Die Überschrift des Törns klingt dramatisch, aber übersetzt ist es genau so. Der Name „Küste des Todes“ kommt sicherlich aus der Zeit der Rahsegler, die nicht gut gegen den Wind kreuzen konnten. Da die Küste eine schroffe Steilküste ohne Strände ist und das meist vorherrschende Wetter Winde aus Nordwest bis Nordost präsentiert, handelt es sich meist um eine gefährliche Leeküste, auf die man mit einem alten Rahsegler im Sturm leicht drauf getrieben wird, ohne viel Chance das zu überleben.
Das Ende der bekannten Welt war Kap Finistère, bis ein gewisser Italiener, nennen wir ihn „C.C.“ im Auftrag und Diensten der kastilischen Krone 1492 auf der anderen Seite eine zu den Bahamas zählende Insel entdeckte. Das Kap benannte man danach bis heute nicht um…
Ich hätte als Überschrift allerdings auch schreiben können „Die Materialschlacht vor der Küste des Todes“. Was war passiert?
Nach La Coruna soll es entlang besagter „Costa de la Muerte“ mit Zwischenstops zum berühmten „Kap Finistère“ gehen. Wir brechen im Dunkeln kurz nach 6 Uhr morgens in La Coruna auf und segeln entlang der Küste bei angenehm frischen Wind und etwa 2 Metern Welle. Das Zwischenziel ist das kleine Fischerdorf Malpica, 20 Meilen (ca. 32 km) westlich von La Coruña. Dort gibt es zwei Surfschulen, wo Filip ein Board leihen und Wellenreiten möchte. Anschließend wollen wir über Nacht an einer einsamen, nur von Vögeln bewohnten Insel ankern.
Es gibt in Malpica keine Marina und Ankern vor dem Strand ist aufgrund der Wellen und der fehlenden Möglichkeit zum Anlanden mit dem Dinghy unmöglich. Man würde in der Brandung des Strands kentern. Es gibt aber einen Fischereihafen mit Mooringbojen, an denen die Fischer fest machen. Der Revierführer sagt, man könne dort in der Hafeneinfahrt ankern oder eine Mooringboje „verhandeln“. Wohlan. Da ich keine Ahnung habe, wie ich auf Spanisch eine Mooringboje verhandeln soll, auch nicht mit wem, bleibt in meiner blöden deutsch-korrekten Logik nur Ankern.
Es war ein toller Weg dorthin, das Dinghy hatten wir in La Coruña bereits ausgepackt und mit einer Jungfernfahrt durch den Hafen getestet. Passt alles. Seitdem hängt es brav an seinen Davids am Heck und verleiht dem ganzen Boot einen gewissen Blauwasserseglerlook. Der Sonnenaufgang ist traumhaft, ich mache ein Bild und poste seit Langem mal wieder etwas auf Insta. Könnte ich eigentlich häufiger machen…. Das nächste Mal schreibe ich zumindest noch einen „Guten Morgen“ oder so was ins Bild. Ich glaube, das wirkt netter, als einfach nur das Bild.
Wir segelten zunächst mit der großen Genau dahin, bis ich sah, dass diese unten am Hals lose war! Der Bolzen im Schäkel hatte sich gelöst.
Ich hatte diesen noch nie kontrolliert und musste erkennen, dass es höchste Zeit für einen regelmäßigen Riggcheck vor jedem Auslaufen wurde. Auch wenn das Boot immer noch nagelneu war, bezogen auf die angenommene gesamte Lebensdauer von 2 bis 3 Generationen, so stecken andererseits natürlich schon über 1.700 Seemeilen darin. Also rollte ich die Genua ein und es ging mit der deutlich kleineren Arbeitsfock weiter.
Wir kommen in dem Fischereihafen von Malpica gegen 10 Uhr an. Das Moringfeld geht bis zum Ende des großen Wellenbrechers, der den Hafen vor dem Atlantik schützt. Eine Boje neben der anderen. Viele frei, aber für uns ja keine Option. Wo soll ich denn hier den Anker schmeißen?? Ich versuche es, obwohl ich gar keinen Schwojkreis hätte, sodass das Boot bei einem Winddreher auch nach der anderen Seite Platz hätte, sich um den Anker zu drehen. Der Wind soll aber die kommenden Tage so bleiben und ich will mal wieder mit dem Kopf durch die Wand. Also knapp vor Ende des Wellenbrechers so weit außen, wie es gerade geht, den Anker runter und mit ordentlich Achteraus Umdrehungen der Maschine schauen, ob er hält. Das tut er zweimal nicht zufriedenstellend und ruckt deutlich hörbar über den Grund. Ohne einen bombensicheren Halt werde ich aber den Clipper nicht alleine lassen! Das nächste Fischerboot, auf das wir treiben würden, ist gerade mal 10 Meter entfernt und auch im Hafen ist der Wind mittlerweile aufgefrischt. Da bleibt nicht viel Zeit, falls der Anker nicht halten sollte.
Ich entscheide abzubrechen. Keine Ahnung, was ich als Nächstes gemacht hätte, vielleicht doch eine Boje? Die Frage stellt sich aber gar nicht erst. Der Anker hat zwar keinen festen Halt am Grund, sitzt aber nun fest und lässt sich nicht einholen. Er will weder horizontal halten, noch vertikal nach oben. Na Bravo!
Also entweder schaffen wir es, ihn mit viel Motorkraft frei zu fahren oder wir müssen ihn lassen, wo er ist und ggf. mit einem Taucher bergen lassen (das klappt dort nie im Leben). Aus der Verzweiflung heraus quäle ich die Ankerwinde ein ums andere Mal. Ich bin nicht bereit aufzugeben. Das darf doch nicht war sein! Wir wollen in der Nacht und in der nächsten Zeit doch so viel Ankern….
Die Ankerwinde gibt irgendwann den Geist auf, tut keinen Mucks mehr. Ich hoffe inständig, dass es nur die Sicherung ist, gehe ins Vorschiff, räume die Koje dort frei, entferne die Matratze, komme an die Sicherung. Die ist raus, in der Tat. Also wieder reingedrückt und weiter geht das Spiel. Die Ankerkette geht jetzt kerzengerade nach unten ins Wasser. Wir stehen also direkt über dem Anker und bekommen die Kette mühsam und in kleinen Schritten ins Boot. Materialschonend ist das nicht. Die Sicherung fliegt noch zweimal raus und muss wieder aktiviert werden, aber ich sehe den Anker schon, nur noch nicht, was er mit an die Oberfläche bringt.
Dann kommt die ganze Scheiße ans Licht und es offenbart sich das Problem.
Es handelt sich um eine tonnenschwere Kette, die entweder verloren ging und da nun mal rumlag oder zu einer Mooringboje gehörte. Absoluter Wahnsinn, dass wir das Ding an die Oberfläche bekommen hatten. Die entscheidende Frage war nun, wie wir das Monster wieder vom Anker bekommen sollten. Wer kam eigentlich auf die bekloppte Idee, hier, direkt am Rande eines Mooringfeldes, zu ankern? Ist es nicht klar, dass man da so was zu fassen bekommt??? Ich ärgere mich später über mich selbst, wenn ich Zeit finde. Es kam ja noch Zeug zum Ärgern dazu…
Den Anker wieder ablassen war jetzt keine Option. Es gelang mir, mit dem Bootshaken bewaffnet, vorne über den Bug hängend und auf dem Bauch liegend eine Festmacherleine unter die Ankerkette zu bekommen. Ich belegte beide Enden auf den beiden Vorschiffsklampen und ließ den Anker vorsichtig ein bisschen ab. Beim dritten Mal von auf und ab kam unser Anker von der Kette frei! Die Kette hing nun in der unter dem Bug hängenden Bucht des Festmachers. Geschafft!!
Wir waren fest an der Ankerkette, die von dem Festmacher unter dem Boot gehalten wurde und ich konnte unseren eigenen Anker wieder einholen. Das tat ich so dämlich schnell, dass er sich beim Einholen nicht ausrichten konnte und 90 Grad verdreht in seinen Parkplatz einrauschte, verkantet und bombenfest stecken blieb. Es bleibt einem heute nichts erspart.
Da wir leidlich fest waren, schickte ich Filip zum Surfen und wollte die Zeit nutzen, um den Anker da irgendwie wieder rauszubekommen. Wir hatten ihn zwar jetzt nicht verloren, aber nun so fest am Boot, das wir ihn nicht zum Ankern wieder los bekamen.
Ich gab nach etwa einer Stunde auf. Der saß fest und ließ sich weder über „pfiffig“ nach vorne und zurück auf die Elektro-Winsch umgelegte Leinen herausziehen, noch mit gewaltsamen Schlägen mit dem Werkzeug, dass ich an Bord hatte.
Filip kam bald zurück, da beide Surfschulen, wo er sich ein Board hatte leihen wollte, geschlossen waren. Mir passte das aus zwei Gründen gut. Zum einen konnten wir nicht hier bleiben. Der Festmacher scheuerte gut hörbar am Rumpf. Keine Ahnung, wie lange der so die Ankertrosse halten würde, ohne zu brechen. Zum Zweiten konnten wir nicht mehr Ankern und brauchten eine Marina, um das Geschirr wieder klar zu bekommen. Ich hatte mir bereits Muxía als nächsten Hafen mit 5 Stunden Transitzeit ausgesucht.
Wir machten noch schnell Mittagessen und sahen zu, das wir weiter kamen. Das Loswerfen der fremden Ankerkette war kein Problem. Sobald wir um den Wellenbrecher kamen, ging der Tanz dann los. Der Wind hatte gem. Vorhersage auf 25 Knoten mit Böen von 30 aufgefrischt. Das ist eine Menge, Windstärke 7 in Böen, hatten wir noch nicht. Die Wellen hatten wir zunächst gegen an und krachten da gehörig in den einen oder anderen Wellenberg. Das war zu viel, in zu kurzer Zeit. Filip zog sich in die Mittelkabine zurück und ich war wieder Einhandsegler.
Die Windgeschwindigkeit war gar nicht so sehr das Problem, es war die Mischung aus Wellen, Böen und dem annähernden Vorwindkurs. Diese ließ die Selbstwendefock mit der ganzen Wucht des Windes von der einen Seite auf die andere knallen und wieder zurück. Das machte der nächste Bolzen im Schäkel der Schot der Selbstwendefock nicht mit und verabschiedete sich. Die Fock flatterte im Wind, ich sah zu, dass ich sie eingerollt bekam, bevor mir das Segel in Fetzen ging. Damit hatte ich nur noch das Großsegel.
Ich reffte im weiteren Verlauf endlich mal das Groß, nachdem mich die Böen massiv vom Kurs abbrachten und wir in den Wind liefen. Das Boot war ohne Vorsegel viel zu luv gierig geworden. Bei dem annähernden Vorwindkurs hielt dann der gesetzte Bullenstander auch nicht mehr, der sonst so zuverlässige Palsteck flog einfach auf, als die Welle unser Heck durch den Wind drehte und das Groß machte eine perfekte Patenthalse. In diesem Wind! Ich sah mich schon ohne Rig dastehen und begriff das jetzt als meine allerletzte Warnung, mit dem Blödsinn aufzuhören und endlich dem Wind gescheit Rechnung zu tragen!
Ich startete den Motor, ging unter Autopilot in den Wind und barg das Groß. Dann ging ich angeleint (war ich eh die ganze Zeit) auf das Vordeck und verband die gebrochene Schot notdürftig mit einem Palstek mit dem Schothorn des Vorsegels.
So hatte ich nun die Arbeitsfock wieder, mit der ich nun sehr stabil, ein wenig vor dem Wind kreuzend, mit anständigen 5,5 Knoten Richtung Muxía kam. Warum eigentlich nicht gleich so? Das war heute wirklich lernen durch Schmerzen. Ich verkniff mir noch eine Abkürzung zwischen Kap Villano und vorgelagerten Felsen, investierte 30 Minuten Wegzeit in einen sicheren Track und wir kamen wie begossene Pudel in Muxía an. Beim Einlaufen streike erneut das Bugstrahlruder. Der Stecker hatte wieder Kontaktschwierigkeiten…. Das musste als logischer Abschluss des Tages ja so sein.
Ich merkte erst 30 Minuten nach der Ankunft, was alles von mir abfiel. Nicht nur, dass ich 15 Stunden buchstäblich auf den Beinen war und kaum einen Moment zum Ausspannen gehabt hatte, ich war einfach nur froh, das dieser Tag am sicheren Steg einer Marina endete. Das war sehr lehrreich gewesen. Dass starker Wind keine Fehler verzeiht, wusste ich ja in der Theorie. Was das aber in der Praxis bedeutet, lernte ich erst heute so richtig.
Wir wünschen euch für die Weiterfahrt auf jeden Fall mehr Glück. Das Gute daran war aber, dass du bestimmt sehr viel dabei gelernt hast und stolz darauf sein kannst, auch so einen Sch…. Tag am Ende doch gemeistert zu haben. Weiter so! Freuen uns schon auf deinen nächsten Bericht.. Toll!
Danke dir! Ja, die Tage werden jetzt bestimmt besser. Es bleibt zwar bei Nordwind, aber nur noch bis 20 Knoten. Ich hoffe, wir bekommen wenigstens etwas Sonne für den Nationalpark Atlantische Inseln, die bald kommen.
[…] Ich mache mich auf nach Süden, was ohnehin meine Richtung ist. Mittags habe ich einen Call, für den ich schnell ankern möchte, um nicht abgelenkt zu sein. Segeln und arbeiten gleichzeitig geht, ist aber für keine der beiden Tätigkeiten ideal. Ich finde eine Ankerbucht mit guten Bewertungen und stelle aber fest, dass der Grund auch in Ufernähe so steil in die Tiefe geht, dass der Anker nicht halten möchte. Es wird knapp. Ich habe keine 10 Minuten mehr, also muss es schnell gehen und dann eben doch auf dem Weg funktionieren. Ich hole den Anker zu schnell hoch und beim Einfahren in seine Halterung verkantet er mal wieder, so wie damals in Galizien (Von der Küste des Todes (ES) zum Ende der Welt (ES) – Teil I). […]