09.04.-05.05.2024

Am 9.4.2024 stehe ich nach der bislang längsten Abwesenheit von etwa 5 Monaten im weitläufigen Hafen von Antibes wieder vor meinem Clipper, der hier schlafend an der Pier liegt.

Er sieht von außen so aus, wie ich ihn zurückgelassen hatte. Ich mache eine kurze Runde über das Oberdeck. Man sieht zwar die vergangene Zeit, ich halte den Zustand aber für akzeptabel.

Vorsichtig öffne ich die Tür und schaue am UV Schutz vorbei in das abgedunkelte Innere. Nichts krabbelt, kein Wasser. Ich gehe hinein, öffne ein paar Bodenluken. Immer noch kein Ungeziefer, wovor ich am meisten Bammel hatte. Aber auch Wasser ist nirgendwo, mit einer entscheidenden Ausnahme: Die Dachluke der Mitschiffskabine wurde letztes Jahr undicht, sodass es auch bei normalem Regen schon hineintropfte. In der letzten Stunde vor meinem Aufbruch kam ich noch auf die Idee, eine Schüssel an diese Stelle zu stellen, um die Tropfen aufzufangen, falls das nochmals der Fall sein sollte.

Es hatte dem Hörensagen nach reichlich geregnet, ich schaue in die Schüssel und stelle fest, dass diese tatsächlich halb voll ist.

Was für eine genial, pragmatische Idee ich doch hatte; ich muss mich doch mal ausnahmsweise sehr loben. All das Wasser fand seinen Weg nur bis in die Schüssel und nicht weiter in das Boot und auf das gute Holz darunter.

Der nächste Blick geht zu den Batterien. Alle leben noch.

Am 30.11. hab es offenbar ein Problem mit dem Landstrom, was zwar auf dem Display gefährlich aussieht, aber nicht von Dauer und damit belanglos war.

Chemie für die sonst übliche Desinfektion des Wassertanks habe ich nicht mehr. Somit bekommt das Wasser großzügig Chlor dazu, bevor es in den Tank kommt. Das Chlor sollte aber auch beseitigen, was ggf. widerrechtlich in Tank und Schlauch zu leben begann.

Der Rest des Bootes ist bald wieder in einen oberflächlich guten Zustand zurückversetzt, so dass man darauf leben kann und ich beginne mich rasch den Umständen entsprechend wieder heimisch zu fühlen. Besagte Umstände sind hauptsächlich eine fiese Erkältung, die mich fast von der Zugfahrt nach Antibes abgehalten hätte. Ich kaufe kurz ein paar Lebensmittel sowie zwei 100 Pack Tempos ein und lege mich ins Bett. Die erste Packung ist bald bereits leer.

Zwei Tage später kommt eine Firma, um die Maschine zu warten. Ich habe das Ding seither für die Garantie nach Scheckheft gepflegt und jede Wartung ordentlich von einer Fachfirma durchführen und dokumentieren lassen. Das dürfte etwas mit meiner Nationalität oder so ähnlich zu tun haben. Damit wird nun aber nach diesem Erlebnis Schluss sein!

Zunächst wird aufwendig das Deck abgeklebt, auf dass kein Tröpfchen Öl oder Staubkörnchen es wagt, seinen Weg auf meine Teak- Imitation (Plexiteak) zu finden.

In der Folge wird mit zwei Mann Öl gewechselt, immerhin auch vom Saildrive, was lange überfällig war, der Impeller getauscht und alles sauber gemacht, was eigentlich gar nicht schmutzig war. Die Rechnung fällt sagenhaft aus: 837 EUR! Sprachlos überweise ich das Geld, mache das ab sofort selbst und gehe zurück ins Bett.

Das ganze ChiChi fällt nicht aus heiterem Himmel. Antibes ist die Heimat vieler Megayachten mit ihren monetär entsprechend ausgestatteten Eignern. Der Kai der Milliardäre ist so in Google Maps zu finden und spricht für sich. Ist das Wasser hier mal für eine besonders große Yacht eines besonders betuchten Scheichs nicht tief genug, wird einfach gebaggert und die Einfahrt vertieft, bis es passt.

Natürlich reist man, mit dem eigenen Jet am Flughafen von Nizza an und muss lediglich den kurzen Flug mit dem Helikopter in Kauf nehmen, um direkt vor oder auf der eigenen Yacht zu landen. Um nicht von dem Pöbel der Millionäre mit ihren ordinären Superyachten in unmittelbarer Nachbarschaft oder gar des völlig verarmten Plebs mit allem unter 30 Meter belästigt zu werden, ist der ganze Bereich vorsorglich abgesperrt.

Am Freitag, dem 12. April, muss ich den Liegeplatz wechseln. Es war im Herbst letzten Jahres nicht geplant, den Clipper so lange hierzulassen. Nun sind wir aber immer noch da und am 1. Mai startet die Sommersaison. Der Platz, auf dem ich liege, ist dann anderweitig vergeben, sodass ich umparken muss, was einer von zwei Gründen war, warum ich überhaupt nach Antibes kommen musste. Abends kommt Filip und wir verbringen das Wochenende auf dem Boot.

Am darauffolgenden Dienstag packe ich meine Sachen, insbesondere meine Schwerwetterausrüstung, wie Ölzeug, Thermounterwäsche, Seestiefel, was der zweite Grund für den Umweg über Antibes war, nehme den Flieger über Madrid nach A Coruña, wo ich an Bord der Regina Laska gehe. Das Boot ist eine sehr komfortabel und modern eingerichtete Hallberg-Rassy 46 meines Freundes Leon. Neben gefühlt 30 anderen segelbezogenen Tätigkeiten betreibt er als RYA Instructor zwei Ausbildungsstandorte für die Britische Royal Yachting Association, ist Autor von sehr lesenswerten Artikeln in der Yacht und einiger Bücher. So auch dem Praxisguide Fahrtensegeln, meiner theoretischen Grundlage für die kommenden Tage. Zweck der Fahrt ist es nämlich zusammen mit Leons Sohn Jonathan, sowie dem Briten Nick und dem deutschen Frank nach England in den Solent zu segeln, um dort gemeinsam intensiv für das Yachtmaster Offshore Examen zu trainieren, dem wir uns dann am Ende der 10-tägigen Reise für zwei Tage stellen wollen. Ich bereite mich darauf im Prinzip seit Anfang 2023 vor, unter anderem auf seinen Theoriekursen auf Malta.

Am Abend vor dem Auslaufen sind wir aber noch im ehrwürdigen königlichen Yachtclub von A Coruña (Real Club Náutico de La Coruña) eingeladen.

Eine ganz besondere Ehre, denn hier ist man exklusiv und unter sich. Nur die Mitglieder haben Zutritt und ohne diese Weihe, hat man hier absolut keinen Zutritt. Auch nicht mit Megayacht. Wir sind allerdings eingeladen von dem so legendären wie sympathischen Roberto ‚Chuny‘ Bermúdez de Castro, der neben vielem anderen nicht weniger als siebenmal für Spanien das Volvo Ocean Race bestritten und einmal gewonnen hat. Eine Art spanischer Boris Hermann, nur viel erfahrener, aber auch älter. Er betreibt nun die Marina Coruña und eine Werft in der Gegend.

Leon kennt ihn gut und hat sein Boot jeden Winter bei Chuny im Winterlager. Das ist eine Erfahrung für sich. Chuny erzählt, dass er mal einen Kunden hatte, an dessen Masttop er etwas nachsehen wollte. In dieser Liga legt man natürlich keinen Bootsmannstuhl an, sichert sich nicht mit zwei Fallen und lässt sich sicherlich nicht aufwinschen. Chuny klettert nach wie vor einfach so den Mast hoch. Der erstaunte Kunde, nicht ganz im Bilde, wen er vor sich hat, fragt, wie er das denn gemacht hätte. Chuny scherzt in seiner Unschuld, dass er das durch seine Schuhe kann. Am nächsten Tag steht der Kunde mit genau diesen Schuhen, er hatte sie sich am Nachmittag noch gekauft, vor seinem Mast und versucht in der gleichen Weise denselben zu erklimmen. Nachdem ihm das nicht gelingt, beschwert er sich bei Chuny, seine gerade erstandenen Schuhe seien kaputt. Leider ist Chuny’s Reaktion weder in Bild noch Ton überliefert.

Wir brechen auf. Es gilt einen Fahrplan einzuhalten, wir müssen nicht nur zur Prüfung nach England, sondern auch früh genug dort sein, um für unseren letzten Schliff intensiv und vor Ort zu üben. Das Wetter ist allerdings so, dass ich mit dem eignen Clipper und ohne Zeitdruck nicht unbedingt losgefahren wäre. Wir haben Wind mit 30–35 Knoten aus Nordosten, der in der Biskaya kurze giftige Wellen produziert, in die wir nun hart am Wind und mit ordentlich Lage hineinfahren. Am Anfang sieht das dann noch so aus:

Um die Mittagszeit kommt es bereits zu den ersten Zwischenfällen. Im Prinzip sind alle Seekrank. Leon reicht dennoch Pizza nach oben ins Cockpit. Frank und Nick lehnen ab. Ich esse und reiche an Jonathan weiter. Der Anblick ist für die beiden zu viel. Während sie beginnen, die bereitgestellten Eimerchen mit ihrem Frühstück zu füllen, versuchen wir anderen mühsam, unsere Nahrung in umgekehrte Richtung zu senden, unserer eigenen Seekrankheit und den Geräuschen unserer Sitznachbarn zum Trotz.

Das gelingt uns, aber aus dem toll geplanten Wachsystem wird zunächst ein Wechsel zwischen Jonathan und mir, während Leon als Skipper im Hintergrund bleibt, die letzte Verantwortung trägt und unser letztes Bollwerk darstellt. Die Linien davor halten aber.

Es werden drei anstrengende Tage. Nick und Frank erholen sich bereits am zweiten Tag gut, sodass wir wieder mehr Wachgänger haben und die Wachen verkürzen können. Das Wetter bleibt allerdings, wie es ist. Ich habe in der ersten Nacht neben dem Tag noch die Nachtwache von 0200 bis 0600, in der Folgenacht zwischen 0300 und 0600. Eigentlich mochte ich die Wachen in dieser morgendlichen Zeit schon immer, so auch bei der Marine. Alles schläft und man fährt für sich. Aber es ist anstrengend.

In der zweiten Nacht kommt Frank abends unversehens und für alle Beteiligten, ihn eingeschlossen, überraschend zu Nick und mir in die Kabine. Er war eigentlich im gegenüberliegenden Bad und putze sich gerade die Zähne, als er sich unfreiwillig der Schwerkraft folgend auf den Weg machte. Leider unterließ er es zu Beginn seiner Reise durch das so schräg liegende Boot, vor dem Durchqueren der uns trennenden beiden Türen, diese vorher zu öffnen. Ab dem Zeitpunkt war zumindest im Bad die Möglichkeit entfallen, die Tür von innen verriegeln zu können.

Obwohl wir den Kurs weiter nach Norden ändern, müssen wir die letzten anderthalb Tage Motorsegeln, da wir zu hoch am Wind sind und aus Zeit- und Komfortgründen nicht kreuzen können und wollen. Trotz aller Anstrengung finde ich den Törn interessant. Das Boot legt sich recht weich in die Wellen, die Größe von 46 Fuß (ca. 14 m) und dem Gewicht von über 20 Tonnen macht sich in Geschwindigkeit und Sanftheit in der Welle bemerkbar. Das zumindest verglichen mit meinen 11 Tonnen auf 35 Fuß (ca. 11 m). Sicherlich kommt die eine oder andere See dennoch rauschend und teils krachend über das Deck, lässt mich vorn in meiner Koje leicht abheben, aber Schönwettersegeln kann doch jeder.

Erst kurz vor Ende des Törns beruhigt sich der Schwell ein wenig. Wir kommen am 21. April in dem wunderschönen, britischen und sogar englischen Örtchen Dartmouth an.

Was für ein Kontrast zu dem gerade verlassenen Spanien. Insbesondere mein Pint of Lager schmeckt hervorragend und erinnert mich an meine lang vergangenen Tage in der Gegend. Die Pubs hier entlassen die Gäste zu einer Zeit, zu der in Spanien noch niemand daran denkt, überhaupt schon das Haus zu verlassen. Kein Wunder, dass die beiden Seefahrernationen sich oft schlecht verstanden und so viele Kriege führten und dass die Briten dabei etwas ausgeschlafener waren. Ich muss allerdings eingestehen, dass ich den Briten deswegen früher nicht so viel Verständnis entgegenbrachte, als die Kneipe fertig war – ich aber noch nicht. Heute stört mich das merkwürdigerweise zunehmend weniger.

Wir bleiben einen Tag, wiederholen Theorie, die für das kommende praktische Examen sitzen muss und segeln am darauffolgenden Tag nach Lymington. Vor allem das Berechnen der stündlichen Höhe der Gezeit, sowie der Richtung und Geschwindigkeit des Stroms sind fortan unser täglich unverzichtbares Brot. Ohne das als Basis kommt man schlicht nicht an, wo man plante.

Nach diesem einen Tag Pause sollte Nordwind kommen, auf den wir gewartet hatten, um unter Segeln nach Osten zu kommen. Er kommt nicht, sodass wir wieder Motorsegeln. Die Navigation ohne Plotter ist dabei die gleiche. Jonathan ist heute Skipper, hat den Törn ausgearbeitet und führt ihn durch. Vor allem das nächtliche Einlaufen in den Solent, an den Needles vorbei und den Fluß hoch nach Lymington ist spannend, vor allem wenn man es nur mit Papierkarte und Peilkompass macht.

Es folgen für alle Beteiligten weiterhin anstrengend, intensive Tage. Täglich wird im Standard An- und Ablegen, sowie Mensch über Bord geübt. Dazu kommen im Wechsel verschiedene Navigationsaufgaben, die in der Praxis anzuwenden sind und für die Prüfung so perfekt sitzen müssen, dass man sie auch unter Stress abrufen kann:

  • Schatzsuche: Auf der Karte wird ein Punkt definiert, den man unter Zuhilfenahme eines Peilkompass ansteuern muss. Keine weiteren Hilfsmittel sind erlaubt. Dazu wählt man sich zwei Fixpunkte aus der Seekarte, wie vielleicht ein Antennenmast und eine Tonne, bestimmt von diesen Objekten die Peilung zu dem definierten Zielpunkt. Damit steht man dann neben dem Rudergänger, misst laufend die aktuelle Peilung zu den beiden Fixpunkten und gibt Steuerkurse an, um aus den IST Peilungen die angestrebten SOLL Peilungen zu machen und damit zu dem Schatz zu gelangen. Hier ist das räumliche Vorstellungsvermögen die Voraussetzung, um das auf dem Wasser umsetzten zu können, was auf der Karte einfach aussieht.
  • Nebelnavigation: Man sitzt unten am Kartentisch und muss zu einem Punkt auf der Karte fahren, kann aber nicht hinausschauen, es ist schließlich Nebel. Man kennt nur den Ausgangspunkt und das Ziel auf der Karte, hat das Echolot, die Fahrt und den Kurs durchs Wasser. Die letzten beiden muss man dem Rudergänger oben vorgeben und vor allem unter Berücksichtigung des mitunter aktuell starken Tiedenstroms den Kurs und Geschwindigkeit errechnen, mit dem man dann hoffentlich am Zielpunkt ankommt. Das gelingt uns allen gut, kann aber auch massiven Stress verursachen, falls nicht. Denn es gibt aus der Übung keinen Exit. Der Nebel bleibt, das Boot ist in Fahrt und man muss irgend etwas tun, auch wenn man keine Ahnung mehr hat, wo man ist. Das wäre schließlich auch bei echtem Nebel so.
  • Navigation bei Nacht: Die beiden vorangegangenen Punkte kombiniert und nachts. Man muss zu einem bestimmten Punkt kommen, darf auch hinausschauen, sieht eben Nachts nur wenig und muss aber über Peilungen zu identifizierten Feuern von Seezeichen seinen Weg finden, ohne dabei auf eine Untiefe zu laufen, die es reichlich gibt.

Was vordergründig Spielerei ist, ist tatsächlich die Fertigkeit bei mehr oder weniger widrigen Bedingungen zum Ziel, wie einer Ansteuerungstonne zu gelangen, von der aus dann die Reviernavigation zum eigentlichen Ziel startet, was wiederum ein anderes Kapitel wäre, das wir üben.

Es kommen noch weitere Dinge hinzu, die aber eher Bootshandling sind, wie das Anlegen an einer Mooringboje nur unter Segel oder Motor im Tiedenstrom. Das Ankern im Tiedenstrom an einer Stelle, an der natürlich auszurechnen ist, ob denn bei Niedrigwasser noch genug Wasser unter dem Kiel und bei Hochwasser auch genug Kette gesteckt ist.

Den Prüfer interessiert es bei all dem nachher nicht, ob man das alles in der Theorie und auf dem Papier besonders schön und hochgenau ausrechnen kann. Kann man es nicht mit ausreichender Genauigkeit, kommt man einfach nicht am Ziel an und die Zielerreichung ist es, um die es hier geht. Das gefällt mir, deswegen bin ich hier. Nicht die theoretische Schönheit und das Auswendiglernen ist es, wie in 15 Punkten beschreiben, was man in welcher Reihenfolge machen muss, um ein Großsegel zu setzen. Das musste ich neben anderen absurden Punkten für die Prüfung zum SKS in meinen Kopf hämmern und hatte mir damals gesagt, dass diese Art von Ausbildung für mich nicht von großem Nutzen ist. Derlei wird hier bei der RYA Prüfung nicht abgefragt, es wird neben vielem anderen als Fertigkeit einfach vorausgesetzt. Hier geht es vor allem darum, ob man in der Praxis sicher ein Boot unter verschiedenen Bedingungen segeln und bewegen kann, was der Prüfer über zwei Tage inklusive der dazwischen liegenden Nacht durch Beobachten herausfindet. Die Theorie findet auch statt, bleibt aber Praxisbezogen.

Am 29. April kommt der Examiner Alan dann an Bord. Er hatte am Vortag bereits Nick und Jonathan die Prüfung zum Yachtmaster Ocean abgenommen. Mir fehlt hierfür noch das entsprechend lange Ocean- Leg von 600 gesegelten Seemeilen zur Qualifikation. Mein Solotörn von Lagos / Portugal nach Arrecife / Lanzarote war leider 50 Meilen zu kurz und einen längeren Törn außerhalb der Sichtweite von Land über den offenen Ozean hatte ich bisher nicht. Mir wäre die Doppelbelastung jetzt aber ohnehin zu stressig gewesen. Die eine große Prüfung zum Yachtmaster Offshore reicht, alles andere hat Zeit.

Alan ist ein extrem erfahrener Weltumsegler. Er war beim ersten The Whitbread Round the World Race dabei, das später den Sponsor wechselte, um dann Volvo Ocean Race zu heißen, bzw. heute nur noch Ocean Race. Das ging genau zwei Tage vor meiner Geburt los und war damals wie heute das härteste Rennen. Nur dass die Boote mittlerweile mit Technik vom Kiel bis zur Mastspitze vollgestopft sind, während damals Seekarten, eine genaue Uhr, ein Sextant und vielleicht auch gerne eine Gitarre ausreichen mussten. Drei Segler ertranken bei der ersten Ausgabe des Rennes. Alan kommt damit aus eine Generation von Seglern, die noch vor dem spanischen Chuny um die Welt gejagt sind. So einer wird uns jetzt also zwei Tage Aufgaben geben und uns bei deren Erledigung auf die Finger schauen. Wir sind alle reichlich nervös, ich schlafe schon seit Tagen nicht mehr richtig.

Es geht los mit der Sicherheitseinweisung für die Crew zum warm werden. Jeder referiert einmal, Alan hört im Hintergrund zu, macht sich Notizen, schweigt. Feedback gibt es erst ganz am Schluss.

Dann ist im Wechsel immer jemand Skipper und bekommt seine Aufgaben, die er mithilfe der zu unterweisenden Crew lösen soll. Man wird hier sowohl als Skipper als auch als Crewmitglied beobachtet. Ich versuche mich zu entspannen, ohne dabei die Konzentration zu verlieren. Leon hat uns intensiv im theoretischen auf seinem Kurs auf Malta und in den vergangenen Tagen hier an Bord vorbereitet. Ich war zudem letztes bei ihm 10 Tage auf Regina Laska, um den RYA Coastal Skipper zu machen, der zur praktischen Vorbereitung diente. Jetzt bekamen wir alle von Leon noch einmal ein praktisches Intensivtraining obendrauf, das es in sich hatte und den gewünschten Erfolg von Tag zu Tag mehr zeigte. Wir können das alles! Ich habe im Gegensatz zu den anderen sogar noch den Benefit von rund 10.000 gesegelten Meilen, auch wenn mir das wegen der befahrenen Reviere in Bezug auf Gezeitennavigation nichts brachte. Dennoch: Mehr Vorbereitung geht doch kaum. Und so läuft es dann auch. Die Praxis macht Spaß. Zusätzlich nimmt uns Alan immer wieder in verschiedenen Einzelgesprächen zur Seite und interviewt uns zu Themen wie Kollisionsverhütungsregeln, Wetter und unserem vorbereiteten Törnplan. Wir mussten vorab eine Reise durch ein Tidenrevier planen und diese planerisch in besagtem Törnplan so komplett vorbereiten, dass wir sie auch segeln können. Alan interviewt uns zu dieser Planung und verordnet uns dann eine anspruchsvolle Planänderung, die wir in angemessen kurzer Zeit beantworten müssen.

Das bringt keinen mehr an seine Grenzen. Die Manöver passten auch. Es stellt sich ein vorsichtiges Gefühl der Sicherheit ein.

Nach zwei Tagen und einer halben Nacht kommt es dann endlich zum Einzel-Abschlussgespräch. Dabei stellt sich schrittweise heraus: Alle haben bestanden! Die Erleichterung und die abfallende Anspannung sind an den Gesichtern deutlich abzulesen. Wir fahren abends von Cowes nach Lymington Yacht Haven und belohnen uns mit einem festlichen Dinner. Der Name des Restaurants ist Haven, ich interpretiere Heaven und so fühlen wir uns auch bei Cocktails und leckerem Essen. Ich schlafe die erste Nacht wieder fest, tief und durch bis morgens.

Am kommenden Tag nehme ich am 1. Mai den Zug nach Mainz, erledige dort etwa 300 mittel wichtige und ein paar sehr essenzielle Dinge, für die ich herkommen musste, nur um nach bloß zwei Tagen am 4. Mai wieder im Zug Richtung Antibes zu sitzen.

Das war dann in wenigen Tagen mit Zug, Flugzeug und Boot einmal durch halb Europa im Kreis: Mainz – Antibes, Antibes – Coruna, Coruna – Lyington, Lymington – Mainz, Mainz – Antibes.

Ich will mich nur noch irgendwo vor Anker legen und meine Ruhe haben. Mal sehen, wie das aussehen kann, denn meine Wartungs-To-Do-Liste auf dem Boot ist ähnlich lang, wie die gerade zurückgelegte Reise, am Montag endet mein Urlaub und ich habe ein Meeting nach dem nächsten, und auslaufen muss ich gleichzeitig am Montag auch noch, wenn ich den Liegeplatz nicht noch wenigstens einen Tag verlängert bekomme. Wie dem auch sei, die neue Saison hat endlich begonnen und ich bin gespannt, was uns diesen Sommer erwartet.

5 Gedanke zu “Mit Regina Laska von A Coruña in den Solent und zum Yachtmaster”
  1. Lieber Matthias,
    Glückwunsch zum British Yachtmaster Offshore! Ich kann es kaum glauben, aber Alan hat bei mir 2013 auch erst den YM Offshore und dann den YM Ocean geprüft! Die Welt ist so klein! Ich freue mich schon auf sie Fortsetzung Deines Blogs! Ahoi und immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel!
    Martin

    1. Hallo Martin,

      herzlichen Dank. 🙂
      Dass wir beide von ihm geprüft wurden, überrascht mich auch, aber nur kurz. Er hat wohl viele Generationen an Seglern geprüft. Freut mich dennoch, dass wir diese Gmeinsamkeit haben!
      Es hätte für Alan das letzte Jahr sein sollen. Vielleicht wären wir sogar seine letzten Prüflinge gewesen, aber er hat es offenbar nicht lassen können und sich vor einigen Wochen selbst noch mal seiner Prüfung gestellt, bestanden und damit seine Berechtigung zum Examinar um zwei weitere Jahre verlängert.

      Viele Grüße
      Matthias

  2. Hallo Matthias,
    herzlichen Glückwunsch zum British Yachtmaster Offshore!
    Jetzt weißt du was du in der OPZ verpasst hast, als ich in Portland und in Plymouth auf der Brücke stand.
    Dir deiner Crewund dem „SKIPPER“ alles Gute, tolle Törns und bleibt gesund!
    Viele Grüße Wolfgang

    1. Hallo Wolfgang,
      das ging mir durchaus durch den Kopf. Es würde mich allerdings im Detail interessieren, wie das auf der Brücke organisiert war und wie weit ihr es da getrieben habt. Ich meine mich an Blindnavigation dem hören / sagen nach erinnern zu können.
      Bei unserer Geschwindigkeit von 5 -7 Knoten Fahrt wirkt sich die Strömung ja viel mehr aus, Wie weit berücksichtigt man das dann noch, wenn man die Möglichkeit hat, mit 15 Knoten und mehr zu fahren? Macht man sicherlich nicht immer und muss dann eben doch rechnen und zeichnen?

      Können wir ja mal im nächsten Winter vielleicht erörtern, wenn sich die Gelegenheit ergeben sollte.

      Viele Grüße
      Matthias

  3. Hallo Matthias,

    da zolle ich Dir mal meinen aller größten Respekt, dass Du Dich einer solchen Prüfung stellst und sie mit Bravour meisterst. Glückwünsch und Grüße von der Westküste Schwedens mit Kurs auf Oslo (alles kalter Kaffee gegen Deine Törns).
    Einen schönen Segelsommer.

    Gustav

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