktuell keine Option, da es der einzige Ort in Europa ist, der noch schlechtere Covid Zahlen hat, als Portugal. Auch haben wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die Algarve erforschen zu können. Ich möchte wenigstens mal einen Tag in der Lagune vor Alvor gelegen haben und ebenfalls ein paar Tage in der Lagune bei Faro gewesen sein um bei Culatra Ankern, wovon man mir seit Amsterdam vorschwärmt, wenn ich erwähne, dass wir an die Algarve wollen.

Die weitere mögliche Route werden wir in dem kommenden Tagen sehr grob planen. Wenn es funktioniert, werden wir somit in 2021 einen sehr ausgedehnten Törn quer durch fast das komplette Mittelmeer machen. Der Startschuss könnte direkt nach dem 15. Februar fallen, wenn die portugiesische Regierung über die Art der Fortsetzung des nationalen Notstandes entscheidet. Falls es dann losgehen kann, will ich fertig sein und an Tag 1 die Leinen los werfen können, solange es das Wetter gestattet. Wir waren dann lange genug hier und wollen ja nicht enden, wie so manches arme Boot in der Nachbarschaft.

Vergessen, verlassen, aufgegeben. Jemand musste den Bewuchs entfernt, um den Namen des Boots ergründen zu können. Dieses traurige Bild sieht man recht häufig. Für mich Mahnmale. Hinter jedem steckt eine Geschichte.

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