08.08.-13.09.2021

Planen und Wetter – Das Spiel der Wettermodelle

Am 12.09.2021 wollen wir die Kanaren verlassen. Soweit jedenfalls mal wieder der Plan. Lange vorher beginne ich zu schauen, ob dieser Plan mit dem Wind zu vereinbaren sein wird, denn unter Motor fahren wollen wir nur, wenn das unbedingt nötig ist.

Das ist für mich eine ziemlich spannende Sache. Für die Grobplanung verwende ich Windy.com aus Tschechien. Hier bekomme ich die Windverhältnisse optisch in einem schönen, einfach und schnell zu erfassenden Strömungsfilm – Windy waren wohl die Erfinder dieser Art, den Wind optisch darzustellen. Heute macht das fast jeder, zumindest optional. Was hier wahlweise in der App oder der Desktopansicht sehr nützlich ist, ist der mögliche Vergleich der verschiedenen Wettermodelle gegeneinander.

Größere Wetterdienste betreiben ihre eigenen Wettermodelle. Sie haben also eine eigene Meinung, wie sich das Wetter auf Basis der heute bekannten historischen Wetterparameter weltweit weiter entwickeln wird. Diese Meinung ist eben ihr Wettermodell, eine Art Computerprogramm, dass auf den größten, oder genauer gesagt schnellsten Computern dieser Welt läuft. So wird ständig berechnet, wie denn das Wetter der Zukunft, basierend auf den Messdaten der Vergangenheit wird. Die Europäer betreiben Modelle wie das ECMWF, die Deutschen unter anderem das ICON, die Amerikaner zum Beispiel ihr kostenloses, aber recht grobes GFS, und einige andere tun das ebenso. Die drei genannten sind im Wesentlichen die, die mich für die Kanaren momentan interessieren, weil sie sie abdecken – und sie sind sich gerade überhaupt nicht einig!

Wenn nun alle Modelle in zum Beispiel drei Tagen die gleiche Vorhersage treffen würden, dann kann man mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass es so auch wird. Diese Situation haben wir nun zwischen 5 und 7 Tage vor Abfahrt nicht. Das amerikanische Model GFS behauptet, es wird perfekten Wind aus Westen für drei Tage geben. Die Europäer vermiesen diese Aussage und sagen Wind aus Osten oder von vorne mit ausgedehnte Schwachwindphasen voraus. Die Deutschen liegen da nicht weit weg von. Es würde natürlich reichen, einen Tag vor Abfahrt das Ganze zu sichten, um dann eine Entscheidung zu treffen. Ich finde das aber so spannend, dass ich schon eine Woche im Voraus täglich mehrmals schaue, wie sich die jeweiligen Vorhersagen entwickeln und wie unterschiedlich sie zueinander sind. Zu dem Zeitpunkt sind die Modelle noch so ungenau, dass es fast schon unseriös ist, diese Glaskugel zu bemühen. Das insbesondere dann, wenn das normalerweise vorherrschende Wetter, wie aktuell, durch eine Depression gestört wird, die alles durcheinander bringt. Ich mache es dennoch, es ist wie ein Fußballspiel, bei dem man einen Favoriten hat, von dem man möchte, dass er gewinnt, ohne selbst etwas dazu beitragen zu können. Aber man kann ihn eben anfeuern und mitfiebern.

Daneben lasse ich mir den Weg nach den verschiedenen Wettermodellen grob vorausberechnen. Das funktioniert zum Beispiel mit Squid mobile, welches wie ein Navigationsgerät aus dem Auto nach den jeweils angenommenen Windverhältnissen der Modelle den passenden Weg berechnet und darstellt. Das sieht dann so aus:

Jede Route hat als Basis ein anderes Wettermodell und somit einen anderen optimalen Weg

Das ist jedoch extrem grob. Zum einen kennt das Programm die Segeleigenschaften des Clippers nicht, so dass ich das Polardiagramm eines anderen Boottyps verwenden muss, das dem einer Sirius 35 DS möglichst nahe kommt, was reine Gefühlssache ist. Zum anderen ist das natürlich kein Hochleistungsprogramm, wie aus dem Regattasport. Es gibt aber dennoch Hinweise und visualisiert besser, wann man nach welchem Model möglicherweise wo ist, um einen Wechsel des Windes wie zu begegnen. Das ist besonders dann interessant, wenn sich während des geplanten Törns das Wetter bedeutend ändert, wie jetzt zum Beispiel.

Für die anschließende Feinplanung verwende ich Seaman Pro von WetterWelt. Das ist meine Referenz im Bereich bis drei Tage, insbesondere um zu sehen, wie das lokale Wetter genau sein wird. Das wird dann regelmäßig auf See über Satellit aktualisiert und ist dann das Maß der Dinge, mit dem wir rechnen.

Hier der Vergleich des Tracks Gran Canaria nach Madeira auf direktem Weg in Windy und SeamanPro bei meiner Planung

Leider verliert das GFS schließlich einen Tag vor Abfahrt an das europäische Modell und gleicht sich diesem an. Das wird also nichts. Wir würden am Sonntag (12.09.) zunächst unter Motor fahren müssen, um aus der Schwachwindzone, rund um die Inseln herauszukommen. Wenn wir dann nicht zügig vorankommen, haben wir am Ende den wiederum schwachen Wind genau gegen uns. Das könnte noch nicht mal genug zum Kreuzen sein. Darüber hinaus geht noch unterwegs eine Kaltfont durch, die für den recht drehenden Wind verantwortlich sein wird. Da kann man durchfahren, muss man aber nicht.

Das Tiefdrucksystem, zu dem diese Front gehört, hat es dabei in sich. In Portugal wird vor dem System gewarnt, da es große Mengen Wasser mit sich führt und heftige Gewitter über ganz Portugal bringen wird.

Wir bekommen nur den Rand des Systems mit, hier sollte das ganze nicht so dramatisch sein, aber gemütlich ist es bestimmt nicht und wer weiß. So sieht das auf der Analysekarte des Deutschen Wetterdienstes aus.

Ein Segler der Zeit hat, hat immer gutes Wetter; sagt man. Nun gut, wir haben Zeit und planen um. Zunächst verlängere ich die Marina für zwei weitere Tage und storniere den Urlaub, den ich mir für die Überfahrt geplant hatte. Dann sollte die Front durch sein, aber noch genug recht drehender Westwind, der uns eigentlich hätte nach Norden tragen sollen. Wir verwenden ihn nun aber, um nach Lanzarote zu fahren. Von dort aus haben wir einen viel besseren Winkel zu dem sonst hier vorherrschenden Nordostwind, der sich ab Donnerstag auch wieder einstellen wird. Mit dem wollen wir dann auf annähernd Halbwindkurs nach Madeira. Wir bekommen auf Lanzarote vielleicht auch ein Auto und können einmal über die Insel fahren. Somit bekommt auch Filip diese Chance, er kam ja erst auf Fuerteventura an Bord und ich hatte mich aus den Häfen auf Lanzarote auch nicht landseitig hinausbewegt.

Das hat auch den Vorteil, das wir hier von Gran Canaria langsam weg kommen, zumindest aus der Marina Las Palmas. Man wird hier bei jeder Verlängerung bereits nervös, denn die ersten Boote der ARC kommen an und bald wird der Hafen für das Mega-Event fast komplett geräumt. Alles, was dann nicht zur ARC gehört, muss dann raus sein. Die ARC ist wieder Monate vorher ausgebucht und es besteht eine lange Warteliste.

Die ersten Yachten mit ARC Beflaggung treffen ein
Das Wassersystem

Währenddessen nutze ich noch die Zeit, um das Relais an die Frischwasserpumpe anzuschließen, das fast eine unbegrenzte Lebensdauer des integrierten Druckschalters verspricht. In Mainz erstand ich zu diesem Zweck bei Schmidt Elektronik ein Relais SHR-4141, das wohl viel im KFZ Bereich zur Verwendung kommt. Ich hatte von der generellen Problematik bei diesen Pumpen bereits berichtet, als unsere alte Pumpe nicht mehr wollte.

Dabei war die erste große Herausforderung, herauszufinden, wie das alles überhaupt zu verkabeln ist. Das müsste Stoff aus dem Physikunterricht 7 oder 8 Klasse gewesen sein. Ich habe es jedenfalls gerade so mit YouTube und viel Internetrecherche wieder hinbekommen und mir nach zahlreichen falschen Zeichnungen diese Vorlage gemacht, mit der ich dann zu Werke gehen konnte. Alleine die Frage, warum die Anschlüsse am Relais mit so kryptischen Zahlen, wie 85, 86, 30 und 87a beschriftet sind, habe ich bis zum Schluss nicht verstanden. Musste ich aber auch nicht…

Was dann folgte, war echte Bastelei und jeder Elektriker würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Mir fehlten Ring-Quetschhülsen in der richtigen Größe für den Anschluss an der Stromversorgung, sodass ich mir eine andere zurechtgelötet habe, was so bestimmt nicht vorgesehen ist.

Dann ist die Quetschzange aus dem portugiesischen Baumarkt der letzte Dreck und mir gehen während der sehr mühsamen, weil recht unzugänglichen Installation, mehr Verbindungen wieder auf, als ich am Ende insgesamt verwende. Das Relais hängt jetzt frei schwebend im Raum, statt gegen Korrosion geschützt auch in einer kleinen Box zu verschwinden. Das muss alles noch mal richtig gemacht werden, so kann das nur für kurze Zeit provisorisch bleiben. Dafür benötige ich aber entweder ein Elektriker oder vernünftiges Material. Beides steht mir hier nicht zur Verfügung.

Das Projekt Wasser ist damit aber jetzt abgeschlossen und da die Nachfrage im letzten Blog war, will ich hier noch mal kurz zusammenfassen:

  • Frischwasserpumpe immer nachträglich mit Relais ausstatten, so dass der in der Pumpe verbaute billige Druckschalter nicht die ganze Pumpe, sondern nur das Relais schalten muss. Hält dann ewig.
  • Wasser schon beim Befüllen des Tanks filtern. Zum Beispiel mit einer Hohlfasermembran (entspricht Mikrofiltration) von Aqua Free.
  • Den Tank regelmäßig mit einer Lösung gegen den Bakterienfilm reinigen. Das gibt es von Lilie (LILIE Trinkwasserdesinfizierer, 1l) und ist somit garantiert verträglich mit der Trinkwasserpumpe, durch die die Substanz durchgeht. Basiert auf Wasserstoffperoxid.
  • Hinter der Frischwasserpumpe hängt dann noch mal ein Aktivkohlefilter, in meinem Fall von WHALE. Hier bin ich mittlerweile so schlau, den nicht nach der angegebenen Durchflussmenge zu tauschen, sondern wesentlich früher. Gerade bei Hitze und auch, wenn Wasser bei Abwesenheit längere Zeit unbewegt darin gestanden hat, muss getauscht werden. Zur Not monatlich.
  • Bei längerer Abwesenheit Wasser ablassen oder mit Silberionen haltbar machen und dann wegschütten. Vergleiche Hinweis und weiterführende Anmerkungen von Blauwasser.de
  • Was ich noch vorhabe, ist das Wasser mal testen zu lassen, was wir über das System zu uns nehmen
Motorenwartung mit Hindernissen

Nach vielen Versuchen bei insgesamt 3 (!) Firmen bekomme ich noch etwas hin: die jährliche Motorwartung. Noch ist der Motor neu, sodass es sinnvoll ist, die Wartung von einer Volvo Penta Vertragswerkstatt durchführen zu lassen, die das auch entsprechend dokumentieren kann und somit den Garantieanspruch erhält.

Es war ein Drama. Ich fühle mich nicht wie ein Kunde, sondern wie ein unglaublich lästiger Bittsteller. Das passiert mit hier schon mit anderen Dienstleistern, rund ums Boot so. Man kommuniziert und schreibt mit so einer Firma hin und her – Wochen vorher, sodass diese die Möglichkeit haben, einen einzuplanen. Man klärt alle Details, nur auf die immer wieder gestellte Frage nach dem Termin kommt konsequent keine Antwort. Auf die Weise wurde es nichts auf La Palma – wir fuhren schließlich ohne diese Information in dem Gefühl ab, das würde auch nichts, wenn wir noch einen Monat geduldig weiter warten und schreiben. Erst die zweite Firma auf Gran Canaria erbarmte sich dann meiner. Diese dafür dann aber sehr professionell und zufriedenstellend. (canarias.apsmotor.es)

Für die Zugänglichkeit des Motors musste ich dann den Werkstattraum und die Steuerbord Backskiste ausräumen. Das sah aus, als würden wir das halbe Boot auseinandernehmen. Ich mache das am Abend vorher, damit ich damit auch fertig bin, wenn die kommen. Da er mich auch nicht versuchte, über das Ohr zu hauen, wie das der Kollege aus Amsterdam vor einem Jahr erfolgreich machte, der damals meine Unwissenheit ausnutzte, war die Angelegenheit auch deutlich schneller und günstiger erledigt.

Zu Besuch bei Miss Sophie

Grund für unsere zeitige Abreise von La Palma und die zügige Weiterfahrt ab Teneriffa war damals, dass wir noch unsere Freunde Markus und Diana von der Miss Sophie sehen wollten, die in dieser Zeit noch in Puerto Mogan/ Gran Canaria auf ihrem Boot waren. Das klappte auch und wir verbrachten hier zwei knappe aber schöne Tage mit den beiden.

Hierbei entdeckte ich zufällig auch, dass es sich bei Puerto Mogan um den malerischen Ort aus der Condor Werbung handelte, mit dem Gran Canaria dort beworben wird und den ich online schon gesucht hatte. Ein künstlich angelegtes Städtchen rund um die Marina, das ich recht hübsch finde, auch wenn das alles nicht natürlich gewachsenen ist.

Ich finde das Mittelmeerflair hier jedenfalls toll. Vielleicht geht einem das nach ein paar Tagen auf den Keks, aber ein bisschen bedaure ich, dass wir hier keinen Abstecher hin machen.

Soziales Leben in Las Palmas

Filip trifft auch wieder seine Freunde in Las Palmas de Gran Canaria, wie unter anderem Uli, die hier ihr Studio hat, eine Expertin für Weben ist, davon lebt aber auch viel über das Färben mit natürlichen Farben weiß und damit arbeitet. Die beiden ziehen los und sammeln Pflanzen, mit denen Filip später weiter arbeiten wird. Das hängt dann erst mal für ein paar Tage zum Trocknen am Boot und wir machen den Eindruck, als würden wir entweder eine größere Abneigung gegen Vampire haben und zu unseren Schutz merkwürdige Kräuter aushängen oder wahlweise auch, als hätten wir einen gallischen Druiden an Bord.

Schlussendlich kleben wir nun auch die beiden Flicken auf das Code Zero, sodass diese Baustelle nun ebenfalls provisorisch geschlossen ist. Die Beschädigung kommt ja noch aus der Fahrt auf die Kanaren, von Lagos kommend. Nach dieser Großtat können wir nun bald wirklich, los, wenn die oben beschriebene Wetterplanung den Startschuss gibt.

Geburtstagsfeier

Nur eines müssen und wollen wir hier noch würdig erledigen: Mein Geburtstag, den ich letztes Jahr komplett unter Maschine fahrend und allein von Franeker nach Amsterdamn zubrachte. Wir beschließen, uns etwas Besseres für diesen Tag zu gönnen und gehen in eine sehr nahe gelegene Herberge, die sich neben dem vorhandenen SPA Bereich dadurch auszeichnet, dass sie eine Klimaanlage auf dem Zimmer hat. Welche eine überwältigende Wohltat!

Ich bin mir mittlerweile nicht mehr so sicher, ob meine Entscheidung gut war, aus Kostengründen auf eine Klimaanlage an Bord zu verzichten. Die schlimmste Hitze von La Palma haben wir zwar hinter uns, aber es kühlt nachts nach wie vor nicht wirklich ab. Es ist auf die Dauer immer zermürbender, durchgängig bei deutlich über 25 Grad zu schlafen, noch dazu, wenn man die Luft nur mittels der Ventilatoren bewegt bekommt. Mal nicht zu schwitzen ist eine solche Wohltat, dass es mehr als die Klimaanlage zum Geburtstag kaum gebraucht hätte. Das Hotel lässt sich aber nicht lumpen und stellt Geburtstagsgrüße in Form von Schokoladenkuchen und Sekt bereit. Damit hatten wir nicht gerechnet und freuen uns.

Zur Feier des Tages ziehe ich mir mein Superman T-Shirt an, ein Geschenk meiner Arbeitskollegen aus Mainz, das ich nach wie vor sehr schätze, und mische damit die immer wieder verdutzt gaffenden Spanier zu meinem großen Vergnügen etwas auf. Ich fühle mich wie einer Berühmtheit. Recht so, zumindest heute.

Wir nehmen nach ausgiebigem Saunieren an der Rooftop-Bar ein Cocktail, gehen schön essen und beschließen den Abend später bei spanisch eingeschränktem Calvados in der Pianobar des Hotels. Ab Samstag sind wir dann wieder auf dem Boot und am Dienstag werden wir also Richtung Lanzarote wieder in See stechen. Ich freue mich schon!

4 Gedanke zu “Gran Canaria – das Match der Wettermodelle”
  1. Hallo Matthias,

    Habe mit viel Freude und Interesse deinen neuen Blog Eintrag gelesen. Ich werde bei sirius gleich versuchen dass relais gleich einbauen zu lassen …
    Außerdem finde ich es sehr erfrischend und ermutigend zu lesen, wie du dich durch die schiffstechnik durchwuselst. Das steht mir auch noch bevor. Und Elektrik ist nicht wirklich etwas womit ich mich gut auskenne.
    Also, gute Reise mit dann dem richtigen Wind Mix.

    LG Gustav

  2. Lieber Matthias,

    doch, Deine Schilderungen sind immer wieder interessant, auch für Landratten.
    Dann wollte ich Dir noch nachträglich ganz herzlich zu Deinem Geburtstag gratulieren. Vielleicht kann man nachträglich eine Klimaanlage einbauen. Das könntest Du ja auf Deine Wunschliste schreiben.

    Euch weiterhin ein gute Fahrt.

    Ute

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