Über Unfälle, Missgeschicke und einem tollen Land von Samstag, 24.10.2020 bis Donnerstag 5.11.2020

Es sind ein paar Tage seit dem letzten Blogbeitrag vergangen. Ich bekam schon die Frage, ob ich eine Schreibblockade hätte. Nun, dem ist nicht so, wir waren einfach nur auf einem längeren Landurlaub.

Wenn ich selbst Seglerblogs lese, interessiere ich mich eher die Geschichten rund ums Segeln. Die Berichte zu Landausflüge interessieren mich oft weniger. Deswegen erwarte ich wohl hier unterbewusst etwa das gleiche, könnte aber falsch liegen. Deswegen meine Frage: (Umfrage entfernt)

Ex Hurrikane Epsilon schickte Anfang letzter Woche seine Wellen aus dem Nordatlantik und machte viele Häfen in Portugal für uns kaum erreichbar, auch wenn der Wind gut war. Wir hatten aber sowieso vor, ein paar Tage an Land zu verbringen, was dann allerdings gezwungenermaßen deutlich mehr als geplant wurde…

Wir liehen uns ein Auto, packten die an Bord befindlichen Wanderschuhe ein und fuhren zu einem Hotel in den Bergen, das gemäß unserer aufwändigen Recherchen eine Sauna haben sollte, die noch nicht COVID-geschlossen war und an dem völlig verregnet angekündigten Dienstag für Wärme sorgen sollte.

Armes kleines Auto

Auf dem Weg wollten wir ein paar Skateparks besuchen, die aufgrund des am Montag nicht vorhergesagten aber dann doch vorhandenen Regens allerdings unbefahrbar wurden, was sehr schlechte Stimmung erzeugte und uns völlig ungeplant und zufällig über Guimarães Altstadt, die nebenbei Unesco Weltkulturerbe ist, sowie die dortige Palast- und Festungsanlage, fallen ließ, welche die historische Wiege Portugals darstellt. Wir Spezialisten hätten es nicht besser planen können, hier mit unserem Aufenthalt in Portugal zu beginnen..

Abends ging es dann mit Googel Maps Hilfe zum Berghotel. Die letzte Abzweigung war dann unser Verhängnis. Sie war zwar vom Navi angewiesen und führte auch zum Hotel, aber wie man es vielleicht kennt: Die Abbiegung führt schon auf eine verdächtig schmale Straße, die dann irgendwann unbefestigt wird und sich schließlich in ein Feld ohne Weg oder Ähnliches verwandelt. Unser Feldweg blieb ein Weg, wurde aber einfach immer steiler und die Fahrrinnen immer tiefer. Ich (vorsichtiger Beifahrer) wollte anhalten und zurück auf die Straße. Filip (Fahrer) war in seiner üblichen was soll’s Stimmung und fuhr weiter, bis die ersten Steine von unten gegen den Rahmen schlugen.

Wir bleiben stehen. Ich versuche rückwärts wieder den Berg hochzukommen und quälte die Kupplung, bis es raucht, während Filip voraus mit der Taschenlampe den weiteren Weg erkundet. Ich schaffe es fast zurück bis zum befestigten Teil der Straße, aber die letzten Meter sind zu steil, die Räder drehen nur noch durch. Ich steige aus, untersuchte den restlichen Teil der Straße und das kleine Auto kann sich nicht mehr halten, rutscht unbesetzt mit offener Tür den Weg wieder halb hinab. Mir bleibt das Herz stehen, während ich dem rutschenden Fiat hinterherschaue. Das Gefährt nimmt gutmütig eine kleine Kurve und landet in einem Zaun. Wenigstens steht er wieder. Ich setzte ihn zurück auf den Weg, begutachte die fetten Schrammen in dem neuen Auto und beschließe, dass hier nun Ende ist.

Nichts geht mehr

Wir rufen im Hotel an, da die Rezeption nur bis 2100 Uhr besetzt ist, um schon mal anzukündigen, dass wir ein Problem haben und ggf. später kommen. Es stellt sich heraus, dass wir nur 150 Meter vom Hotel entfernt und die zweiten diesen Monat sind, die auf diesem Weg landen. Die Rezeptionistin und wenig später der Eigentümer kommen und er fährt das Auto vorsichtig bergab auf dem Weg, den er besser kennt als wir, mal links aus der Spur, mal rechts heraus, und so kommen wir am Hotel an. Meine Stimmung ist gedrückt, aber wir sind froh, wenigstens ohne die zunächst empfohlene Hilfe der Feuerwehr angekommen zu sein. Ich habe noch nie ein Leihwagen kaputt gemacht und fühle mich entsprechend.

Glücklicherweise stellte sich bei der Rückgabe heraus, dass das Auto versichert war und diese Versicherung nicht nur auf dem Papier existierte. Ich musste lediglich einen Zweizeiler schreiben, wie es passiert war, und alles war gut. Große Erleichterung Tage später.

Am nächsten Tag zeigen sich die Lackschäden.

Wir verbringen denn Regentag im Hotel. Die Sauna muss man buchen, da man da nur mit einer Partei rein darf. Da wir die einzigen Gäste im Hotel sind, stellt sich das ohne größere Einschränkungen als machbar heraus. Man stelle sich diese ausgezeichnete Ruhe vor, die wir so alleine in den Bergen hatten. Die Situation war ziemlich bezeichnend für die gesamte Tour.

Am folgenden Tag geht es dann bei besserem Wetter auf die Wanderung, was mal eine wohltuende Abwechslung zum Segeln war. Es ging dabei über Stock und Stein und war mit dem Level difficult beschrieben. Gegen Ende konnten wir das dann auch nachvollziehen, warum…. Landschaftlich und vor allem nach dem Regen wunderschön. Auch hier begegneten wir nur einem anderen Wanderpaar, ausgerechnet aus der Slowakei.

Eine Gottesanbeterin?

Am Donnerstag sollte es eigentlich wieder an Bord und unter Segeln am Wochenende nach Porto gehen. Das hätte zwei Tage gedauert, da Porto kein einfaches Revier ist. Die Stadt liegt am Fluss Douro, der eine beachtliche Strömung im Mündungsbereich hat. Vor allem bei Ebbe in der aktuellen Springzeit (Springzeit bedeutet, dass Sonne, Mond und Erde in einer Konstellation zueinander stehen, dass die Tide besonders stark ausfällt) kann der Strom mehr als 6 -7 Knoten ausmachen, was schon der Maximalgeschwindigkeit unseres Clippers entspricht. Einlaufen in Porto dann also nur bei Flut, die derzeit entweder nachts ist (nicht empfohlen) oder mittags. Mittags in Porto zu sein, schaffen wir aber von Viana do Castelo aus nicht. Also war der Plan, am Samstag, bei günstigem Wind und wenig Welle, zunächst in einen Industriehafen nördlich von Porto zu laufen und dann am nächsten Vormittag um die Ecke nach Porto selbst.

Man merkt am ständigen Konjunktiv, dass es so weit nicht kam. Die portugiesische Regierung untersagte wegen des Infektionsgeschehens im Land an diesem (langen) Wochenende zwischen Samstag 00:00 Uhr und Dienstag 06:00 Uhr alle privaten Fahrten / Reisen zwischen den politischen Gemeinden des Landes. Das traf uns dann auch. Wir beschlossen, uns dann statt in Viana do Castelo, lieber in Porto einschließen zu lassen. So nahmen wir das Auto noch einen Tag länger, fuhren schon mal voraus, schauen uns Porto jetzt drei Tage an und lassen den Hafen dafür mit dem Boot aus und segeln direkt zum übernächsten Hafen. Das spart insgesamt viel Zeit auf dem Weg nach Süden.

Bei der Anreise geht der Pokal für die blödeste Aktion des Tages eindeutig an Filip.

Die Situation aus meiner Wahrnehmung als Beifahrer:

Filip sucht einen Platz an der Straße um kurz halten zu können. Er muss dringend für kleine Segler und wir wollen außerdem kurz diskutieren, welches Hotel wir nun final nehmen. Er hält irgendwo, wo gerade Platz am Straßenrand war, steigt aus. Ich beschäftige mich intensiv mit Handy und der Hotelrecherche. Rechts von mir nehme ich einen großen Gebäudeeingang mit Wachpersonal wahr. Filip kommt zurück, steigt aber nicht ein, sondern holt seine Maske und hört sich eine Standpauke eines Polizisten an, die sich gewaschen hat.

Die Situation aus Sicht eines unbeteiligten Dritten:

Ein Kleinwagen fährt vor einem großen Polizeiquartier vor, hält direkt auf dem für Dienstfahrzeuge reservierten Straßenrand im großzügigen Eingangsbereich des Gebäudes. Der Fahrer des Wagens steigt souverän aus, ohne sich um die zunehmend verblüfft blickenden, aber dafür reichlich vorhandenen Polizisten zu kümmern, die dort stehen. Er wechselt, ohne sich weiter umzuschauen, die vierspurige Straße. Er stellt fest, dass es auf der gegenüberliegenden Seite an der Straße keine dunkle Ecke gibt, steigt in seiner Not und der ihm offenbar eigenen was soll’s Stimmung über den Zaun eines Privathauses und erleichtert sich in einer Art Vorgarten. Nach verrichtetem Geschäft wird zu seinem Auto zurückgeschlendert.

Der Polizist, der als Erstes seine Fassung zurückgewinnt, ruft ihn zu sich, schickt ihn noch mal zum Auto, um die obligatorische Maske zu holen, und erklärt Filip dann relativ scharf, dass das keine Verhaltensweise ist, die man so in Portugal an den Tag legt oder von anderen zu akzeptieren gedenkt. Wir dürfen weiter fahren, nachdem Filip ausreichend um Entschuldigung gebeten hat. Von mir will während der ganzen Aktion keiner was wissen. Ich bin nicht böse drum, sitze zunehmend beeindruckt und bewusst mittlerweile etwas tiefer gelegt in meinem Beifahrersitz, auch wenn mir das ganze Ausmaß der Aktion erst im Wegfahren klar wird.

Porto ist, wie erwartet, eine tolle Stadt. Wir besuchen erst ganz zum Schluss die einschlägigen Touristenattraktionen und laufend etwas abseits. Dabei erkunden wir die reichlich vorhandene und hervorragende vegane Restaurantszene. Vom Fastfood Buffet bis zum Sternelokal war alles dabei. Ein sehr zu empfehlender Stadtrundgang mit The Worst Tours, ebenfalls abseits der üblichen Pfade mit viel Stadt-Hintergrund war spitze. Auch in Porto haben wir die Stadt fast für uns. Touristen sind so gut wie keine da, die Einheimischen bleiben im vorauseilenden Gehorsam zu Hause, nachdem die Regierung zunächst nur darum bittet. Man habe die Restaurants in der ersten Corona-Welle schon eine Woche in Porto zugehabt, als die entsprechende Anweisung aus Lissabon kam. Das trifft die Leute hier auch hart, ist aber mit deutlich weniger Theater verbunden. Man erklärt uns das so, dass die Bevölkerung im Schnitt recht alt ist und man weiß, dass man das eigene Gesundheitssystem kaum belasten kann. Die Familie ist heilig, also riskiert man das Leben der Großeltern nicht und meidet die Straße. Eine Verkäuferin meint im Buchladen, sie wäre hier groß geworden und hätte die Stadt noch nie so erlebt. Das Wort leer würde den Zustand nur unvollständig beschreiben, man müsste ein Neues erfinden.

Wie geht es weiter?

Nachdem wir seit heute Morgen 06:00 Uhr überhaupt wieder reisen dürfen, sind wir zurück in Viana do Castelo und auf dem Boot. Wir werden aber weder heute (03.11.), noch morgen (04.11.) den Hafen verlassen, da viele portugiesische Häfen wegen Wind und vor allem Schwell an den beiden Tagen geschlossen sind. Am Donnerstag soll es ruhiger werden und wir überlegen, in einem längeren Schlag ein gutes Stück die Küste entlang nach Süden zu kommen, an Porto vorbei, aber auch an Aveiro (schwierige Zufahrt) und Figueira da Foz. Südportugal ist nicht nur generell unser Ziel für den Winter, sowieso wärmer und nicht so verregnet, es ist vor allem noch nicht mal für Deutschland COVID Risikogebiet und mit deutlich weniger Einschränkungen belegt, als seit dem Wochenende die Mitte und der Norden des Landes, wo es jetzt auch einen mäßigen Lockdown gibt. Also wächst der Druck, da unten auch mal bald anzukommen. Nächster Stopp ist daher Nazaré, mit einem immer anlaufbaren und sicheren Hafen. Wir wollen Donnerstag morgen los und Freitag Abend dann in Nazaré ankommen. Ob wir Lissabon danach besuchen, oder das in eine bessere Zeit verschieben, müssen wir dann entscheiden.

Da geht es morgen wieder raus…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.