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Mittwoch, 06.09.2023 – 17.09.2023

Nach der schrecklichen Gewitternacht sitzen wir nachmittags gerade mit Sally und Jeremy vom Nachbarboot zusammen bei uns im Salon und unterhalten uns, als ein neues, Schutz suchendes Charterboot in unsere Bucht der Zuflucht einläuft und einen wirklich hilfsbedürftigen Eindruck macht.

Nanu, denke ich mir. Wo kommt der denn her? Sie beginnen das Anlegemanöver recht holprig, ein Crewmitglied versucht die Leine schwimmend zum Land zu ziehen, während das Boot im Hafenbecken vertreibt und ihn mehr hinter sich herzieht, als er die Leine zum Ufer. Sie starten einen neuen Anlauf. Wir lassen sie erst mal machen, aber es wird nicht wesentlich besser.

Der österreichische Schwimmer ist bei uns in der Nähe und schon erheblich am Schnaufen, da verliere ich meinen Gleichmut und frage, ob Hilfe erwünscht ist. Das ist in ganz erheblichem Maße der Fall, sodass ich ins Clipperchen hüpfe und bei der Anlandung der Leine helfe. Da ich mich hier jetzt nun auskenne, gebe ich Hinweise, wo die Leine am besten befestigt werden kann und inspiziere auf dem Rückweg interessiert den Knoten, den die Nachbarn verwendet hatten, um zwei Leinen so zu verbinden, dass sie die passende Länge zum Land bekommen.

Was ich sehe, ist neu, möglicherweise originell, geradezu mutig und fällt definitiv unter die Rubrik Dreifacher Feld-, Wald- und Wiesenknoten. Ich frage verwirrt: Der hält? Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als zur Antwort kommt, dass der Schwimmer den nicht gemacht hätte, er das auch nicht wüsste und ich äußerst gerne einen anderen, besseren Knoten machen darf.

Nun, das kann ich in der Tat, wenn auch erst seit drei Tagen. Ich erkläre kurz meinen neu erlernten Zeppelinstek, unterschlage die irrelevante Information, seit wann ich im Besitz dieses Wissens bin, verbinde die zwei Leinen damit und muss der Chartercrew wie der größte Seebär vorkommen. Ich erspare mir ebenso die mindestens genauso überflüssige Information, welches Chaos wir hier selbst vor einigen Tagen verursacht hatten, als wir uns selbst festmachten und gönne mir für ein paar Sekunden den Ruhm für meine Mühe.

Immerhin hatte ich wirklich mit Rat und Tat eine dringend benötigte Hilfe geleistet, für die unsere neuen Nachbarn so dankbar sind, dass sie mir das völlig überraschend mit zwei Bier danken. So ganz uneigennützig war meine Hilfe am Ende dann auch nicht, denn wenn sie schon neben mir liegen, sollen sie das auch sicher tun und sich in einer ähnlichen Nacht, wie der vergangenen, nicht ebenfalls losreißen und auf uns drauf treiben.

So sind wir alle zufrieden. Sie erzählen noch, wie furchtbar die Nacht im nahen Haupthafen der Insel war. Der Schutz vor den Gewitterböen, dem Sturm und den Wellen war schlecht und es hätte sie an ihrem Kai fast aufgerieben. Im Kampf um das Boot hatte in der Nacht keiner von ihnen geschlafen und sie wollten dort nur noch weg, nachdem es etwas ruhiger wurde. Eine gute Entscheidung also, dass wir es dort erst gar nicht versucht hatten. Es zeigt mir erneut, wie manche Häfen bei sehr schlechtem Wetter aus der falschen Richtung gefährlich werden können. Wir haben damit ja auch schon so unsere Erfahrung, zuletzt auf Samothraki. So lobe ich mir erneut zufrieden unseren Unterschlupf.

Wir warten alle noch weitere zwei Tage und können die Bilder aus dem wenige Kilometer entfernten Skiathos und Volos nur zur Kenntnis nehmen. Bei uns ist es windig, regnet aber wenig, während alles weiter westlich buchstäblich absäuft.

Ich frage mich tatsächlich besorgt, ob der Geburtstag so stattfinden kann. Hotels nehmen obdachlose Einheimische auf, Straßen hören auf zu existieren, es gibt vielerorts kein Trinkwasser mehr. Touristen stranden am Flughafen. Ein Katastrophengebiet eben. Die Regenmassen sind absurd gewaltig, ein vielfaches dessen, was für die Ahrtal Katastrophe notwendig war. Über die griechische Gruppe Forecast Weather Greece auf Facebook, werden immer wieder dramatische Hilferufe zu bestimmten, besonders prekären Notlagen gesendet.

Derweil bekommen wir Energieprobleme. Unsere windgeschützte Lage und die ständige Bewölkung lassen weder die Solaranlage noch unseren Windgenerator Strom produzieren, sodass ich bei 16 % die Maschine starte und nun täglich für 30 Minuten Strom aus Diesel machen muss, um unseren Kühlschrank, Tiefkühler, das Licht und einige andere nicht ganz nebensächliche Annehmlichkeiten wie Toiletten und Frischwasserpumpen weiter betreiben zu können. Das schmerzt, ist aber nach 3 Jahren nicht mehr als das zweite oder dritte Mal, dass die Maschine ausschließlich zur Stromerzeugung gestartet werden muss.

Das geht vielleicht mit größeren Solarpaneelen besser, könnte aber auch schlimmer sein. Jeremy nebenan hat beispielsweise gar kein Solar oder Windgenerator, er produziert ganz normal jeden Tag Strom aus Diesel, indem er seine Maschine etwa 1 Stunde laufen lässt. Grauenhaft!

Am Donnerstag, dem 7.September, drei Tage vor dem Geburtstag, einen Tag vor den gebuchten und bezahlten Flügen ist der Tag der Entscheidung. Es ist auch der erste Tag ohne Ausgangssperre, also die erste theoretische Gelegenheit überhaupt, hinüber nach Skiathos zu fahren.

Ich versuche im Hotel anzurufen, in dem ich für uns alle Zimmer reserviert hatte und komme nicht durch. Die Homepage des Hotels bietet aber eine Nummer in Athen an, die ich anrufe und durch komme. Der freundliche Mitarbeiter entschuldigt sich, meint, dass im Gegensatz zum Festnetztelefon das Hotel normal arbeitet und vergewissert sich über eine private Leitung, dass mit unserer Buchung alles o. k. wäre. Die Straße zum Flughafen existiert, Gäste würden wieder an- und abreisen, wir seien herzlich willkommen.

Unser Aufbruch verzögert sich jedoch, da ich mich entschließe, das kleine Inselkrankenhaus aufzusuchen, welches hier fußläufig erreichbar ist. Mein Problem ist, dass sich mein rechtes Ohr mal wieder zugesetzt hat. Ich benutze zwar schon lange keine Wattestäbchen mehr, muss aber früher oder später mal zum Säubern am besten zum HNO-Arzt. Dieses früher oder später hatte ich verpasst und das Ohr ist fast zu. Wenn es ganz zugeht, wird es sich entzünden und aus einer Kleinigkeit wird ein großes Problem. Das kenne ich schon und kann gerade nichts weniger als so etwas gebrauchen.

Im kleinen Inselkrankenhaus ist nichts los. Ich warte etwas, bis die Reinigungskraft merkt, dass ich auf den der Arzt warte, der untätig im Raum nebenan sitzt und seinerseits auf Patienten wartet. Wir wussten schlicht nichts voneinander, eine Rezeption oder Ähnliches gibt es nicht und so warten wir beide nutzlos 20 Minuten, 3 Meter entfernt voneinander und schauen uns die Katastrophenbilder aus dem griechischen Fernsehen an.

Er versucht, das Ohr mit Wasser durchzuspülen, was aber nichts bringt. Das hatte ich bereits selbst heute Morgen gemacht, durchaus auch mit zutage tretendem Erfolg, aber eben nicht vollumfänglich. Danach war das Ohr dann ganz zu und meine Motivation, fremde Hilfe zu suchen, brachte mich somit hier her. Ich hatte gehofft, man sei hier besser ausgerüstet als ich selbst. Er verschreibt mir Antibiotikum, aber entzündet ist es ja noch gar nichts, das kommt erst noch. Ich lasse den Zettel erst mal in der Tasche. Wir gehen unverrichteter Dinge zurück zum Boot und verabschieden uns von Sally und Jeremy. Es ist immer das gleiche, man begegnet sich, mag sich, lernt sich kennen und schätzen, verbringt Zeit zusammen und verliert sich wieder aus den Augen, nachdem der Anker gelichtet wurde. Es bleibt die dünne Bande eines möglichen Kontakts über eine ausgetauschte Mailadresse, Telefonnummer, oder die Position per MMSI, wenn man denn danach schaut.

Zum Abschied macht uns Jeremy noch einmal den Wassertank voll. Er hat einen Wassermacher, wir nicht. Auf Skiathos werden wir vor Anker liegen, ohne eine Möglichkeit an Wasser zu kommen, womit dieses Abschiedsgeschenk hochwillkommen ist.

Fast klassisches RAS Manöver (Replenishment at Sea) bei der Wasserübernahme mit langem Schlauch von Boot zu Boot

Vor der Abfahrt muss der Clipper aber erst wieder buchstäblich von seinen Ketten befreit werden, was doch einige Zeit in Anspruch nimmt. Damit die Leinen nicht schamfilen, also aufscheuern, hatte ich Ketten verwendet, die ich um die Steine legte, und die Leinen wiederum an der Kette befestigt.

Der Wind ist nahezu perfekt, das Meer hat sich etwas beruhigt, sodass der Clipper gut vorankommt. Filip, unser heutiger Autopilot lässt Skiathos Stadt…

…links liegen, wo ich eigentlich zum Friseur, Zahnarzt für einen Kontrolltermin und nun auch Ohrenarzt wollte, das allerdings schon vor Tagen. Dafür ist nun aber keine Zeit mehr.

Wir fahren weiter und es ist leider schon wieder dunkel, als wir an unserem Ankergrund ankommen. Ich hatte mir den Ankerplatz schon vor vielen Wochen ausgesucht. Er liegt genau zu Füßen des Hotels, in dem wir ab morgen alle sein möchten. Gut ist, dass wir hier mit unserem Clipper allein sind. Schlecht ist, dass wir in der Dunkelheit den Grund nicht sehen und so den Anker nicht gezielt in einen Sandfleck setzen können, das Seegras Posidonia vermeidend, dass den Anker am Eingraben hindert und außerdem nicht zerstört werden darf und soll.

Zwar ist es auch mit dem Downvision Sonar von Raymarine leidlich möglich, die Beschaffenheit des Grundes zu erahnen, aber den erahnten Sandfleck mit dem Anker dann auch zu treffen, während man eigentlich bereits darüber gefahren ist, ist eine Kunst. Nach dem vierten oder fünften Versuch greift er endlich und wir sind auf Skiathos angekommen!

Nach einer ruhigen Nacht nehme ich am nächsten Morgen das Clipperchen und fahre mit einem Taxi in die Stadt, um einen Leihwagen zu mieten. Auf dem Weg kann ich die Schäden, die der Regen hinterlassen hat, zwar sehen, aber die Aufräumarbeiten sind bereits im vollen Gange und ich bin erstaunt, wie wenig von dem Chaos nur noch zu sehen ist. Hier ein geflutetes und weggespült das Auto …

dort ein Unterwasser gesetztes und zerstörtes Geschäft, aber definitiv keine wirklich flächendeckende Zerstörung. Die gibt es nur auf dem Festland, wo ist immer noch regnet, und im Norden der Insel.

Und dann sind sie wirklich alle da. Jens, Michael und Patty (von links nach rechts im Bild) kommen aus dem Flughafen und die Begrüßung ist herzlich.

Die Jungs sind alle erwachsen und können für sich selbst sorgen. Ich setze sie in der Stadt ab, wo sie erst mal frühstücken können, denn Paddy und Michael sind seit heute Morgen früh um 4:00 Uhr auf den Beinen, während Jens, aus Stuttgart kommend und mit der gleichen Maschine wie die anderen beiden fliegend, direkt die Nacht durchgemacht hatte. In der Zwischenzeit gehe ich zum Friseur, der mir ein zivilisierteres Aussehen verpasst, sodass nicht jeder denken muss, ich hätte gerade die Welt nonstop und allein umsegelt.

Anschließend lasse ich mich durch Google Maps zu einer Ärztin navigieren, die mir nach 30 Minuten Wartezeit freundlich erklärt, dass sie eine Kinderärztin sei und für mich nicht zuständig ist. Sie vermittelt mich aber an ein nahe gelegenes kleines Privatkrankenhaus, das ich fußläufig erreiche.

Dem Arzt dort schildere ich mein Problem, der mir erklärt, dass das sehr einfach sei. Er packt eine kleine mobile Vakuumpumpe aus und macht mir das Ohr tatsächlich innerhalb von nur 2 Minuten frei, so wie ich das kenne. Nach weiteren 5 Minuten Smalltalk bin ich wieder raus und zahle stolze 100 € für die kurze Behandlung. Somit kenne ich jetzt auch den Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Krankenhäusern in Griechenland, was Behandlungsmöglichkeiten und Kosten anbelangt.

Zurück bei meinen drei Geburtstagsgästen, finde ich diese mittlerweile leicht feuchtfröhlich vor, das Frühstück bereits hinter sich lassend.

Nichts anderes hatte ich erwartet. Der Gang durch die Stadt ist erstaunlich. Die Fußgängerzone, die vor vier Tagen noch ein Fluss war, ist beinahe wieder wie vor dem Regen. Zwar sieht man noch, wie die Straße an ein paar Ecken wieder ihr Pflastersteine zurückbekommt…

…und in manchen Geschäften wird noch geputzt, aber die meisten Ecken sehen bereits wieder aus, als wäre nichts gewesen.

Das Lokal Main Street war auf dem Video, dass ich im letzten Blogpost verwendet hatte, wo man diese Straße als Fluss sah. Jetzt ist es hier wieder so. Absolut erstaunlich.

Wir fahren ins Hotel, ich hole Filip vom Boot ab, wir beziehen unsere Zimmer und machen erst mal Siesta. Am Abend dann gemeinsames Abendessen im Hotel und die Planung für den nächsten Tag.

Es wird ein kurzer Segeltörn, zu einer der Skiathos vorgelagerten kleinen Insel. Filip fährt uns und muss hart an den flotten Wind ran, was den Dreien das Erlebnis verschafft, wie das so ist. Ich hatte vorher eine Allgemeine- und Sicherheitseinweisung gemacht und vorsorglich erwähnt, dass wir uns zwar auf die Seite legen werden, aber deswegen keineswegs kentern können. Michael und Paddy reicht das, Jens hält das Boot vorsorglich aber mal fest.

Nach der Ankunft legen wir den Clipper vor Anker, verholen uns selbst an den Strand und verbringen einen fantastisch tiefenentspannten Tag an der dortigen Strandbar.

Aus irgendeinem Grund wollen meine Gäste das Dinghy zu keinem Zeitpunkt benutzen. Sämtliche Wege vom Strand zum Boot und zurück werden ausschließlich schwimmend zurückgelegt, was offenbar größtes Vergnügen bereitet. Am Hotel zurück, legen wir das Boot dann so, dass wir es vom Zimmer aus besser sehen können und machen ein Fotoshooting mit uns im Hotel…

…und dem Clipper davor. Perfekt!

Dann ist er da. Sonntag, der 10. September und wir beginnen mein 50. Lebensjahr damit, dass wir nach dem Frühstück das Auto nehmen und zu einem besonderen Ort der Insel fahren, den es meines Wissens so ansonsten nur noch einmal auf Sint Maarten in der Karibik gibt. Es handelt sich dabei um ein bisschen Strand, das so nahe am Ende der Landebahn des Flughafens liegt, dass man sich von dem Strahl der startenden Flugzeuge ins Meer pusten lassen kann, wenn man das denn möchte.

Aber auch die landenden Flieger sind ein Spektakel, wenn das Fluggerät einen dermaßen dicht überfliegt, dass man den Kopf einziehen möchte.

Abends dinieren wir dann in einem wunderschönen Restaurant, dass ich ebenfalls bereits seit längerem ausgewählt hatte.

Im Anschluss geht es noch in eine einschlägige kleine Bar, wo wir den Abend hervorragend gelaunt ausklingen lassen.

Ziemlich genau so hatte ich mir meinen Geburtstag unter Segeln vorgestellt und gewünscht. An einem schönen Ort, ohne großes Tamtam im kleinsten Kreis meiner besten Freunde und ganz entspannt. Das hat perfekt funktioniert, ich bin sehr glücklich!

Unser letztes gemeinsames Tagwerk besteht am Montag darin, am Strand entlangzulaufen, auf der anderen Seite der Bucht in einer schönen Strandbar zu Mittag zu essen und zu verweilen. Am Nachmittag geht es zurück und wir machen auf halber Strecke an einer anderen Strandbar halt, um uns zu stärken und erneut zu verweilen. Es gibt wahrlich Schlimmeres.

Am Dienstag besteigen Paddy und Michael dann den Flieger, Jens bleibt noch ein drei Tage. Wir wechseln zu dritt vom Hotel zurück auf den Clipper und legen den und uns vor einer nahen Badebucht vor Anker, wo wir gleich zwei Tage bleiben. Am dritten Tag segeln wir nach Skiathos Stadt, wo dann auch Jens am nächsten Morgen von Bord geht. Wir dürfen hier nur eine Nacht bleiben und räumen den Steg wieder. Auf dem Weg hinaus kommt uns der Flieger dann noch einmal ganz nahe, der Jens nach Hause bringen wird.

Transit

Nun sind Filip und ich wieder für uns und ein letztes großes Vorhaben für dieses Jahr steht an, der Transit nach Valencia. Uns hatte die Stadt so gut gefallen, dass wir dort mehr Zeit verbringen möchten und uns den Ort als Winterquartier ausgesucht hatten, auf halbem Weg zurück zum Atlantik, wo wir uns kommendes Jahr herumtreiben möchten.

Jetzt hängt alles vom Wetter ab. Fahren so weit man kommt, recherchieren, wo man warten kann, Warten, Wetter überwachen, Fahren. Etwa so. Ich habe mich sehr auf diese Herausforderung gefreut, auch wenn das sehr anstrengend sein kann. Der Wind, bzw. seine Abwesenheit lädt einen dabei an Orten ab, die man gar nicht geplant hatte, geschweige denn kennt und somit entdecken kann. Oder Filip tut das, der jetzt mit dem Vorschlag kommt, man könne doch mal auf Mykonos vorbeischauen. Für mich ist das manchmal schwierig, so spontan umzudenken, während ich eine andere Route schon nahezu fertig habe. Ich wollte eigentlich den direkten Weg, wieder durch den Kanal von Korinth. Mykonos bedeutet aber unten um den Peloponnes herum, ein kräftiger Umweg, der aber Sinn ergeben kann, da die Windverhältnisse im Golf von Patras mehr als fragwürdig sein werden, was viel Maschinenfahrt bedeutet, die wir beide, soweit es geht, vermeiden möchten.

Also gut, wahrscheinlich sogar besser. Ich schaue mir das Wetter an und mache meine Routenplanung. Wir werden einen guten Wind nach Südosten haben und müssen uns auch wirklich rann halten, denn ab dem Tag unserer Ankunft wird der Meltemi bis zur Sturmstärke für drei Tage jede Bewegung auf dem Wasser verbieten. Es ist immer etwas gruselig, vor einem Sturm noch irgendwo sein zu müssen, aber hier in Griechenland gibt es ja an jeder Ecke eine Möglichkeit unterzukommen, was das Revier so unglaublich interessant macht.

Am kommenden, nicht allzu frühen Morgen soll es losgehen. Für die Nacht gehen wir jetzt auf einer anderen kleinen vorgelagerten Insel vor Anker und bringen uns für die Abfahrt schon mal in Stellung. Auch auf dieser Insel hat es einen kleinen Strand mit einer winzigen Strandbar, wo man uns dann natürlich auch am Abend finden kann.

Die kleine Marina auf Mykonos ist berüchtigt. Es herrscht dort ein Marinero mit eiserner Hand. Sein grobes Regiment, das vielerorts beklagt wird, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die Marina in der Saison massiv überlaufen ist. Es gibt seit vielen Jahren ein allgemeines Hauen und Stechen um die viel zu wenigen Plätze, bei dem die Segler wohl auch oft nicht zimperlich sind. Die maximale Liegezeit ist im Normalfall zudem nur eine Nacht, was ggf. jetzt anders ist, was ich aber nicht herausfinden kann. Buchen darf man nur am Vortag der Ankunft, eine zeitig zuverlässige Planung ist somit nicht möglich. Dazu ist dieser Neubau im neuen Hafen zwar etwas geschützter als sein Vorgänger, dem alten Hafen, aber auch hier wird Übles bei Meltemi berichtet, der ja nun kommt. Zusammenfassend schimpft fast jeder über die Marina und den Hafenmeister. Ich bitte per SMS um einen Platz, so will es der dortige Herrscher der Stege. Am Abend bekomme zwar nach einigem Hin und Her den Platz, hatte mich zu dem Zeitpunkt aber bereits anders entschieden und uns auf der nahen Nachbarinsel Tinos angemeldet. Ich habe dort eine Zusage für so viel Tage, wie wir benötigen, es ist Platz frei, der Schutz ist besser und, wie ich sofort am Telefon feststelle, die Hafenmeisterin ist extrem freundlich, was viel ausmacht.

Von Tinos aus buche ich uns eine Fähre nach Mykonos, die dort alle drei Stunden abgeht und nur eine Stunde Fahrzeit hat. Wir nehmen uns zusätzlich ein Zimmer in Mykonos Stadt, das finanziell so ökonomisch ausfällt, dass es sich eher um einen winzigen Raum ohne Fenster handelt, was selbst in der Nebensaison auf Mykonos immer noch mit selbstbewussten 80 EUR zu Buche schlägt. Das Ding ist so klein, dass im WC einfach noch eine Dusche installiert wurde, um beides zu haben. Für mehr war kein Platz. Ich bin beeindruckt, wie absurd teuer hier alles ist, zumal wir aus dem Norden Griechenlands nun wahrlich das Gegenteil gewohnt sind.

Der Clipper rauscht durch den Tag und um uns herum ist so viel Treibgut wie noch nie. Große Äste, ja ganze Bäume schwimmen hier herum, die sicherlich bei dem Unwetter überall ins Meer gespült wurden. Einen größeren Gegenstand treffen wir auch, was aber ohne Folgen bleibt. Ich bin nur über die fast schon unvernünftig dicke GFK Schicht meiner Sirius dankbar, die 2–3 Mal stärker ist, als es heute im modernen Bootsbau üblich ist. Damit kann man auch schon mal gegen etwas fahren, ohne dass es direkt eine Auswirkung hat und genau deswegen ist es auch so. Ein kleiner Panzer ist hier also von großem Vorteil und wenn er auch nur von psychologischer Natur sein muss.

Spätestens in der Nacht wird es unmöglich, einem UFO, also einem Unidentified Floating Object, auszuweichen. Es wird gegen Nachmittag besser mit den UFOs. In der folgenden Nacht bekomme ich aus zwei Gründen nicht viel Schlaf. Zum einen haben wir viel kreuzenden Verkehr, durch den ich uns hindurch fädle. Auf dem UKW Funk ist einiges los, da sich die dicken Pötte untereinander ebenfalls abstimmen, wie sich passieren wollen. Wenn dann einer nicht das tut, was er soll, wird auch schon mal ein Wachhabender auf seiner Brücke nervös und es fällt die aufgebrachte Frage, ob der andere ihn zu rammen gedenke oder was denn nun konkret die weiteren Absichten seien. Ich bin an keiner dieser Situationen beteiligt und beobachte das aus der Entfernung, manchmal bestens unterhalten von derlei Kommunikation.

Außerdem leiste ich mir eine Segelkonfiguration, die ich so bisher nicht hatte und die eine regelmäßige Begutachtung verlangt. Ich fahre zum ersten Mal drei Segel!

Die Genua hatte ich bereits am Nachmittag mal zur Abwechslung professionell ausgebaumt, was ich mir in einem YouTube Video angeschaut hatte, da mich keiner der vielen Segelscheine das bisher gelehrt hat. Der springende Punkt ist hierbei, dass ich nicht einfach die vorhandene Schot in den Spibaum einpicke, sondern mit einem Festmacher als Working Sheet eine zusätzliche Schot baue, mit der ich die Genua durch die Öse am Ende des Spibaums ein- und ausfahren kann, ohne auf das Vordeck zu müssen. Das ist besonders nachts wichtig. Der zusätzliche Baum ist dann mit Toppnant nach oben zum Mast und zwei Niederholern nach unten vorne und achtern so fixiert, dass er sich nicht bewegen kann. Völlig verirrt? Hier ist es erklärt:

Da sieht dann bei mir so aus:

Das Groß habe ich auf der Steuerbordseite noch mit einem Bullenstander gesichert, damit es auch dort bleibt. Da beide Segel, die Genua und das Groß auf diese Weise gut stehen und der Wind von Raum Backbord kommt, wo das Groß nicht ist, versuche ich einfach auf Steuerbord noch die Arbeitsfock als eine Art Passatsegel zusätzlich zu setzen. Was soll ich sagen, sie bekommt perfekt Wind, es funktioniert! Wir machen trotz nur moderatem achterlichen Wind fast Maximalgeschwindigkeit.

Geschwindigkeit benötigen wir auch, denn die Vorboten des aufkommenden und angekündigten Sturms machen sich in den frühen Morgenstunden vor unserer Ankunft immer stärker bemerkbar. Die See geht immer höher, der Wind briest spürbar auf und er wird allgemein ungemütlich. Ich nutze mitten in der Nacht den Vorzug, den mir meine Konstruktion des fixierten Spibaums bietet und hole die Genua ein, ohne auf das Vordeck und wacklig dort mit dem Baum hantieren zu müssen. Die Genua wird einfach aus dem Cockpit eingezogen, der Spibaum bleibt stehen, wie er ist und wird später bei Tageslicht abgebaut. So fahren wir unter Arbeitsfock und später gerefftem Groß weiter.

Nur gut, dass wir bald da sind und im Lee der Insel unseren Hafen haben. Bei Sonnenaufgang erreichen wir Tinos Ostspitze, runden diese und kommen voll in die Düse zwischen Tinos und Mykonos, was noch einmal für eine kräftige Zunahme des Windes sorgt. Wir legen ein abschließenden spektakulären Ritt hin, bis wir die Kurve genommen haben und es fast plötzlich abflaut. Ich nutze die Gunst der Stunde und berge alle Segel. Weiter geht es unter Maschine, dann stehen wir vor dem Hafen und haben ein Problem.

Der vermeintliche Schutz der Leeseite der Insel ist keiner! Der Wind schafft es über die Insel und fällt mit 25 bis 30 Knoten den Berg hinunter in den Hafen und zu uns, die wir davor stehen. Ein Anleger unter diesen Bedingungen hatte ich bislang nicht mal annähernd versucht und Dinge sind schon bei weniger, wie damals in Benalmádena, fürchterlich schiefgegangen. Ganz unvorbereitet trifft mich das nicht, da ich davon gelesen hatte, aber dass es jetzt tatsächlich so ist, hilft mir nicht. Ich hätte abgebrochen, wenn der Wind nicht genau von der Küste kommen würde, womit wir gegenan anlegen werden. Das ist auch der einzige Grund, warum ich nicht abbreche und weiter mache. Wir fahren ohne Segel, aber gleichwohl mit ordentlich Lage in den Hafen, die Maschine kommt nur langsam gegen diesen Mist an, während der Wind im Mast stöhnt.

Innen angekommen stehen da immer noch 25 Knoten, in Böen 30. Wahnsinn! Wir driften zur Seite weg, der Clipper zeigt jetzt treibend ein ganz anderes Verhalten zum Wind, als ich es gewohnt bin. Bei weniger würde sich das Heck, wie eine Flagge, mehr in den Wind drehen und wir kämen dadurch schon in eine gute Anlaufposition für die Pier. Jetzt aber dreht sich da gar nichts, wir fahrten dagegen vielmehr seitwärts. Es ist immerhin Platz zum Driften. Der dem Stadthafen vorgelagerte Fährhafen, in dem wir uns noch befinden, ist groß. Ich schicke Filip im Schutz der Hafenmauern nach vorn, um die Fender auszubringen und das Dinghy Clipperchen ins Wasser zubringen und nach vorn zu ziehen, sodass wir hinten arbeiten können. Die Leinen werden vorbereitet, der Anker ist klar zum Fall und wir sind bereit, diesen Wahnsinn zu wagen.

Ich will meinen Anlauf an die Kaimauer starten und muss lernen, dass das Boot nur extrem widerwillig aus seiner seitwärtigen Driftlage heraus möchte. Jetzt ist es wirklich wichtig, dass wir noch Platz bis zum Wellenbrechen haben, dessen erreichen vielleicht nicht das Ende für das Boot, aber doch mit Sicherheit ein größeres Malheur inklusive der Änderung aller unserer Pläne für die kommenden Tage und Wochen zur Folge haben würde. Mit Vollgas schaffe ich Fahrt in das Boot zu bekommen, zunächst vorwärts, um uns mit Heck zum Wind in die richtige Ausgangsposition zu bringen. Dann voll zurück, bis genug Ruderdruck da ist, womit wir zügig gegen den Steg fahren können. Geschwindigkeit ist jetzt alles was zählt, um nicht vom Weg abzukommen. Würden wir jetzt stehen bleiben oder zu langsam werden, würde sofort der Wind bestimmen, wohin das Boot geht. 3–4 Bootslängen vor der Kaimauer fällt der Anker und ich gebe so schnell Kette, wie die Ankerwinsch hergibt. Langsam greift der Anker in den Schlamm des Hafenbeckens und ab jetzt wird unsere Geschwindigkeit durch die Winsch bestimmt, die weiter Kette gibt. Während wir uns mit verminderter, aber glücklicherweise noch ausreichender Geschwindigkeit der Anlegestelle nähren, versammeln sich dort helfende Hände von den anderen Booten, um unsere geworfenen Achterleinen anzunehmen. Die Leine muss sofort belegt werden, sonst kommen wir in die Drift und treiben wieder zurück in den Hafen. Der entscheidende Moment. Das Manöver sitzt, ich treffe meine Lücke zwischen zwei Booten, ohne allgemeines Kleinholz zu produzieren, Filip wirft ihr Leine, die um einen Ring gelegt wird und sofort zurückkommt. Er belegt die Leine auf unserer Winsch und wir sind fest und damit bereits sicher. Ich schaue dem helfenden Segler in die Augen und atme tief aus. Ufffff, das hat geklappt. Er grinst wissend und nickt. Wir machen die zweite Leine. Nun ist unser Zuhause absolut sicher und in der auf das Manöver fixierten nun weichenden Konzentration bemerke ich, wie mir die Hände etwas zittern. Neben der großen Erleichterung erlaube ich mir auch etwas Stolz fühlen zu dürfen, dass wir das alle zusammen im Grund sehr passabel gelöst haben.

Ich mache das Boot nun mit vier Leinen fest, jeweils eine von den Achterklampen und Mittelklampen. Jede Leine wird zusätzlich mit Ruckdämpfern versehen, das Ganze wird noch mal austariert und so kann der Clipper nun liegen bleiben. Während draußen der Wind pfeift, machen wir die Tür zu und holen noch etwas Schlaf nach, bevor es in drei Stunden auf die Fähre nach Mykonos geht. Ich bin schon gespannt, wie die Profis von der Fähre mit der Situation umgehen und freue mich gespannt auf das nächsten Tage.

6 Gedanke zu “Skiathos – Der 50. Geburtstag”
  1. Nachträglich meinen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Das mit dem Frisör war eine gute Idee.
    Falls in Mainz noch einmal Probleme mit den Ohren auftauchen sollten ….. Dr. Heinritz in Alzey hat goldene Hände.
    Take care
    Ute

  2. Lieber Matthias,

    auch von mir noch die besten Wünsche für das kommende Lebens- und Segeljahr. Habe die 50 ja schon lange hinter mir und strebe nächstes Jahr die 60 an. Das Alter ist aber vollkommen wurscht, solange man Freude am Leben hat! Mögen gute Winde, ausreichende Wassertiefen und viele schöne Stunden Deine/Eure Begleiter im nächsten Jahr sein.

    LG Gustav

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