Die Kriese

Wir sind wieder zu zweit und atmen erst einmal durch. Die letzten dreieinhalb Wochen, mit Ausnahme der Überfahrt nach Sizilien, hatten wir nun Besuch, was für alle Beteiligten eine unglaubliche schöne Zeit und besonders für uns eine hochwillkommene Abwechslung zu unserer normalen Zweisamkeit war. Unsere Freunde und Familie kamen, um Urlaub zu machen. Also machten auch wir Urlaub und hatten gemeinsam die traumhaft schönsten Erlebnisse vor Anker und am Badestrand. So schön kann dann doch das Mittelmeer sein.

Gleichzeitig traten aber für uns beide unsere eigenen Arbeiten in den Hintergrund. Diese gibt es, auch wenn ich kaum davon berichte, wie ich viele Stunden im Vorschiff am PC sitze oder Filip sein Workout betreibt und seine Projekte verfolgt. Das Konzept heißt ja Leben, Arbeiten und Reisen an Bord einer Segelyacht.

Mich kostet mein Fernbleiben vom Schreibtisch nur Urlaubstage und mein ehemals üppig gefülltes Zeitarbeitskonto geht ins Minus. Ein wenig habe ich nach der schönen Zeit auch das Gefühl, etwas mehr Brot und Butter, statt immer nur Torte haben zu können. Generell passt es aber gut für mich.

Bei Filip ist das unter der Oberfläche anders. Seit wir Festlandspanien bei Segur de Calafell Mitte Juni verlassen hatten und uns aufmachten, die Balearen zu erforschen, um über Sardinien schließlich nach Sizilien zu kommen, hat Filip das Gefühl, im Leben nicht mehr voranzukommen, auf der Stelle zu stehen. Nur noch Besichtigungen, Badespaß und Segeln. Er benötigt wieder seinen selbstbestimmten Alltag, will seinem täglichen Training nachgehen, Zeit für seine eigenen Projekte haben. Seine persönliche Weiterentwicklung findet bei all den Freizeitaktivitäten nicht statt. Er zieht aus all dem Reisen unter Segeln eben nicht die Genugtuung, wie das bei mir der Fall ist, wenn ich mich in dieser meiner Passion weiter entwickle, meine Erfahrungen sammle, täglich lerne und das alles auch noch begeistert in einem aufwändigen Blog berichte.

Wir wollen deswegen nun bereits am kommenden Tag den Anker lichten und weiter ziehen, wieder Strecke Richtung Griechenland machen, um dann für dieses Jahr mal wo anzukommen, um dort zu bleiben. Die Eile kommt nun daher, dass eine kleine meteorologische Störung in Verbindung mit dem täglichen Seewind gutes Vorankommen verspricht, indem sie uns Rückenwind zunächst auf dem Weg an die Ostlüste Siziliens bringen soll.

Fast das ganze Mittelmeer liegt im dauerhaften Hochdruckeinfluss. Es gibt aufgrund der fehlenden Druckunterschiede keine Winde, nur die kleinen lokalen Windsysteme, wie eben den typischen Seewind am Nachmittag. Wenn wir also das bisschen nicht nutzen, was wir die kommenden zwei Tage sehen, dann bleibt nur der Motor oder eben die Nachmittage. Das dauerhafte Hoch mit wenig Wind und viel Sonne ist für das Mittelmeer im Sommer ja nicht ungewöhnlich. Die hohen Temperaturen und damit auch die aktuelle Wassertemperatur ist es aber schon. Wir haben an allen Plätzen zwischen 28 °C und 29 °C im Wasser und in Strandnähe ist es noch wärmer. Für einen Badeurlaub ist das perfekt. Es bedeutet aber meteorologisch auch, dass sehr, sehr viel Energie im System vorhanden ist, die erst mal gefangen bleibt und nirgendwo hin kann. Irgendwann, spätestens im Herbst, werden wieder irgendwo die ersten satten Tiefs entstehen. Dieses Tiefs findet dann perfekte Bedingungen vor, sich zu verstärken. Sie können sich mit Wasserdampf nur so vollsaugen, dass das aufgeheizte Meer bereitwillig abgeben wird. Von Starkregen bis zu einem Medicane, dem mediterranen kleinen Bruder des karibischen Hurrikan ist dann alles möglich.

Ähnlich wie in der mediterranen Meteorologie geht es auch in der Gemütslage Filips zu. Er hatte eine wunderbare Zeit, in der er seine ureigensten Bedürfnisse aber zu lange zurückstellte. Ein kleines Tief reicht nun aus, um unbefriedigte Bedürfnisse sichtbar negativ zu entfesseln. Der Wechsel zwischen Sonnenschein und Sturm vollzieht sich nur in Minuten und entsteht am Mittag des Tages mit der Aufklärung seines Irrtums meinerseits, dass der gesegelte Weg von der Westküste Siziliens bis zur ersten griechischen Insel Kefalonia nicht 3, sondern 5 -6 Tage dauern wird. Die drei Tage mehr machen es jetzt für ihn aus. Er bekommt das Gefühl, aus dem Reisen gar nicht mehr heraus zukommen, da es Anfang September bereits wieder nach Hause geht. Statt endlich wieder mit seinem Workout zu starten, stehen ihm stattdessen 5–6 Tage weitgehende Bewegungslosigkeit bevor. Es folgt ein Tag des Grauens für beide von uns. Gegen 5 Uhr am frühen Morgen des darauffolgenden Tages entschied er dann, doch nicht am Morgen von Bord zu gehen. Zu dem Zeitpunkt war der Koffer gepackt, die Zugverbindung für die Abfahrt am Bahnhof um 7 Uhr klar und keine Minute geschlafen.

Bleiben können wir hier nicht, da der Ankerplatz auf 48h begrenzt ist und die Marinas mit 100 EUR je Nacht viel zu teuer sind. Wer also an Bord ist, muss mitsegeln. Wir fahren mittags los, bei teils schwachen, teils frischeren Winden fast komplett von Achtern. Filip beißt die Zähne zusammen, während ich die beeindruckenden Tragflügel-Schnellfähren bestaune, die uns bereits hier in der Hafenausfahrt mit 38 Knoten überholen. Mir gefällt der Name der Fähre in Verbindung mit Umstand, wie das Schiff gerade seewärts stürmt: Liberty

Der letzte große Transit dieses Jahres

Die Aussicht, doch immerhin knapp drei Wochen auf Kefalonia sein zu können, um zur Ruhe und sich selbst zu kommen, beruhigt schließlich die Lage etwas. Wir segeln zunächst bei schwachem Wind, später sogar unter Motor in die erste Nacht hinein, und warten auf den Wind, der uns, wie ein Laufband am Flughafen, am zweiten Tag aufnehmen und beschleunigen soll.

Des einen Leid, das anderen Freud. Ich genieße den letzten großen Törn des Jahres, freue mich, wenn wir gut vorankommen und der Clipper Stunde um Stunde seinen Weg durch die kleinen kurzen Wellen pflügt, beständig dem gesetzten unbekannten Ziel entgegen, dass es zu entdecken gilt.

Gerne blättere ich jetzt zur Vorbereitung in dem Hafenguide über Griechenland, lese Rezessionen zu Marinas und Ankerplätzen auf Navily. Immer mehr bin ich voll der Vorfreude, die Theorie in diesem vor langer Zeit gekauften Buch bald zur gelebten Praxis werden zu lassen und die dort fotografieren und beschriebenen Gegebenheiten selbst zu entdecken. Welch ein Privileg, so etwas erleben zu dürfen.

Genauso fühle ich aber auch vorübergehend Frustration, wenn es mal nicht vorangeht, wenn der Wind kein angenehmes Vorankommen beschert und alles Segeltrimmen nichts hilft.

Auf den alten Rahensegelern, den Westindienfahrern und später den schnellen Teeklippern war der Druck auf dem Kapitän noch um ein Vielfaches größer, zügig voranzukommen. Man hatte schließlich Fracht zuzustellen. Ging es gar nicht weiter, sah und hörte man den Kapitän in der größten Not auch schon mal über Deck spazieren und ein Liedchen auf den Lippen pfeifen, während die Mannschaft dem Schauspiel argwöhnisch und teils ängstlich beiwohnte. Es war ein Spiel mit dem Feuer, denn, wie jeder Seemann weiß, bringt Pfeifen an Oberdeck Sturm und Verderben, was der Kapitän als Risiko dann irgendwann dem Flaute schieben vorzog.

Zu diesem ultimativen Mittel greife ich nicht, so schlimm ist es auch nicht. Das ist mir ohnehin zu gefährlich. Lieber halte ich den Mund und nehme die Maschine, was ich auch tue, als der Seewind für heute einschläft. Um 22 Uhr machen wir noch 2 Knoten, gegen Mitternacht 1 Knoten und um 1:30 geht der Hobel mit wenig Umdrehungen an, sodass wir zumindest 2–3 Knoten Fahrt durchs Wasser haben, bis das erste Lüftchen am Morgen um 6 Uhr wieder ein äußerst gemächliches Weitersegeln ermöglicht.

So bin ich in der Lage, große Freude aus Dingen des Segelalltags zu ziehen, die Filip bedauerlicherweise verschlossen bleiben. Immer wieder Konfliktpotenzial!

Was wir mühelos teilen, ist natürlich die Begeisterung für alles Leben im Meer, wenn es sichtbar wird, solange es uns nicht das Ruderblatt abknabbert. So fahren wir morgens in eine große Delfinschule hinein. Ich habe mich gerade hingelegt und war auch schon schön eingeschlafen, da schmeißt mich Filip unsanft wieder aus dem Bett. Erst denke ich, es sei etwas passiert und bin sofort hellwach, das Adrenalin ersetzt den Kaffe. Aber es ist nur seine Begeisterung und er möchte mich hieran teilhaben lassen:

Mit Pfeifen versucht er, uns den Tieren gegenüber interessant zu machen. Es hat wohl jeder seine eigenen Methoden. Der französische YouTuber Patrick Laine schwört auf klassische Musik für Wale.

Mit dem Seewind ab Mittag kommen wir dann auch endlich auf unser Laufband, das mit kräftigen achterlichem Wind enorm schiebt. Ich fahre im Schmetterling, um auch den letzten Zehntel Knoten herauszuholen und es geht gut voran.

Zwischenstopp

Kurz vor dem Aufbruch waren wir mit dem Clipperchen noch mal an Land, um in einem winzigen Lebensmittelladen unseren frischen Proviant notdürftig aufzubessern. Aber Wasser bekamen wir in Trapani keines mehr. Auf dem Transit beschließen wir nun überdies durchzuziehen. Filip will auch an der Ostküste nicht mehr von Bord, was noch eine Option gewesen wäre, und verfährt nach dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, Augen zu und durch. Touristische Zwischenstopps sind daher jetzt keine mehr geplant, nur noch Segeln, bis wir da sind. Für mich passt das ohnehin.

Wir wollen das Wassersparen aber nicht übertreiben müssen und machen am zweiten Morgen des Törns um 05:00 Uhr einen technischen Stopp in Marina di Ragusa. Der Hafen dort ist ein größerer Sportboothafen, der auch viel zum Überwintern genutzt wird und dann interessante Gemeinschaften an Seglern entstehen lässt, die aus allen möglichen Ländern zusammengewürfelt auf die nächste Saison warten. Nach eingehender Recherche erscheint mir die Station als Boxenstopp am geeignetsten. Kurz rein, hauptsächlich Wasser aber auch Diesel bunkern und gleich wieder raus, weiter nach Griechenland. Direkt nach dem Anlegen müssen wir erst mal der Polizei über das woher und wohin Auskunft geben. Die Flüchtlingsproblematik ist hier im Süden Siziliens und unweit von Lampedusa ständig präsent. Wir hören ein- bis zweimal am Tag Mayday Relay Rufe aus der Gegend, wo die Flüchtlingsboote von irgendjemandem entdeckt und die mitunter akute Seenotlage dann den Landfunkstellen gemeldet wird. Entsprechend aufmerksam ist man gegenüber möglichen Schleusern.

Die Polizisten helfen sehr freundlich beim Anlegen und übernehmen unsere Leinen. Als sie ihre Antworten zu dem Woher und wohin bekommen hatten und zufrieden davon gezogen waren, entdecke ich den Kabelsalat, den sie mit unseren Leinen an den Pollern fabriziert haben. Ich muss schmunzeln. Womit sie auch immer sonst zu tun haben, das Helfen bei den Leinen ist offensichtlich nicht ihre Hauptbeschäftigung. Aber sie waren sehr freundlich und hilfsbereit, was ich sehr zu schätzen weiß.

Einer der Hydranten an der Wartepier führt Wasser. Perfekt! Ich hole unseren Schlauch und lasse das kostbare Gut gefiltert in unseren Tank laufen. Im Grunde könnten wir jetzt schon wieder weiter, so viel Diesel werden wir bei der Fahrt nicht benötigen, sodass wir hier nicht dringend tanken müssten. In Griechenland kommt der Diesel aber meist in Tankwagen, da ist es hier einfacher. Wir schlafen also noch mal zwei Stunden, dann ist jemand bei der Tankstelle und wir machen auch diesen Tank voll, bevor wir die Leinen wieder los werfen und abhauen. Next stop: Griechenland!

Ich beziehe noch einmal das Wetter, solange wir das Handynetz haben. Die Wetterkarte müssen wir uns weiterhin nicht ansehen, ein einziger Hochdruck. Der Strömungsfilm aus den Wettermodellen macht dagegen deutlicher, womit wir zu rechnen haben.

Wir erwarten nach der Südostecke Siziliens im Prinzip nicht viel Wind. Es wird ein Halbwindkurs, der nach einer Flautephase mal mehr, mal weniger raumen soll. An den einheitlichen Routings der Modelle sieht man, dass sich darin alle einig sind, womit die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es auch so kommt.

Denkste! Eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es so kommt? Im Mittelmeer? Erst mal kommt gar kein Wind, dann kommt er direkt so weit aus Osten, dass wir recht dicht ran müssen. Ich fahre mit einem Windwinkel von zunächst 45–55 Grad in der Erwartung, dass er ja immer mehr von Westen kommen soll, was uns dann ein zügiges und bequemes Segel ermöglichen würde. Er weicht aber immer 20–30 Grad zu unseren Ungunsten von der Prognose ab und dreht erst gegen Ende der Passage, viel später als er sollte. Wir kommen dadurch immer weiter nach Süden, südlich zu dem Kurs und der Höhe am Wind, die wir eigentlich haben sollten.

Ich gehe deswegen meinerseits immer mehr an den Wind ran, bis ich zum Schluss so hoch am Wind bleibe, wie ich kann. Ein wenig fühle ich mich um den schönen Wind der Prognose betrogen und ich weiß schon heute: Wenn ich in ein paar Tagen noch mal drauf gucke, werde ich mit Sicherheit das absolut perfekte Wetter für die Überfahrt sehen.

Astronomische Navigation

Das Wetter verspricht ansonsten keine weiteren Besonderheiten, die See wird insgesamt friedlich bleiben. Wir haben ein paar Filme gespeichert und vertreiben die Zeit mit Lesen, Kochen und dergleichen. Zumindest Filip macht viel in der Richtung. Ich habe jede Menge Hörbücher, aber finde nicht die Muße, mal ein paar Stunden nichts zu machen, außer einem Hörbuch zuzuhören. Auf See ist immer irgendetwas zu tun, das mich mehr in Beschlag nimmt. Sei es der Verkehr, die Segelstellung, der Kurs. Die Passage muss wohl deutlich länger gehen, dass mir langweilig wird. Um nicht aus der Übung zu kommen und einfach auch weil es Spaß macht, will ich zum Beispiel auf der Überfahrt auch mal wieder den Sextanten zum Einsatz bringen. Ich bereite alles schön vor, versammle meine Publikationen und Hilfsmittel um mich.

Ich schieße das erste Mal die Sonne, notiere die Zeit und bereite mich darauf vor, nach einigen Stunden den zweiten Schuss zu nehmen, um dann mit den Tabellen und der gekoppelten Strecke meine Position am Nachmittag auszurechnen.

Ein Buch habe ich allerdings nur elektronisch, den Nautical Almanac für 2022, der jedes Jahr neu herauskommt und ohne den in der Astronavigation nichts geht. Für 2022 habe ich mir die Ausgabe in Papierform gespart. Zu meinem Verdruss bemerke ich aber jetzt, dass ich dieses File zu lange nicht mehr benutzt habe und sie sich speichersparend in die Cloud zurückgezogen hat. Ich packe etwas enttäuscht alles wider zusammen und nehme mir zwei Dinge vor: Erstens muss ich herauszufinden, wie man das File dauerhaft lokal auf dem iPad vorhalten kann und zweitens werde ich mir für 2023 das Ganze vernünftigerweise ebenfalls als gedruckte Ausgabe an Bord zulegen.

Meine Enttäuschung wird mit einem schönen Salat verarbeitet, den ich zubereite und den wir dann zusammen genießen.

Das Kielholen

Beim letzten Stopp hatte ich auch die Loge noch einmal ausgebaut und gründlich gereinigt, damit ich eine Messung für die Geschwindigkeit durchs Wasser habe. In einem früheren Blog hatte ich bereits einmal kurz gezeigt, wie das aussieht:

Beim Schnorcheln bin ich immer mal wieder unter das Boot getaucht und habe die Logge von unten mit einer Bürste versucht zu reinigen. Das ist nicht gut gelungen, da die Logge kurz darauf erneut stand. Die Reinigung des kleine Schaufelrads musste gewissenhafter erfolgen, wozu ich sie dann schließlich mal kurz ausbaute. Aber auch um die Logge herum ist es notwendig, mal mit der Bütste am Rumpf zu reinigen, um Verwirbelungen des an der Logge vorbei strömenden Wassers zu reduzieren, die durch Bewuchs verursacht werden.

Dieser Bewuchs hat es in sich. Dadurch, dass ich mich am Rumpf beim Hinabtauchen festhielt, bekam ich ein paar schöne oberflächliche Schnittwunden auf der Haut.

Zwar kaum mehr als Kratzer, aber es erinnert mich an das wahre Gesicht des Kielholens, das bei Weitem nicht der Badespaß mit Luft anhalten ist, für den es heute landläufig gehalten wird.

Vielmehr begann man diese schwerste zu verhängende Strafe in der niederländischen Marine, die dann von der britischen Royal Navy und anderen übernommen wurde. Es gab verschiedene Methoden des Kielholens. In der bekanntesten und grausamsten Art wurde der Delinquent eng unter dem Schiff entlang gezogen, dass er von dem scharfen Seepockenbewuchs am Rumpf, wie von tausend scharfen Messern, grausam zugerichtet wurde.

In einem YouTube Video wird die Anwendung der Strafe ansehnlich zusammen gefasst. Daraus zitiere ich eine Beschreibung eines Reporters, der 1882 in Ägypten die wahrscheinlich letzte dokumentierte Anwendung der Strafe beschreibt. Beim ersten Kielholen: „Sein Gesicht war uns zugewandt. Es blutete und war zerrissen. Seine Kleider hingen in Fetzen und seine Hände trieften vor Blut“.

Die Prozedur wurde dann wiederholt, da der Verurteilte noch nicht tot war. Nachdem er auf seiner ersten Reise von nur 24 Sekunden unter dem Schiff durch als zerkratzt und zerrissen beschrieben war, so wurde er am Ende des zweiten Durchgangs als regelrecht verstümmelt bezeichnet. Der Bericht schließt damit, dass man nur hoffen kann, dass das Opfer am Ende des zweiten Durchgangs dieser Behandlung tot war, da der Tod ab hier eine willkommene Erlösung gewesen sein muss.

Glücklicherweise ergibt sich die Notwendigkeit einer Kielholung auf unserer Passage nicht, sodass wir ohne derlei Grausamkeiten unseren Weg Richtung Griechenland

Ankunft in Griechenland

Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir am Abend des fünften Tages Kefalonia. Bis auf wenige Kabel haben wir es dann doch zu dem Wegpunkt geschafft, den wir erreichen wollten. Zuletzt drehte der Wind dann immer weiter, wie versprochen, auf West, sodass wir mit nur einer Maschinenstunde in den Wind korrigieren konnten, um jetzt in die sehr geschützte Einfahrt der Bucht zu gelangen.

Vor Argostoli angekommen, haben wir genau drei Möglichkeiten zu bleiben. Die Erste wäre, den Anker zu werfen und dann mit dem Heck rückwärts bis zur Straße zu fahren und dort mit zwei Heckleinen anzulegen, also die griechische Version von römischen katholischem Anlegen. Das heißt wirklich so! Das haben wir aber noch nie ausprobiert. Es ist dem Prinzip nach nicht kompliziert, aber bereits reichlich dämmrig und wir haben beide keine Lust, das jetzt das erste Mal auszuprobieren.

Die zweite Variante ist das Ankern. Wir gehen das Manöver an und beim ersten Versuch erhalten wir überhaupt keinen Halt. Der Anker muss wieder an Bord und die Ursache für das missglückle Manöver wird sichtbar. Der Anker kommt mit Unmengen an Posidonia, also Seegras, wieder aus dem Wasser. Das muss erst mal entfernt werden, bevor wir einen zweiten Versuch starten können. Beim zweiten Mal hält der Anker und ich gebe auf 6 Metern 35 Meter Kette, da ich viele Reviews zu dem Ankerplatz gelesen hatte, dass es bei viel Wind zu Problemen mit dem Halt kommt und viel Wind hier nicht so selten ist. Als wir fertig sind, hören wir von einem Nachbarn Klatschen. Ich frage Filip, ob das Beifall für ein besonders schönes Manöver ist, da brüllt der schon ziemlich aufgebracht rüber, dass wir zu dicht liegen. Wir überlegen kurz, ob wir das einfach ignorieren, aber wenn er deutlich weniger Kette als wir gesteckt hat, würde es bei einem Winddreher tatsächlich eng werden.

Ich habe keine Lust, mir einen weiteren Platz hier zu suchen oder Kettenlängen mit neigend aufgebrachten Nachbarn zu diskutieren. Es ist jetzt dunkel und wir wollen für heute Schluss machen. So überzeuge ich Filip kurz, die dritte mögliche Variante zu probieren: die alte Marina.

Die alte Marina ist eine Bauruine gegenüber der Stadt auf der Ostseite der Bucht. Die Betonpier und die Eisenpoller sind alle da. Man bekommt den Schutz einer Marina, kann sogar längsseits anlegen, hat aber keinerlei Infrastruktur, also kein Wasser, keine Beleuchtung und kein Strom für das Boot. Dafür kommt allerdings auch niemand, um zu kassieren! Wir fahren in die dunkle Marina, bekommen beim Anlegen Hilfe von zwei anderen Seglern und sind nach fünf Tagen Transit ab Trapani wieder fest.

Es ist zwar schon spät, aber wir wollen von Bord und in Griechenland ankommen. So nehmen wir kurzerhand das Clipperchen und fahren auf die andere Seite in die Stadt. Hier betreten wir offiziell auf unserer Reise erstmals griechischen Boden.

Wir suchen uns ein schönes Lokal am Wasser, bestellen und werden mit dem von mir so geschätzten griechischen Salat und einem lokalen Bier für die Ankunft belohnt.

Wir sind angekommen und alles wird gut. Wir hatten alles in allem eine angenehme und ruhige Überfahrt und werden nun beginnen, uns in den folgenden Tagen hier gemütlich einzurichten. Ich freue mich darauf!

5 Gedanke zu “Von Sizilien (IT) nach Kefalonia (GR) – Die große Überfahrt nach Griechenland”
  1. Hallo lieber Matthias ich freue mich für Euch, dass es für Euch beide weitergeht.
    Vielen Dank an dem Punkt nochmal für Deine schönen Reiseberichte! Toll so ein bisschen dabei sein zu dürfen.
    Persönlich finde ich, dass Griechenland für Langfahrtsegler das schönste Revier im Mittelmeer ist. Die Häfen sind – wenn man überhaupt bezahlen muss – billig. Die Menschen sind sehr entspannt und uns immer freundlich zugewandt gewesen. Die Tavernen so gut und preiswert dass selbst kochen kaum günstiger ist. Ihr werdet erleben, das man Euch an der Hand nimmt, und zum Töpfegucken in die Küche bringt, damit Ihr was schönes aussuchen könnt… Dabei hat man teils eher das Gefühl zum Essen bei Freunden zu sein.
    Ich weiß ja Eure Pläne nicht, aber wenn ich an Eurer Stelle wäre, würde ich viel Zeit in Hellas verbringen und auf keinen Fall die nördlichen Sporaden auslassen. Klar, ist ziemlich im Norden der Ägäis aber entspannter geht es nicht – alles mit Tagesetappen zu erreichen und meist stabile Winde.
    Viel Freude und fair Winds Euch beiden weiterhin!

    1. Hallo Frank,
      das lässt einem das Wasser im Munde zusammen laufen. Danke für deine motivierenden Worte. Wir sind in der Tat am überlegen, was wir machen. Der ursprüngliche Plan war, nächstesFrühjahr wieder Richtung Atlantik zu segeln. Wir fangen aber an zu spüren, wie schade es wäre, Griechenland nicht wenigs einen Sommer = 1 Jahr lang zu erforschen.

      Wir werden sehen, was sich entwickelt. Ich habe jedenfalls sehr große Lust, erst mal hier zu bleiben. In jedem Fall bleiben wir über den Winter, auch wenn Griechenland dafür nicht so ideal zu sein scheint. Wir versuchen ein paar Monate bei Athen unter zu kommen, ich hoffe, es wird nicht zu teuer dort.

      Viele Grüße
      Matthias

  2. Hi Matthias,
    ich habe heute deinen Blog entdeckt und es macht sehr viel Spaß ihn zu lesen. Wir werden auch in Griechenland überwintern und haben etwa das gleiche Ziel. Vielleicht sieht man sich ja wieder. Fair winds und liebe Grüsse von André und Uli (SY SUNNY eure Ex-Nachbarn der letzten beiden Nächte😉)

    1. Hallo ihr zwei,
      Klasse das ihr schreibt, ihr wart die deutsche HR am Anker neben uns, richtig? Schade das wir euch nicht mal einfach angequatscht hatten 🙂 Aber das holen wir bei Gelegenheit gerne nach!
      Wir sind jetzt in Gouvia, machen Seeklar zurück und fahren für 3-4 Wochen nach Deutschland. Dann geht es hier weiter. Wo seid ihr dann? Wisst ihr schon, wo ihr über Winter bleibt?

      Liebe Grüße
      Filip & Matthias

      1. Guten Morgen,
        naja so fast. Wir waren eine Bavaria 42 Ocean, die aussieht wie eine HR😄
        Achso wir dachten, ihr seid wegen dem Weather forecast in die Marina gefahren. War für uns von 2 – 6 Uhr eine schlaflose Nacht durch das ganze Dauergewitter. Aber alles gut gegangen. Also hattet ihr auf jeden Fall den richtigen Zeitpunkt mit der Marina erwischt. Nein so richtig wissen wir noch nicht wo wir über Winter bleiben. Warten noch auf eine Rückmeldung von einer Werft, da wir so einiges am Schiff machen müssen und manches machen lassen. Nach jetzigem Stand denken wir allerdings, dass es Kilada wird.
        Keine Ahnung wo wir in 3-4 Wochen sind. Morgen werden wir Korfu verlassen und es geht weiter nach Paxos. Wünschen eine schöne Zeit in Deutschland.

        LG André und Uli

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