Drei Seglerspüche am Samstag, den 14.11.2020 und eine Nacht- und Nebelaktion

Eine Yacht ist eine Yacht, zwei Yachten sind eine Regatta. Der erste, von drei Seglersprüchen heute, und so wahr.

Als wir am Freitag zum Boot zurückkamen, lag Miss Sophie an der Pier. Eine dieser stolzen Damen der Gattung Hallberg Rassy. Die deutsche Flagge ließ mich kurzerhand Kontakt mit den neuen Nachbarn aufnehmen und wir unterhielten uns sehr nett eine Zeit auf dem Steg.

Das sympathische Paar hatte aus Deutschland heraus ab Juli fast den gleichen Weg wie ich über die staande mast route bis Amsterdam und mit Filip zusammen dann ab Amsterdam genommen, nur dass sie ab und zu zum Arbeiten nach Hause mussten und deswegen so lange brauchten. Da wir beide das gleiche Wetter und den gleichen Weg haben, war es nicht weiter verwunderlich, dass auch die beiden am nächsten Tag früh Richtung Lissabon, genauer gesagt in Richtung Cascais, einem kleineren Ort vor Lissabon, aufbrechen wollten.

So geschah es, dass wir beide zur selben Zeit den Hafen verließen und natürlich versuchte ich, so gut wie irgend möglich gegen den Wind zu kreuzen. Wer lässt sich schon gerne abhängen. Wir haben dabei mit dem etwas kleineren Boot zwei konstruktiv bedingte Nachteile. Zum einen heißt es:

Länge läuft. Das ist jetzt der zweite Seglerspruch, der zum Ausdruck bringt, dass je länger ein Boot oder Schiff ist, desto höher dessen theoretische maximale Rumpfgeschwindigkeit. Das ist reine Physik, hängt mit der Welle zusammen, die sich bei Fahrt durchs Wasser am Rumpf bildet und die man bei Verdrängerfahrt, also so lange man nicht wie ein Motorboot über das Wasser gleitet, kaum überholen bzw. hinter sich lassen kann. Zum Zweiten haben wir einen Tiefgang von ca. 1,60m m während Miss Sophie 1,85m hat. Dadurch kann sie höher am Wind laufen, bzw. hat weniger Abdrift, was genau bei dem kreuzen gegen den Wind fast alles ist, was zählt.

Miss Sophie

Ich hatte den Clipper am Vorabend bereits so weit wie möglich fertig gemacht und direkt das große Code Zero installiert, das ich in den Schwachwindphasen dieses Törns sicherlich brauchen werde. Wir verließen gemeinsam den Hafen und machten uns auf gen Süden und gegen den Wind. Anfangs machte ich mir noch Illusionen, dass ich hier mithalten könnte. Nachdem ich zunächst die Genua ausgerollt hatte, entschied ich, dass das Code Zero bei um die 10 Knoten auch noch geht. Somit versuchten wir dann mit allem, was wir hatten, mitzuhalten.

Noch können wir mithalten und machen sogar etwas Höhe zum Wind gut. Der plan, so zu kreuzen, war aber etwas zu optimistisch (wie immer)

Nachdem alles mal eingestellt war, passierte erst mal nichts. Eine Sache passierte aber doch ab und zu. Das Vorliek des Code Zero schlug immer mal wieder, da es den Wind von vorne und dann wieder richtigerweise hin hinten bekam. Das hatte ich schon mal beim amwind Segeln und das tut einen unangenehmen Schlag, wenn sich das Vorliekt auf diese Weise entlastet und dann wieder mit Wind füllt und belastet. Fuuuup, Fuuuup. Das letzte Mal hatte ich das Segel dann nach einiger Zeit runtergenommen, da sich das absolut nicht gesund anhört. Da ich es heute etwas eiliger hatte, wartete ich damit zu lange und hier kommt der letzte Seglerspruch von heute: Reißt das Segel Dir vom Mast, segelst Du in großer Hast.

Mit einem gar nicht so lauten Schlag kommt das Code Zero von oben und liegt Steuerbord neben uns im Wasser. Ich bin nicht abgebrüht genug, dass dann erst mal für den Blog zu fotografieren, auch wenn ich das Bild jetzt gerne hätte. Erst laufe ich raus und will es sofort einholen, besinne mich dann aber, gehe noch mal zurück und ziehe die Rettungsweste an und picke mich ein. Ich ziehe das Segel aus dem Wasser und sehe, dass es das von mir gequälte Fall ist, also das Seil, an dem man das Segel am Mast hochzieht, dass gerissen ist. Mir werden alle meine Sünden bewusst. Ich hatte, um das Schlagen des Vorlieks zu verringern, erst das Fall so stark durchgesetzt wie ich konnte. Danach hatte ich den Mast zurück getrimmt. Das war dann, wie nun bewiesen war, zu viel. Lesson learned. Wahrscheinlich ist sogar der Kurs so hart am Wind gar nicht so sehr das, wofür ein Code Zero gemacht ist. Aber Halbwindkurse gab es eben in den letzten Monaten so gut wie nicht.

So ist es jetzt nun. Filip meinte noch, dass wenigstens das Segel selbst heil geblieben ist und damit hat er sehr recht. Also zurück damit in den Segelsack und weiter geht es mit der Genua. Wir machen sehr lange Schläge, segeln weit hinaus, bis wir auf den anderen Bug wechseln und wieder zurückkommen. Draußen so bilde ich mir ein, ist der Wind etwas stärker als unter der Küste. Außerdem hat es dort keine Netze. Währenddessen macht Miss Sophie sehr kleine Kreuzschläge unter der Küste und da ich sie auf dem AIS schön verfolgen kann, muss ich zu meinem Verdruss erkennen, dass sie mit der Zeit deutlich mehr Höhe am Wind gut macht, als wir. Na ja, dafür kann sie nicht trocken fallen und kommt mit ihren 1,85m nicht überall dahin, wo wir mit unseren 1,60 kommen. Dass sie uns aber dermaßen abhaut, frustriert mich mehr, als ich mir eingestehen möchte. Das kann doch gar nicht sein…

Jedes mal, wenn wir in den langen Schlägen der Küste wieder mal nähern kommen, geht alls ins Internet. Man könnte ja was verpassen…

Es wird wieder lange dunkel sein, bevor wir ankommen. Wir hatten schon morgens die Idee aufgegeben, direkt nach Lissabon rein zu segeln und nehmen lieber die erste Marina auf dem Weg dort hin. Das ist der Eingangs erwähnte Ort Cascais. Dort herrscht am Wochenende, wie auch in Lissabon selbst, ab Samstag 13 Uhr eine Ausgangssperre. Wir werden also nichts verpassen, wenn wir später kommen.

Der Nachmittag ist ein beschauliches, fast aufrechtes, Dahinsegeln

Wir kommen dem Capo da Roca näher. Hier ist tatsächlich der westlichste Punkt Portugals, wie wir mittlerweile wissen. Der Marinero (Hafenmeister) von Peniche hatte uns noch eindringlich gewarnt, dem Kap nicht zu nahezukommen. Der Witz ist, dass es bei unserer Annäherung nicht nur gerade dunkel wird, sondern sich zusätzlich auch noch eine Nebelglocke über das Kap und die ganze Einfahrt nach Lissabon gelegt hat. Ich fahre mittlerweile mit elektronischer Seekarte und Radar. Damit sehe ich auf die Distanz mehr, als wenn ich draußen in die neblige Dämmerung schaue, aber das Kap bekommen wir so aus der Nähe von See aus nicht zu Gesicht. So fahren wir uns auf einem der letzten Kreuzschläge dem Kap und ich drehe mit gehörigem Abstand und Respekt wieder ab.

Nur mit elektronischer Seekarte und Radar geht es zwischenzeitlich voran

Ich fahre wieder von draußen, da ich im bei Sicht von vielleicht 20 -30 Metern zumindest ein bisschen was ausmachen kann. Dreimal passiert es mir, dass ich eine Fischernetzmarkierung in geringer Entfernung an uns vorbeirauschen sehe. Keine Chance, die nachts früh genug zu erkennen. Ekelhaft!

Ich lasse den Blick durchs Cockpit gleiten und habe so ein „Erkenne den Fehler im Bild“ Gefühl. Die Betriebsstundenanzeige des Motors leuchtet. Das tut sie aber normalerweise nur, wenn der Motor läuft oder zumindest die Zündung an ist. Ich schalte sie aus und die Anzeige erlischt. Sind wir denn die ganze Zeit mit eingeschalteter Zündung gefahren? Hm, ist sicher nicht gut, überleg ich mir, das wären dann ja über 12 Stunden seit dem Auslaufen. Ohne besondere Erwartungshaltung schaue ich mir mal den Ladestand der Starterbatterie an, deren einzige Aufgabe es ist, die Energie für den Motorstart zu liefern. Diese liegt bei 53 % und das ist sehr schlecht. Diese AGM Batterien sind der Konstruktion und Zellchemie nach mit Bleibatterien vergleichbar und dürfen keinesfalls unter 60 % entladen werden. Falls doch, müssen sie schnell wieder aufgeladen werden. Am wohlsten fühlen sie sich bei 100%.

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Batterie zu laden. Mit Landstrom oder mit der Lichtmaschine des Motors. Falls wir nachher keinen Landstrom bekommen, kann ich die Batterie unmöglich mit nur 10 Minuten Laden über Lichtmaschine beim Anlegen so lassen. Ich starte den Motor, um wieder Saft in die Batterie zu bekommen. Immerhin startet er !! Nebenbei vermeiden wir somit den letzten Kreuzschlag und kommen etwa 1 Stunde früher an.

Wir fahren so ein paar Minuten und es gibt ein leider bekannten Warnton. Die Lichtmaschine lädt mal wieder nicht, vermutlich erneut die fliegende Sicherung an der Lichtmaschine. Das darf doch nicht war sein. Doch nicht jetzt und hier, verdammt! Wir fahren nachts im Nebel, die Batterie ist runter und die Backskiste mit einem schlecht zusammengelegten Dinghy, einem ins Wasser gefallenen und kaum zusammen gelegten Code Zero mehr als voll und nur von da komme ich an das Teil ran.

Wir räumen die Backskiste soweit leer, dass ich die Klappe zum Motor auf bekomme. Ich habe größte Mühe an die Sicherung zu gelangen. Gleichzeitig gucken und greifen geht gar nicht. Dazu müsste ich Kopfüber darunter und in den Motorraum reinkrabbeln. Die Sicherung ist tatsächlich durch, wenigstens ist es nicht etwas Unbekanntes anderes. Die neue Sicherung geht erst beim x-ten Versuch zurück in die Fassung. Irgendetwas hat sich da verbogen, ich kann es aber kaum sehen, dazu bräuchte ich von allem mehr. Mehr Platz, mehr Licht, mehr Zeit. Irgendwann fühlt es sich so an, als ob die neue Sicherung passt. Wir räumen Segel, Schlauchbootteile, Fender, Esstisch zurück in die Backskiste

Meine Flucherei habe ich hier mal rausgeschnitten. Das war nicht jugendfrei

Dann bange Minuten mit Blick auf die Ladewarnung, die nach wie vor da ist. Sie verschwindet. Ok, gut. Aber lädt auch die Batterie, kommt was an? Nach 5 Minuten geht die, durch den Maschinenstart auf 50 % gesunkene Ladestandsanzeige auf 51%, etwas später auf 52%. Meine Erleichterung ist groß.

So navigiere ich uns mit Karte und Radar um ein paar ein paar Bojen, die wohl ein Sperrgebiet markieren, keine Ahnung, ob man da durch fahren darf. Die Bojen liegen jedenfalls nicht da, wo sie laut Karte sollen. Ich sehe sie zudem an Stellen blinken, an denen ich nichts auf dem Radar habe und habe Echos auf dem Radar, wo nicht blinkt. Das sollte aber alles zueinander passen. Ich umfahre das Gebiet mit Abstand. Es klart auch ein Stück auf. Ich mache mir Musik im Cockpit an. Die ladende Starterbatterie und die Aussicht, dass der Törn nach bald 16 Stunden zu Ende geht, macht mich fröhlich. Ich singe mit.

An der Hafeneinfahrt fängt uns abends um 22:30 tatsächlich noch ein Marineo ab, der uns an einer, im Dunkeln der Einfahrt blinkenden Sperre vorbeilotst. Wir machen eine vorläufige Anmeldung, bekommen auf Nachfrage einen Platz in der Nähe der Miss Sophie und legen uns da dann hin. Landstrom gibt es tatsächlich keinen, da ich keinen Adapter für den größeren, hier vorhandenen Stecker habe. Gut, dass wir die Batterie wenigstens auf 75% haben.

Endlich fest, nach einem langen und ereignisreichen Törn

Am nächsten Tag gesteht mir Markus von der Miss Sophie, dass er 3/4 der Zeit mit Motorunterstützung lief. Das rettet mir den Tag und die Woche und muss hier noch erwähnt werden. Es war somit weder eigenes Unvermögen noch der Clipper, der uns 4 Stunden später ankommen ließ. Alles gut, gute Nacht.

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